Bisher wurde angenommen, dass es sich bei einem im Jahr 1670 beobachteten ’neuen Stern‘ um eine gewöhnliche Nova handelte. Erst jetzt entdeckten Astronomen, dass das damals beobachtete Himmelsereignis vielmehr durch eine gewaltige Sternkollision ausgelöst wurde.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Max-Planck-Institut für Radioastronomie.
Historische Aufzeichnungen von Novae-Ausbrüchen sind äußerst selten und somit für die moderne Astronomie von einem besonderen Interesse. Dies ist ganz besonders dann der Fall, wenn sich aus diesen Beobachtungen auch noch in der Gegenwart neue Erkenntnisse ableiten lassen können.
Im Jahr 1670 beobachteten Astronomen am nächtlichen Himmel im Bereich des ansonsten eher unscheinbaren Sternbildes Vulpecula (zu deutsch „Füchschen“) das Aufleuchten eines „neuen Sterns“. Einige der bedeutendsten Himmelsbeobachter dieser Epoche, darunter die Astronomen Giovanni Domenico Cassini und Johannes Hevelius – der Begründer der Kartografie des Erdmondes – haben den nachfolgenden Generationen sorgfältige Aufzeichnungen dieser Himmelserscheinung hinterlassen. Hevelius beschrieb seine Beobachtung als „Nova sub capite Cygni“ – als einen neuen Stern unterhalb des Kopfes im Bereich des Sternbildes Schwan (lat. Name „Cygnus“).
In der Gegenwart wird dieses Objekt als Nova Vul 1670 bezeichnet und ist zudem unter dem Namen CK Vulpeculae als ein Stern mit veränderlicher Helligkeit klassifiziert.
Bei den ersten Beobachtungen vor mehr als 340 Jahren war Nova Vul 1670 mit einer Helligkeit von bis zu 2,6 mag noch leicht mit dem bloßen Auge sichtbar. In den folgenden zwei Jahren zeigte das Objekt dann zunächst deutlich erkennbare Helligkeitsschwankungen bevor es zunächst von Nachthimmel ‚verschwand‘. In der Folgezeit konnten die Astronomen Nova Vul 1670 noch zweimal beobachten bevor diese vermeintliche Nova endgültig unsichtbar wurde. Obwohl die Aufzeichnungen das Phänomen für die damalige Zeit überraschend gut dokumentierten, fehlte auch den besten Astronomen dieser Epoche einfach die notwendige technische Ausrüstung und das Wissen, um die eigenartigen Eigenschaften dieser scheinbaren Nova erklären zu können.
Erst während des 20. Jahrhunderts kamen die Astronomen zu dem Schluss, dass die meisten Novae durch explosive Ausbrüche in engen Doppelsternsystemen erklärt werden können. Das eigentümliche Verhalten von Nova Vul 1670 war jedoch auch mit diesem Modell nicht schlüssig zu erklären und blieb bis auf weiteres ein Rätsel. Selbst mit der ständig wachsenden Empfindlichkeit der astronomischen Beobachtungsinstrumente war es lange Zeit nicht möglich, überhaupt auch nur eine Spur dieses Ereignisses an der entsprechenden Stelle am Himmel nachzuweisen.
Erst in den 1980er Jahren gelang es einem Team von Astronomen, in der Umgebung der Ausbruchsstelle einen schwachen Nebel zu lokalisieren. Obwohl diese Entdeckung eine verlockende Verbindung zu dem Ereignis von 1670 darstellte, trug sie doch wenig dazu bei, um die wahre Natur von dem zu entschlüsseln, was vor über 340 Jahren am Himmel über Europa zu beobachten war.
Durch Untersuchungen mit modernen Instrumenten konnten Astronomen dieses Rätsel jetzt jedoch lösen.
Eine gewaltige Sternkollision
„Das Objekt galt für viele Jahre als Nova, aber je länger es untersucht wurde, desto weniger sah es nach einer gewöhnlichen Nova oder irgendeiner anderen Art von explodierenden Sternen aus“, so Dr. Tomasz Kamiński, der Erstautor einer entsprechenden Studie, welcher zum Zeitpunkt der Beobachtungen am Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und inzwischen bei der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile tätig ist. „Wir haben das Gebiet jetzt in Submillimeter- und Radiowellenlängen untersucht. Und dabei haben wir herausgefunden, dass die gesamte Umgebung dieses Überrests in ein kühles Gas eingebettet ist, das eine Vielzahl von Molekülen in ungewöhnlicher chemischer Zusammensetzung enthält.“
Für den Nachweis der chemischen Zusammensetzung der Gaswolke – hierbei wurden verschiedene neutrale und ionisierte Moleküle wie zum Beispiel Kohlenstoffmonoxid, Cyanwasserstoff, Ammoniak oder Siliziummonoxid und sogar das organische Molekül Formaldehyd entdeckt – sowie der Untersuchung der Häufigkeitsverhältnisse unterschiedlicher Isotope nutzten die an den Untersuchungen beteiligten Astronomen neben dem APEX-Radioteleskop in den chilenischen Anden das Submillimeter Array (kurz „SMA“) auf Hawaii und das vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bad Münstereifel-Effelsberg betriebene 100-Meter-Radioteleskop. Die Untersuchungen ergaben ein sehr detailliertes Bild des Aufbaus dieser Region und ermöglichen zudem eine Abschätzung darüber, woher das dort befindliche Material stammt.
Die Wissenschaftler gelangten dabei zu dem Ergebnis, dass die in dieser Region des Weltalls konzentrierte Masse an kalten Gasen zu groß ausfällt, um in einem Nova-Ausbruch entstanden zu sein. Des weiteren weichen auch die im Bereich von Nova Vul 1670 gemessenen Isotopenverhältnisse zu stark von dem ab, was man von einer Nova erwarten würde. Vielmehr war für das im Jahr 1670 beobachtete ‚Himmelsschauspiel‘ laut den an den Untersuchungen beteiligten Astronomen eine gewaltige Kollision von zwei Sternen verantwortlich, welche leuchtkräftiger ausfiel als der Ausbruch einer ‚gewöhnlichen‘ Nova, aber weniger stark als eine Supernova. Derartige Sterne werden auch als „Red Transients“ beziehungsweise Leuchtkräftige Rote Nova bezeichnet.
Hierbei handelt es sich um ein sehr seltenes Ereignis, bei dem sich die zwei eng beeinander liegende Sterne eines Doppelsternsystems zunächst auf einer spiralförmig verlaufenden Bahn zunächst noch weiter annähern und schließlich miteinander kollidieren. Im Rahmen dieser Kollision ‚explodiert‘ einer der beiden Sterne, wobei Materie aus dem Inneren des zerstörten Sterns in die Umgebung hinausgeschleudert wird. Von diesem Stern verbleibt ein nur schwach leuchtender Überrest, welcher in eine kalte Hülle aus Gasmolekülen und Staub eingebettet ist. Diese den Astronomen erst seit kurzem bekannte Klasse von explosiven Sternen kann die Beobachtungsergebnisse von Nova Vul 1670 fast perfekt erklären.
„Diese Art von Entdeckungen macht am meisten Spaß – etwas, das vollkommen unerwartet kommt“, so Prof. Dr. Karl M. Menten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, einer der Co-Autoren dieser Studie, der zugleich die Forschungsabteilung „Millimeter- und Submillimeter-Astronomie“ am MPIfR leitet.
Die hier kurz vorgestellten Ergebnisse von Dr. Tomasz Kamiński et al. wurden am 23. März 2015 unter dem Titel „Nuclear ashes and outflow in the oldest known eruptive star Nova Vul 1670“ in der Fachzeitschrift Nature publiziert.
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Fachartikel von Dr. Tomasz Kamiński et al.:
- Nuclear ashes and outflow in the oldest known eruptive star Nova Vul 1670 (vollständiger Artikel, engl.)