Die Entwicklung massereicher Galaxien

Ein internationales Astronomenteam hat mit dem in der chilenischen Atacama-Wüste befindlichen APEX-Submillimeterteleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) die bisher deutlichsten Hinweise auf eine Verbindung zwischen den intensivsten Phasen der Sternentstehung im frühen Universum und den massereichsten Galaxien im heutigen Universum entdeckt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, APEX (MPIfR/ESO/OSO), A. Weiss et al., NASA Spitzer Science Center
Die untersuchten Starburst-Galaxien sind in dieser Aufnahme rot dargestellt. Der untersuchte Himmelsbereich befindet sich im Sternbild Chemischer Ofen und wird auch als „Extended Chandra Deep Field South“ bezeichnet.
(Bild: ESO, APEX (MPIfR/ESO/OSO), A. Weiss et al., NASA Spitzer Science Center)

Die Sternentstehungsrate war demzufolge im frühen Universum ursprünglich sehr hoch und nahm dann schlagartig ab. Zeugnisse dieser Zeit sind die noch heute zu beobachteten massereichen und weitgehend inaktiven Galaxien im Universum, welche eine Vielzahl an alternden Sternen beherbergen. Die Astronomen glauben auch, die wahrscheinliche Ursache für das plötzliche Ende der frühen Sternbildungs-Ära gefunden zu haben. Nach ihrer Meinung ist hierfür das Auftreten von massereichen Schwarzen Löcher verantwortlich.

Für ihre Forschungsarbeiten kombinierten die Wissenschaftler verschiedene Datensätze der LABOCA-Kamera am 12-Meter-Submillimeterteleskop APEX (Atacama Pathfinder Experiment) mit den Messdaten des Very Large Telescope (VLT) der ESO, des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer und anderer Teleskopen, um zu entschlüsseln, wie sich weit entfernte und leuchtkräftige Galaxien zu Galaxienhaufen zusammengefunden haben.

Je dichter die einzelnen Galaxien in Galaxiengruppen konzentriert sind, desto massereicher fallen ihre so genannten „Halos“ aus Dunkler Materie aus. Hierbei handelt es sich um weitgehend strukturlose Wolken, welche die Galaxien durchziehen beziehungsweise umschließen und die für den überwiegenden Teil ihrer Gesamtmasse verantwortlich sind. Die Dunkle Materie setzt sich aus einem unsichtbaren Material zusammen, dessen nähere Eigenschaften derzeit noch unbekannt sind. Die Entschlüsselung der Natur der Dunklen Materie gilt als eine der wichtigsten offenen Fragen der Kosmologie.

Die von dem Astronomenteam um Ryan Hickox, tätig am Dartmouth College (USA) und der Durham University (England), beobachteten Galaxien sind so weit von der Erde entfernt, dass ihr Licht etwa zehn Milliarden Jahre benötigt hat, um unser Sonnensystem zu erreichen. Es handelt sich hierbei um sehr leuchtkräftige Galaxien im fernen Universum, in denen in der Vergangenheit intensive Sternentstehungsprozesse abliefen. Aufgrund der extrem großen Entfernungen wurde das infrarote Licht, welches von den durch die Sternbildungsprozessen aufgeheizten Staubkörnern in den Galaxien abgegeben wurde, zu noch größeren Wellenlängen hin in den Rotbereich verschoben. Daher sind diese staubreichen Galaxien am besten im Submillimeterbereich zu beobachten, weshalb solche Galaxien auch als Submillimeter-Galaxien bezeichnet werden. Die neuen Resultate beruhen auf den genauesten je durchgeführten Messungen zur räumlichen Anordnung solcher Galaxien.

Die von den Astronomen untersuchten Galaxien präsentieren sich dem irdischen Beobachter in dem Zustand, in dem sie sich vor rund zehn Milliarden Jahren befanden. In diesen Momentaufnahmen unseres frühen Universums ist zu erkennen, dass die Galaxien damals die intensivste der Wissenschaft bekannte Form der Sternbildung durchliefen – so genannte Starbursts. Die Astronomen ermittelten für die untersuchten Galaxien die Masse der Halos aus Dunkler Materie und analysierten mit Computersimulationen, wie diese Halos im Laufe der Zeit angewachsen sind. Auf diese Weise fanden sie heraus, dass sich die fernen Starburst-Galaxien des frühen Universums im Laufe der Zeit zu riesigen elliptischen Galaxien entwickelt haben – den massereichsten Galaxien im heutigen Universum.

ESO, IAU and Sky & Telescope
Das Sternbild „Chemischer Ofen“ (lat. Fornax) kann von der südlichen Hemisphäre aus betrachtet werden.
(Bild: ESO, IAU and Sky & Telescope)

„Zum ersten Mal sind wir jetzt in der Lage, eine eindeutige Verbindung zwischen den intensivsten Starbursts im frühen Universum und den massereichsten in der Gegenwart bekannten Galaxien nachzuweisen“, so Ryan Hickox. Die Beobachtungen zeigen außerdem, dass die Starbursts in diesen fernen Galaxien lediglich 100 Millionen Jahre angedauert haben – eine in kosmologische Maßstäben betrachtet relativ kurze Zeitspanne (nach dem gegenwärtig allgemein gängigen Modell zur Entstehung des Universums ereignete sich der Urknall bereits vor etwa 13,7 Milliarden Jahren). Dennoch hat sich die Gesamtmasse der Sterne innerhalb der Galaxien in diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum etwa verdoppelt. Das plötzliche Ende des schnellen Wachstums ist ein weiterer Abschnitt aus der Geschichte des Universums, welcher bisher von den Astrophysikern allerdings noch nicht vollständig verstanden werden konnte.

„Wir wissen, dass die massereichen elliptischen Galaxien bereits vor langer Zeit vergleichsweise plötzlich aufgehört haben, neue Sterne zu produzieren. Heute sind diese Galaxien weitgehend inaktiv. Die sich daraus ergebende Frage ist natürlich, welcher in der Vergangenheit abgelaufene Prozess stark genug gewesen sein könnte, um den Starburst einer ganzen Galaxie zu beenden“, so Julie Wardlow von der University of California in Irvine (USA) und von der Durham University (England), ein weiteres Mitglied des Astronomenteams.

Auch hierfür bietet die Studie einen möglichen Erklärungsansatz. Zum fraglichen Zeitpunkt der Entwicklung des Universums sind die Galaxien ähnlich angeordnet wie die Quasare. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich beide Objektarten zu diesem Zeitpunkt in den gleichen Halos aus Dunkler Materie befanden. Quasare gehören zu den leuchtkräftigsten Objekten im Universum. Angetrieben von den supermassereichen Schwarzen Löchern in ihren Zentren senden sie als regelrechte „kosmische Leuchtfeuer“ eine intensive Strahlung aus.

Durch die Studie verdichten sich die Hinweise darauf, dass die erfolgten Starbursts die Aktivitäten der Quasare gefördert haben, indem sie den Schwarzen Löchern große Mengen an Materie zugeführt haben. Die Quasare wiederum durchliefen dadurch sehr energiereiche Aktivitätsphasen, in deren Verlauf sie das verbliebene Gas aus den Galaxien hinausbliesen. Mit dem Verlust dieses „Rohmaterials“ für die Bildung neuer Sterne wurde auch die Phase einer intensiven Sternentstehung innerhalb der Galaxien beendet.

„Kurz gesagt läutet eine Starburst-Galaxie mit ihrem Feuerwerk der Sternbildung gleichzeitig auch ihr eigenes Ende ein. Sie „füttert“ das Schwarze Loch in ihrem Zentrum, welches dann wiederum die sternbildenden Wolken wegbläst oder zerstört”, so David Alexander von der Durham University in England, ein weiteres Mitglied des Teams.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 26. Januar 2012 unter dem Titel „The LABOCA Survey of the Extended Chandra Deep Field South: Clustering of submillimetre galaxies“ in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society publiziert.

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