Die feuchte Phase des Mars war global

Lebensfreundliche Bedingungen mit einer feuchten Umgebung könnten einst auf dem gesamten Mars existiert haben. Detaillierte Studien von Mineralien in Marskratern zeigen, dass flüssiges Wasser einstmals nicht nur in den südlichen Hochländern, sondern auch in den nördlichen Tiefebenen über längere Zeiträume vorhanden gewesen ist.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, JPL. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, MOLA
Die Nordhemisphäre des Mars ist um mehrere Kilometer tiefer gelegen als die Südhälfte des Planeten. Als Ursache für diese Zweiteilung wird ein gigantisches Impaktereignis vor etwa vier Milliarden Jahren angenommen.
(Bild: NASA, MOLA)

Eines der auffälligsten topografischen Merkmale des Mars ist seine Zweiteilung, durch welche unser Nachbarplanet in ein südliches Hochland und eine um mehrere Kilometer abgesenkte Tiefebene auf der Nordhemisphäre geteilt wird. Diese beiden Hemisphären unterscheiden sich geologisch und topografisch in vielerlei Hinsicht. Auf der nördlichen Halbkugel dominieren zum Beispiel flache, sand- und staubbedeckte Ebenen die Topografie des Geländes. Die gebirgige und stark zerklüftete südliche Hemisphäre besteht dagegen aus geologisch älteren Formationen, was sich unter anderem in einer deutlich größeren Kraterdichte widerspiegelt.

Die Entstehung dieser deutlichen Unterschiede ist noch nicht vollständig geklärt. Sie könnten durch Prozesse im Planeteninneren oder aber durch ein gigantisches Impaktereignis verursacht worden sein. Momentan wird dabei die Impakt-Theorie favorisiert. Numerische Rechnungen mit einem Hochleistungsrechner haben dieses Szenario als bisher wahrscheinlichste Interpretation bestätigt. Vor etwas über vier Milliarden Jahren soll demzufolge ein 1.600 bis 2.700 Kilometer durchmessender Asteroid, der Mittelwert entspricht dabei in etwa der Größe des Zwergplaneten Pluto, mit einer Geschwindigkeit von sechs bis 10 Kilometern pro Sekunde in einem schrägen Winkel auf dem Mars eingeschlagen sein und dabei die silikatische Marskruste durchschlagen haben. Aus dem Marsinneren wären daraufhin große Mengen an Lava ausgetreten, hätten das Impaktbecken aufgefüllt und dabei alle älteren Oberflächenstrukturen überdeckt.

NASA, JPL-Caltech, Cornell-University
Der Marsrover Spirit entdeckte im Gusev-Krater Karbonatablagerungen, welche unter dem Einfluss von Wasser entstanden sind. Diese Aufnahme der Felsformation Comanche, wo die entsprechenden Untersuchungen durchgeführt wurden, entstand am 22. Dezember 2005.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Cornell-University)

Ebenfalls ungewiss ist bisher das Ausmaß, in welchem diese Dichotomie die früheren marsianischen Umweltbedingungen beeinflusste. In den vergangenen Jahren haben die Marsorbiter der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA und der europäischen Weltraumorganisation ESA sowie die beiden Marsrover Spirit und Opportunity im mehr als vier Milliarden Jahre alten Gestein des südlichen Hochlandes an vielen Stellen kleine Einschlüsse von Tonmineralen nachweisen können, deren Entstehung auf eine direkte Einwirkung von Wasser auf die Oberfläche zurückzuführen ist. Offensichtlich, so die daraus resultierende Interpretation der Wissenschaftler, war zumindestens die Südhalbkugel des Mars einst viel wärmer, feuchter und somit eventuell auch lebensfreundlicher als in der Gegenwart.

Bis vor Kurzem konnten diese Tonminerale allerdings nicht auf der nördlichen Hemisphäre unseres Nachbarplaneten nachgewiesen werden, da die dort befindlichen älteren Gesteinsschichten durch vulkanische Aktivitäten und Winderosion unter einer dicken Schicht aus Lava, Vulkanasche und Sand begraben wurden. Diese bis zu mehrere Kilometer dicken Schichten aus jüngeren Ablagerungen behinderten die bisherigen Spektrometermessungen der Marsorbiter.

Jetzt gelang allerdings einem internationalen Wissenschaftler-Team der Nachweis, dass auch auf der Nordhemisphäre des Mars entsprechende Minerale vorhanden sind. Bei den Einschlägen mehrerer größerer Asteroiden oder Kometen auf der nördlichen Hemisphäre haben diese die jüngeren Oberflächenschichten durchschlagen und dabei das darunter abgelagerte ältere Gestein freigelegt. Die jetzt im Bereich dieser Krater erfolgten Spektrometermessungen haben ergeben, dass auch das dort befindliche ältere Gestein Minerale enthält, welche mit den Tonmineralen der Südhemisphäre identisch sind. Dieser Nachweis, so die an den Untersuchungen beteiligten Wissenschaftler, deutet darauf hin, dass auch die Nordhälfte des Mars in der Frühzeit des Planeten über längere Zeiträume mit Wasser in Berührung gekommen ist. „Wir können jetzt sagen, dass der Mars bis vor über vier Milliarden Jahren Veränderungen ausgesetzt war, welche durch flüssiges Wasser ausgelöst wurden und dabei den gesamten Planeten umfassten“, so John Carter von der Universität Paris, welcher die Studie leitete.

NASA, JPL, JHUAPL, University of Arizona, Brown University
Dieses Bild zeigt, basierend auf Spektralaufnahmen des Marsorbiters MRO, die Verteilung von Karbonat-Ablagerungen im Nili Fossae auf dem Mars. Die Karbonate sind dabei in grüner Farbe dargestellt.
(Bild: NASA, JPL, JHUAPL, University of Arizona, Brown University)

Frühere Untersuchungen mit dem OMEGA-Spektrometer an Bord der von der ESA betriebenen Sonde Mars Express haben Anzeichen dafür erbracht, dass sich auch in einigen Kratern der nördlichen Tiefebene des Mars die zuvor vergeblich gesuchten Schichtsilikate befinden könnten. Allerdings verfügen diese Ablagerungen nur über geringe räumliche Ausdehnungen, welche sich am Rand des Auflösungsvermögens des OMEGA-Spektrometers befinden. „Wir benötigten eine bessere räumliche Auflösung, um diese Entdeckungen zu bestätigen“, so John Carter. Dafür verwendeten die Wissenschaftler die Daten des Compact Reconnaissance Imaging Spectrometer for Mars (CRISM) an Bord der NASA-Sonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO).

Genauso wie OMEGA ist auch dieses Spektrometer speziell dazu ausgelegt, die Oberfläche des Mars auf Anzeichen von Mineralienablagerungen abzusuchen, welche sich einst in Verbindung mit Wasser aus hydrothermalen Quellen, Teichen oder Seen gebildet haben könnten. Allerdings erreicht CRISM dabei eine größere Auflösung als das OMEGA-Instrument. Aus einer Überflughöhe von 300 Kilometern kann CRISM die Oberfläche des Mars bis auf 18 Meter aufgelöst abbilden.

Die Wissenschaftler konzentrierten ihre Suche auf mehrere relativ große Impaktkrater auf der Nordhemisphäre, wo Asteroiden und Kometen bei ihrem Einschlag auf dem Mars mehrere Kilometer tief in die Oberfläche eingedrungen sind, dabei die oberste Schicht der Kruste durchdrungen und die darunter befindlichen älteren Gesteinsschichten freigelegt haben. Die Forscher untersuchten dabei alle Krater mit mehr als 30 Kilometern Durchmesser, für welche CRISM-Daten verfügbar waren, und Dutzende von Kratern mit Durchmessern zwischen vier und 30 Kilometern. Insgesamt umfasst die Studie die Messergebnisse von 91 Kratern innerhalb der nördlichen Tiefebene. In neun dieser Krater konnten dabei letztendlich Schichtsilikate oder andere hydratisierte Silikate definitiv nachgewiesen werden.

NASA, ESA, JPL-Caltech, JHU -APL, IAS
Der Lyot-Krater ist einer der in der nördlichen Marshemisphäre untersuchten Krater, in dessen Innerem hydratisierte Minerale nachgewiesen werden konnten.
(Bild: NASA, ESA, JPL-Caltech, JHU -APL, IAS)

Einer der untersuchten Krater, in dem die Silikate nachgewiesen werden konnten, ist der 236 Kilometer durchmessende Lyot-Krater, welcher sich bei 50,5 Grad nördlicher Breite und 29,3 Grad östlicher Länge befindet. Die in dem nebenstehenden Bild gezeigten zwei blau abgegrenzten Streifen geben das Abbildungsgebiet des OMEGA-Spektrometers wieder. Die rot umrandeten Bereiche zeigen die von CRISM mit einer höheren Auflösung abgebildeten Bereiche im Karterinneren und an dessen Rändern. Die Sterne markieren die Fundorte der hydratisierten Minerale.

Ein weiterer untersuchter Krater ist der 66 Kilometer durchmessende Stokes-Krater bei 55,6 Grad Nord und 171,2 Grad Ost. Das weiter unten wiedergegebene Bild zeigt einen Bereich nahe des Zentrums dieses Kraters. Die Daten des CRISM-Spektrometers zeigen hier das Vorhandensein von drei verschiedenen hydratisierten Mineralen und von zwei Mineralien vulkanischen Ursprungs auf. Bei letzteren handelt es sich um Pyroxen und Olivin.

Die Abfolge der detektierten Ablagerungen gibt auch einen ungefähren Einblick in den zugrundeliegenden zeitlichen Ablauf. Das gigantische Impaktereignis auf der Nordhemisphäre senkte das dortige Gelände ab, was zur Bildung der nördlichen Tiefebene führte. Das Vorhandensein von hydratisierten Mineralen wird von den Wissenschaftlern als Argument dafür aufgeführt, dass dieser Impakt noch vor dem Ende der „feuchten Phase“ des Mars erfolgte. „Dieser Impakt hat sämtliche Anzeichen der ursprünglichen Oberfläche beseitigt“, so Scott Murchie, der für das CRISM-Instrument verantwortliche Wissenschaftler vom Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University/USA. „Das Ereignis muss sich weit vor dem Ende der feuchten Phase des Planeten abgespielt haben.“ Ansonsten, so die Interpretation, hätten sich dort nicht erneut Schichtsilikate bilden können.

Mit diesen Stichproben von weit verstreuten Standorten ist es noch relativ schwierig, Rückschlüsse auf die globalen Umweltbedingungen zu ziehen, welche vor vier Milliarden Jahren auf dem Mars geherrscht haben. Allerdings kann man aus der Zusammensetzung und den Fundorten der Mineralien entsprechende Hinweise gewinnen. Neben hydratisierten Mineralien weisen die untersuchten Krater starke Signaturen des Minerals Olivin auf, welche sich dort sowohl an den Kraterwänden als auch im Inneren der Krater nachweisen lassen.

NASA, ESA, JPL-Caltech, JHU-APL, MSSS, FU Berlin
Auch der Stokes-Krater in der nördlichen Tiefebene des Mars beherbergt mehrere Minerale, welche sich unter Wassereinfluss gebildet haben.
(Bild: NASA, ESA, JPL-Caltech, JHU-APL, MSSS, FU Berlin)

„Sie enthalten viel Eisen und Magnesium, aber relativ wenig Aluminium. Zusammen mit den Olivinfunden in der unmittelbaren Umgebung, welches ebenfalls durch Wasser gebildet wird, deutet dies darauf hin, dass sie mehrere Dutzende bis Hunderte Millionen Jahre lang dem direkten Einfluss von Wasser ausgesetzt waren“, so Jean-Pierre Bibring, der für das OMEGA-Instrument des Orbiters Mars Express verantwortliche Wissenschaftler von der Universität Paris. Obwohl die potentielle Bewohnbarkeit des Mars also nicht lange andauerte, ist die Möglichkeit dieser Habitabilität in den schichtsilikat-haltigen Bereichen der Marsoberfläche nachweisbar. Dabei zeigt der jetzt erfolgte Nachweis der verschiedenen Minerale auf der Nordhemisphäre des Mars auf, dass sich diese Habitabilität nicht nur auf die Südhalbkugel des Mars beschränkt hat, sondern vielmehr den gesamten Planeten umfasste.

Eine Reihe von Wissenschaftlern haben Theorien aufgestellt, denen zufolge die nördliche Tiefebene des Mars nach ihrer Entstehung in der Frühzeit des Planeten komplett von einem Ozean überzogen gewesen sein könnte. Die neuen Untersuchungsergebnisse können diese Theorien jedoch nicht stützen. „Unsere Studien haben keine Anzeichen dafür erbracht, dass die Lavaebenen im Norden durch Wasser verändert wurden“, so Dr. Bibring. Positiv könnten sich die Ergebnisse jedoch für zukünftige Erkundungsmissionen auf die Marsoberfläche auswirken. Nur dort, wo sich in der Frühzeit unseres äußeren Nachbarplaneten für längere Zeit flüssiges Wasser befunden hat, kann sich nach unserem Kenntnisstand auch primitives Leben entwickelt haben. Und nur dort macht die Suche nach solchen Lebensformen, egal ob früher vorhanden oder sogar immer noch existent, letztendlich einen Sinn.

Raumcon-Forum:

Verwandte Seite:

Nach oben scrollen