Europäische Forscher wurden zufällig Zeuge des fortschreitenden Zerfalls eines bekannten Kometen: Teile des Kometen P73/Schwassmann-Wachmann 3 zerbröckelten fast vor ihren Augen in noch kleinere Fragmente. Update: Neues Bild von Hubble!
Ein Beitrag von Martin Ollrom und Axel Orth. Quelle: ESO. Vertont von Karl Urban.
In der Nacht vom 23. auf den 24. April fand das Very Large Telescope (VLT) der ESO ein Fragment des Kometen P73/Schwassmann-Wachmann 3, das sich erst vor wenigen Tagen gelöst hat. Zur großen Verwunderung der Forscher zerfiel auch dieses Fragment in weitere Einzelteile. Allein auf dem Bild sind fünf größere Minikometen zu sehen, vermutlich sind es aber einige mehr. Der Komet scheint sich komplett aufzulösen. Die brennende Frage: Wie lange existiert er überhaupt noch?
Der 1930 von zwei deutschen Astronomen entdeckte Komet „P73/Schwassmann-Wachmann 3“ (SW3) hat eine bewegte Vergangenheit – und wahrscheinlich keine große Zukunft mehr. Er umrundet die Sonne innerhalb von nur 5,4 Jahren. Sein Orbit ist für einen Kometen auch auffallend klein: Er reicht ungefähr vom Erdorbit bis zum Jupiterorbit, wobei sein sonnennächster Punkt, in dem der Komet also einem Maximum an Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, relativ nahe an der Erde liegt und damit beste Beobachtungsmöglichkeiten bietet.
Im Jahr 1995 erschien er plötzlich ganz hell am Himmel. Er leuchtete förmlich auf. Dieses Phänomen konnte man sich zunächst nicht erklären. Erst bei Untersuchungen im Folgejahr 1996 mit dem New Technology Telescope des ESO konnte festgestellt werden, dass er in drei Teile zerbrochen war. Im Dezember 1996 wurden dann weitere zwei Teile des Kometen gefunden. Bei seinem letzten Erdbesuch im Jahr 2001 konnten von den 1996 entdeckten fünf Teilen nur noch drei ausgemacht werden. Die Fragmente bekamen die Namen A bis E, wobei C das größte Fragment ist. Zwischen 1996 und 2001 dürfte der Komet keine weiteren Teile verloren haben.
Dieses Jahr nähert er sich wieder der Sonne und somit auch der Erde. Im März wurden sieben Fragmente entdeckt, vor allem die altbekannten dürften sich nochmals geteilt haben. Die Größen der bekannten Fragmente stimmten nicht mehr überein, weswegen diese Annahme getroffen werden musste. Noch dazu erschienen sie bei weitem nicht mehr so hell am Himmel wie noch vor fünf Jahren. Wenig später, im März wurden weitere sechs Fragmente entdeckt.
Eskalation des Zerfalls?
Im April schließlich zerlegte sich das Fragment B in weitere, sechs neue Fragmente. Dies wurde dadurch bemerkt, dass Fragment B plötzlich um einiges heller am Himmel erschien. Es dürfte hier zu einer wahren Explosion von frischem Material aus dem Kometeninneren gekommen sein, die hell aufleuchtete. Mittlerweile sind den Forschern fast 40 Trümmerteile des Kometen bekannt. Je kleiner die Teile werden, desto kürzer scheinen sie zu leben und teilen sich danach erneut, bis der gesamte Komet nur noch Staub ist: Denn je kleiner ein Fragment ist, desto geringer ist auch seine Gravitation und desto weniger hat es vermutlich den durch die Sonnenstrahlung bedingten, auseinander treibenden Kräften entgegen zu setzen. Nun wird es auch immer schwerer, die Teile zu finden, da sie ja von Mal zu Mal kleiner werden. Um noch etwas zu sehen, bedarf es jetzt schon genauester Analysen der Aufnahmen.
Vom 11. bis 14. Mai wird der Komet seinen erdnächsten Punkt erreichen. Beobachtungen mit dem Hubble– und dem Spitzer-Teleskop sind bereits fest „gebucht“. Die Forscher wissen noch nicht, wie hell der Komet, oder genauer gesagt seine Einzelteile, dann zu sehen sein werden. Die nächste Frage ist ja auch: Geht der Zerfall des Kometen in dieser Geschwindigkeit weiter, oder beschleunigt er sich sogar noch? Wie viele Fragmente und Kometenteile gibt es, wenn der Komet im Juni den sonnennächsten Punkt erreicht hat? Das größte Fragment C wird am 11. Mai den erdnächsten Punkt erreichen und dann nur etwa 10 Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein, während Fragment B am 14. Mai noch näher kommen soll. Es wird die größte Kometenannäherung seit 20 Jahren sein. Der Komet Hyakutake war damals 15 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, etwa 26mal die Distanz Erde – Mond. Nach Analyse der Bahndaten hat die NASA übrigens versichert, dass der Erde von dem zerfallenden Kometenkern keinerlei Gefahr droht.
Die Fragmente und der Komet dürften für das nackte Auge sichtbar sein – klarer Himmel vorausgesetzt. Vielleicht kann man sogar live eine Explosion sehen, dann wird das Fragment um ein Vielfaches heller am Himmel zu sehen sein als normalerweise.
Update: Mittlerweile liegt ein spektakuläres Bild des Hubble-Weltraumteleskops vor, das wesentlich schärfer ist als die Aufnahmen der erdbasierten Teleskope! Erst auf der Großversion des Bildes (Lupensymbol anklicken) erahnt man die Dynamik, mit der die großen Fragmente (hier B und G) immer neue kleine „Mini-Kometen“ abstoßen, die sich ihrerseits weiter aufspalten:
Wir dürfen auf weitere Hubble-Bilder gespannt sein.
Eine erdbasierte Aufnahme der Astronomen M. Jäger und G. Rhemann vom 08.04.2006 zeigt die Fragmente B, G, R und N des Kometen in einer Kette. Fragment B erscheint im Vergleich auffallend hell, was auf eine gerade stattfindende „Explosion“ von Kometenmaterial schließen lässt: