Wissenschaftler haben einen Exoplaneten entdeckt, der sich in keine der bisher bekannten Planetenkategorien einordnen lässt. Die Astronomen bezeichnen den Exoplaneten Kepler-10c, so der Name des Planeten, als eine Mega-Erde. Bei einem Durchmesser von 30.000 Kilometern verfügt der Planet über die 17-fache Masse unseres Heimatplaneten.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, The Extrasolar Planets Encyclopaedia.
Seit der Entdeckung des ersten Exoplaneten im Jahr 1995 konnten Astronomen bis zum heutigen Tag außerhalb unseres Sonnensystems 1.795 Planeten nachweisen. Einen wesentlichen Beitrag bei dieser Suche lieferte das auf die Exoplanetensuche spezialisierte Weltraumteleskop Kepler. Nach seinem Start am 7. März 2009 hat Kepler über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg im Bereich der Sternbilder Schwan, Drache und Leier systematisch mehr als 150.000 Sterne anvisiert und dabei mittels der „Transitmethode“ nach Anzeichen für dort befindliche Planeten Ausschau gehalten.
Sobald ein Exoplanet von der Erde aus gesehen direkt vor seinem Mutterstern vorbeizieht, nimmt die Helligkeit des beobachteten Sterns um einen winzigen Bruchteil ab, da der Planet einen Teil des von seinem Zentralgestirn ausgehenden Lichts abschirmt. Durch wiederholte Beobachtungen dieser periodisch auftretenden Helligkeitsveränderungen kann der Durchmesser und die Dauer der Umlaufzeit des Planeten bestimmt werden. Anhand der Daten des Weltraumteleskops konnten so bisher 974 Exoplaneten nachgewiesen werden.
Das Sternsystem Kepler-10
Bei einem der dabei beobachteten Sterne handelte es sich um einen sonnenähnlichen Stern der Spektralklasse „G“, welcher sich in einer Entfernung von etwa 560 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im Randbereich des Sternbildes Drache befindet. Dieser Stern verfügt bei einem etwa gleich großen Durchmesser über rund 90 Prozent der Masse unserer Sonne, ist mit einem Alter von etwa 10,6 Milliarden Jahren jedoch mehr als doppelt so alt wie das Zentralgestirn unseres Sonnensystems.
Bereits im Januar 2011 gaben die an der Kepler-Mission beteiligten Wissenschaftler bekannt, dass sie bei ihren Untersuchungen einen terrestrischen Planeten entdeckt haben, welcher diesen Stern umkreist. Kepler-10b – so die Bezeichnung für diesen Planeten – war der erste mittels des Kepler-Weltraumteleskops entdeckte Gesteinsplanet. Aufgrund der gewonnenen Daten konnte jedoch ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um einen für die Entstehung von Leben geeigneten Ort handelt.
Kepler-10b verfügt über den 1,47-fachen Durchmesser der Erde und benötigt für einen kompletten Umlauf um seinen Stern eine Zeitdauer von lediglich 20 Stunden. Aufgrund der extrem engen Umlaufbahn – diese verläuft in einer Entfernung von 0,0168 Astronomischen Einheiten, was in etwa 2,5 Millionen Kilometern entspricht – wird die auf dem Planeten vorherrschende Oberflächentemperatur auf eine Wert von etwa 1.900 Grad Celsius kalkuliert.
Des weiteren entdeckten die Astronomen in den Kepler-Daten einen zweiten Planeten in diesem Sternsystem. Kepler-10c benötigt für einen Umlauf etwas mehr als 45 Tage und verfügt über den 2,35-fachen Durchmesser der Erde. Somit wurde zunächst vermutet, dass es sich bei diesem Planeten um einen „Mini-Neptun“, einen kleineren Gasriesen ähnlich dem Planeten Neptun in unserem Sonnensystem, handeln könnte. Weitere Daten wie etwa die Massen der beiden Planeten konnten mit der Transitmethode jedoch nicht ermittelt werden.
Die Radialgeschwindigkeitsmethode zur Untersuchung von Exoplaneten
Für zusätzliche Untersuchungen der beiden Exoplaneten nutzten die Astronomen deshalb das auf der Kanareninsel La Palma befindliche Telescopio Nazionale Galileo. Dieses 3,58-Meter-Teleskop ist mit einem hochauflösenden Spektrographen namens HARPS-N ausgestattet, welcher aufgrund seiner Möglichkeit, hochpräzise Messungen der Radialgeschwindigkeit von Sternen durchzuführen, für die Exoplaneten-Suche optimiert ist.
Wird ein Stern von einem Planeten umkreist, so übt dieser Planet durch seine Masse einen gravitativen Effekt auf den Zentralstern aus, was dazu führt, dass sich der Stern und der Planet in periodischen Zeitabläufen um ihren gemeinsamen Masseschwerpunkt bewegen. Die dadurch verursachte ‚Taumelbewegung‘ des Sterns führt zu einem Doppler-Effekt, der sich in einer minimalen Verschiebung der Spektrallinien – der ‚Rotverschiebung‘ beziehungsweise der ‚Blauverschiebung‘ – bemerkbar macht. Bewegt sich ein Stern dabei ‚auf die Erde zu‘, so verschieben sich dessen Spektrallinien minimal zu kürzeren Wellenlängen und werden dabei ‚blauer‘. Bewegt sich der Stern dagegen von uns fort, so werden diese Wellenlängen länger und somit ‚rötlicher‘. Durch diese Radialgeschwindigkeitsmethode ist es nicht nur möglich, einen Exoplaneten nachzuweisen, sondern auch die Untergrenze für die Masse dieses Planeten und dessen Umlaufzeit um seinen Stern mit hoher Genauigkeit zu ermitteln.
Kepler-10c – Eine neue Kategorie von Planeten
Auf diese Weise entdeckten die Wissenschaftler, dass die Masse von Kepler-10c offensichtlich deutlich größer ausfällt als ursprünglich vermutet. Sie liegt bei dem 17,2-fachen der Masse unseres Heimatplaneten, wobei der Unsicherheitsfaktor 1,9 Erdmassen beziehungsweise rund elf Prozent beträgt. Dies bedeutet angesichts seines Durchmessers und dem sich daraus ergebenden Volumen jedoch auch, dass es sich bei Kepler-10c definitiv um einen Gesteinsplaneten und nicht etwa – wie zuvor angenommen – um einen Gasriesen handeln muss.
Die mittlere Dichte des Exoplaneten liegt demzufolge bei einem Wert von 7,1 Gramm pro Kubikzentimeter bei einem Unsicherheitsfaktor von plus/minus 1 Gramm pro Kubikzentimeter. Die mittlere Dichte der Erde liegt dagegen bei einem Wert von 5,6 Gramm pro Kubikzentimeter, die des Neptun sogar bei lediglich 1,6 Gramm pro Kubikzentimeter.
Da Kepler-10c damit deutlich massereicher und auch größer ausfällt als die terrestrische Planeten aus der bereits zuvor bekannten Kategorie der Super-Erden wird dieser Planet von den Wissenschaftlern auch als „Mega-Erde“ bezeichnet und als Prototyp für eine bisher unbekannte Kategorie von Planeten angesehen. Eine ergänzende, von dem Astronomen Lars A. Buchhave durchgeführte Studie legt nahe, dass auch bei anderen Sternen ähnliche Planeten entstanden sein könnten.
„Wir waren sehr überrascht, als uns klar wurde, was wir da entdeckt hatten“, so der für die Auswertung der durch den HARPS-N-Spektrographen gewonnenen Daten verantwortliche Astronom Xavier Dumusque vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA).
„Dieser Planet ist der Godzilla unter den Erden“, ergänzt Dimitar Sasselov, der Direktor der ‚Harvard Origins of Life Initiative‘ des CfA. „Aber im Gegensatz zu dem Monster aus den Spielfilmen hat Kepler-10c positive Implikationen für das Leben.“
Die Suche nach einer zweiten Erde
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler betonen, dass ihre Entdeckung weitreichende Konsequenzen für die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Leben im Universum haben könnte. Der Grund für diese Aussage ist das hohe Alter des Zentralsterns Kepler-10, welcher lediglich rund drei Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden ist.
Kurz nach dem Urknall waren in unserem Universum im Wesentlichen lediglich die Elementen Wasserstoff und Helium existent. Alle schwereren Elemente wurden erst in der Folgezeit durch Kernreaktionen im Inneren von Sternen erzeugt und anschließend durch Supernova-Explosionen im Universum verteilt. Erst nach mehreren Milliarden Jahren war das Weltall ausreichend mit diesen schweren Elementen ‚angereichert‘, dass sich bei der ‚Geburt‘ neuer Sterngenerationen auch aus Gestein und Eisen bestehende Planeten bilden konnten. Trotz des vermuteten Mangels an schwereren Elementen in der Frühphase des Universums konnte sich jedoch offensichtlich bereits nach lediglich drei Milliarden Jahren um Kepler-10 ein massereicher Gesteinsplanet bilden.
„Die Entdeckung von Kepler-10c bedeutet, dass sich Gesteinsplaneten bereits deutlich früher in der Geschichte des Universums bilden konnten, als wir es bisher für möglich gehalten haben“, so Dimitar Sasselov weiter. „Wenn sich jedoch Gesteinsplaneten bilden können, dann kann auch Leben entstehen.“
Aus diesem Grund weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass bei der Suche nach erdähnlichen Planeten auch sehr alte Sterne berücksichtig werden müssen. Obwohl Mega-Erden wie Kepler-10c nicht geeignet sind, um Leben zu beherbergen ist die Existenz dieses Planeten doch ein Beispiel dafür, dass es auch bei diesen ‚Stern-Methusalems‘ möglicherweise bewohnbare Planeten geben könnte.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden der Öffentlichkeit am vergangenen Montag im Rahmen einer Pressekonferenz während einer Tagung der American Astronomical Society (AAS) präsentiert.
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