Mit der am 17. Dezember erfolgten Ankunft von Sojus-TMA 20 erreiche der ESA-Raumfahrer Paolo Nespoli die Internationale Raumstation. Mit ihm und dem dritten Langzeitaufenthalt eines Europäers beginnt die sechsmonatige ESA-Mission MagISStra.
Ein Beitrag von Ralf Möllenbeck. Quelle: ESA, Raumfahrer.net, DLR. Vertont von Peter Rittinger.
Der Entstehung des Missionsnamens ging im Juni 2010 ein europaweiter Wettbewerb mit mehr als 500 Vorschlägen zur Namensgebung voraus. Die Entscheidung fiel letztendlich auf den Vorschlag der Italienerin Antonella Pezzani aus Cremona, einer Stadt im nördlichen Italien und ganz in der Nähe der Stadt Mailand liegend, wo Paolo Nespoli aufwuchs. Der Name MagISStra bildet sich aus dem lateinischen Wort ‚magistra‘ für Lehrerin und der Abkürzung der italienischen Bezeichnung für die Internationale Raumstation.
Während seiner sechsmonatigen Mission soll Paolo Nespoli mehr als 30 Experimente auf der ISS durchführen, hauptsächlich im europäischen Columbus-Modul. Dabei geht es nicht nur um europäische Forschung, auch für die USA, Japan und Kanada sind Experimente geplant. Einen Teil seiner Forschungszeit werden die beiden Bildungsprogramme für Schüler „Mission X: Trainieren wie ein Astronaut“ und „Treibhäuser im All“ einnehmen. Zudem ist geplant, dass eine neuartige 3D-Kamera zum Einsatz kommen soll, welche uns einen spektakulären Einblick in die Station gewähren wird. Diese ERB 2 genannte Kamera nutzt hochauflösende Optik und moderne Elektronik, um eine sehr verbesserte 3D-Videowirkung zu ermöglichen und die Station kartografisch darzustellen.
Bei „Mission X: Trainieren wie ein Astronaut“ geht es darum, Kindern und Schülern die Themen Gesundheit, Wohlergehen und Ernährung näher zu bringen. Initiiert durch die ESA und mehrere nationale Raumfahrtbehörden sollen Kinder aus neun Ländern ab Januar 2011 mehrere Wochen lang gesunde und aktive Lebensweisen erlernen. Gruppen von Schülern (8-12 Jahre alt) werden Grundsätze vom gesunden Essen studieren, wissenschaftliches Denken und Zusammenarbeit üben. Dazu sollen sie an Schulungen mit praktischer Ausbildung teilnehmen, um Kraft, Ausdauer, Koordination, Gleichgewicht und Raumbewusstsein zu trainieren. Bei all diesen Aktivitäten konkurrieren sie um Punkte mit anderen Gruppen und sollen sich von den Perspektiven der Raumfahrt leiten lassen. Der italienische Raumfahrer wird das Projekt während seiner Mission beobachten und begleiten.
Die Forschungsreihe „Treibhäuser im All“ hat zum Ziel, in naher Zukunft Lebensmittel und Sauerstoff auf Langzeitmissionen selbst zu erzeugen. Wissenschaftler beschäftigen sich schon seit geraumer Zeit mit Experimenten zum Pflanzenwachstum in der Schwerelosigkeit. Sowohl russische aber auch amerikanische Forschungsreihen werden zur Zeit in den Laboratorien der ISS durchgeführt. Das nun geplante Pflanzenwachstums-Experiment der ESA soll dazu weitere Erkenntnisse bringen, hat aber eine Besonderheit. Es wird neben dem Versuchsaufbau im All auch Boden-Experimente geben, von Schülergruppen durchgeführt. Dafür werden zur Zeit interessierte Schulklassen aus den Mitgliedsländern der ESA gesucht, welche sich an dem spannenden Weltraumprojekt beteiligen möchten.
Der Beginn der gemeinsamen Forschung ist für den Februar 2011 geplant. Im Rahmen des ESA-Bildungsprogramms wird eine spezielle Webseite eingerichtet, auf der die Schüler die ISS-Experimente verfolgen und mit ihren eigenen Ergebnissen vergleichen können. Aber auch untereinander sollen sie über ein Schüler-Netzwerk den Austausch pflegen. Die Verbindung mit der ISS und den Schülergruppen soll bei einem Live-Event an vier verschiedenen Standorten in Europa gestartet werden, in dem Europäischen Astronautenzentrum in Köln (Deutschland), das ESRIN in Frascati (Italien), die Cité de l’Espace in Toulouse (Frankreich) und das Wissenschafts- und Technologie-Museum in Lissabon (Portugal).
Zu diesem Event wird Paolo Nespoli zugeschaltet sein und sein Experiment mit dem Gießen der ersten Samen beginnen. Insgesamt soll er mehrere Pflanzensamen, wie Kopfsalat oder die wissenschaftlich interessante Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auch als Schotenkresse oder Gänserauke bezeichnet, zum Austreiben bringen. Die Schülergruppen werden gleichzeitig mit ihrer Aufzucht beginnen, ihnen werden dafür mehrere Minigewächshäuser und Samen zur Verfügung gestellt. Über zehn Wochen hinweg sollen die Prozesse auf der Station mit denen auf der Erde verglichen und bewertet werden. Durch die MagISStra-Webseite werden fortlaufend Bilder und Filme über die verschiedenen Wachstumszyklen der Pflanzen durch die Besatzung der ISS zur Verfügung gestellt.
Sicherlich sind die gewonnenen Erkenntnisse bei beiden Schülerprojekten das Hauptziel dieser Bildungskampagne der ESA. Ein zweites wichtiges Ziel ist es, neue Formen der Schularbeit über Grenzen hinweg und über den Klassenraum hinaus durchzuführen. Weiter soll bei jungen Menschen Interesse an naturwissenschaftliche Fächern und weiterführend an Studiengängen in den sogenannten MINT-Fächern (MINT=Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) geweckt werden, ein wichtiger Schritt zur Gewinnung von Nachwuchs.
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