Die ChemCam

Bei der ChemCam handelt es sich um ein neu entwickeltes Spektrometer, mit dessen Hilfe die verschiedenen auf der Marsoberfläche befindlichen chemischen Elemente direkt nachgewiesen werden können.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter

Diese künstlerische Darstellung zeigt, wie die ChemCam einen Felsen mit einem Laserstrahl „beschießt“.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Das „Chemistry and Camera Instrument“ (kurz „ChemCam“) des Marsrovers Curiosity setzt sich aus einem Hochleistungslaser, einem aus drei Spektrografen bestehenden Spektrometer und einem Schmidt-Cassegrain-Teleskop zusammen und ist aufgrund seiner bereits in mehreren Dokumentationsvideos gezeigten „Laserattacken“ auf die Marsoberfläche wohl das markanteste wissenschaftliche Instrument des Rovers. Im Gegensatz zu den diversen Videos, in denen die ausgestrahlten Laserimpulse im sichtbaren Licht dargestellt werden, sind diese Laserstrahlen der ChemCam für das menschliche Auge allerdings nicht sichtbar.

Unabhängig davon werden die an der Curiosity-Mission beteiligten Wissenschaftler mittels der ChemCam in der Lage sein, den Marsboden sowie die darauf befindlichen Felsen und Gesteinsaufschlüsse mit einem Laserstrahl zu „beschießen“ und dadurch deren chemische Zusammensetzung aus einer Entfernung von mindestens 1,5 Metern bis hin zu sieben Metern mit einer extrem hohen Genauigkeit zu analysieren. Der Laser und das Teleskop sind an der Spitze des Kameramastes, des „Remote Sensing Mast“, in einer Höhe von 2,1 Metern über der Marsoberfläche in der 37 Zentimeter breiten, so genannten „Mast Unit“ untergebracht. Die drei einzelnen Spektrometer und die Elektronik des Instrumentenkomplexes sind dagegen im Inneren der „Warm Electronics Box“ (kurz „WEB“), der zentralen Struktur des Rovers, in der „Body Unit“ platziert.

Der aus einem Laser und einem Spektrometer zusammengesetzte Gerätekomplex trägt die Bezeichnung „Laser-Induced Breakdown Spectrometer“ („LIBS“) und ist für die Analyse der auf der Marsoberfläche befindlichen chemischen Elemente zuständig. Hierfür wird ein Laserstrahl abgesetzt, durch ein Teleskop fokussiert und so auf einen lediglich 0,3 bis 0,6 Millimeter durchmessenden Punkt auf der Marsoberfläche ausgestrahlt. Der Laserstrahl erzeugt dabei extrem kurze und relativ schwache Laserimpulse mit einer Dauer von jeweils lediglich fünf Nanosekunden und einer Energie von jeweils 14 Millijoule. Durch ein in einem kurzen Zeitraum erfolgendes wiederholtes Abstrahlen dieser Einzelimpulse und das starke Fokussieren wird allerdings eine Wärmeleistung von mehr als 10 Megawatt pro Quadratmillimeter auf der Oberfläche erreicht. Durch die so erzeugte Wärme wird der oberste Bereich der bestrahlten Oberflächenformation verdampft. Die von dem so erzeugten Plasma abgestrahlten Lichtemmissionen werden von der 11 Zentimeter durchmessenden Teleskopoptik aufgefangen und über einen Lichtwellenleiter, einem fast sechs Meter langen Glasfaserkabel, zu einem Demultiplexer weitergeleitet.

Dieser im Inneren der WEB befindliche Demultiplexer verteilt das so empfangene Licht auf das aus drei Einzelinstrumenten bestehende optische Spektrometer. Auf diese Weise kann ein Spektralbereich des Lichtes untersucht werden, welcher sich vom UV-Bereich des Lichts über das sichtbare Licht bis hin zu dessem nahen Infrarotbereich erstreckt (von 240 bis 336 Nanometer, 380 bis 470 Nanometer und 470 bis 850 Nanometer). Das Spektrometer analysiert die Lichtintensität der so empfangenen verschiedenen Emissionslinien, woraus die beteiligten Wissenschaftler direkt auf die in der untersuchten Bodenprobe enthaltenen chemischen Elemente schließen können. Dabei können die einfallenden Lichtwellen mit insgesamt 6.144 verschiedenen Spektralkanälen, welche über eine Auflösung von jeweils 0,09 bis 0,30 Nanometern verfügen, unterschieden werden.

Die Verwendung von drei fast baugleichen Spektrografen (die differenzierten Unterschiede bestehen lediglich in der Verwendung unterschiedlicher Gitter und Spiegelbeschichtungen) vereinfachte nicht nur die Konstruktion des gesamten Systems. Zusätzlich wird dadurch auch eine gewisse Redundanz des Gesamtinstrumentes gewährleistet, da viele der zu detektierenden chemischen Elemente in Spektralbereichen nachgewiesen werden können, welchen von mindestens zwei der verwendeten Spektrometer abgedeckt werden. Die ChemCam kann somit auch nach dem eventuellen Ausfall von einem oder sogar zwei der drei verwendeten Spektrometer erfolgreich weiterbetrieben werden. Die ChemCam ist dazu ausgelegt, um speziell die Elemente Natrium, Magnesium, Aluminium, Silizium, Kalzium, Kalium, Titan, Mangan, Eisen, Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Lithium, Strontium und Barium nachzuweisen. Bei einer Entfernung von bis zu sieben Metern zu der zu untersuchenden Probe werden etwa 50 bis 75 Laserpulse benötigt, um die Anteile dieser Elemente mit der gewünschten Genauigkeit von 10 Prozent zu bestimmen. Des weiteren gehen die beteiligten Wissenschaftler davon aus, dass auch der Nachweis der Elemente Schwefel, Stickstoff, Phosphor, Beryllium, Nickel, Zirkonium, Kupfer, Rubidium und Cäsium möglich ist, sofern sich diese Elemente in einer ausreichenden Konzentration in den zu untersuchenden Bodenproben befinden.

Der schematische Aufbau und die Funktionsweise der ChemCam.
(Bild: ChemCam, LANL, IRAP, CNES)

Aufgrund der Montage am oberen Ende des über eine Bewegungsfreiheit von 360 Grad verfügenden Kameramastes ist es den beteiligten Wissenschaftlern möglich, in einem relativ kurzen Zeitraum eine Vielzahl von Bodenproben in der Umgebung Curiositys auf deren chemische Zusammensetzung hin zu untersuchen, ohne dass der Rover diese Bereiche dabei direkt ansteuern muss. Nach einer ersten Analyse kann dann entschieden werden, welche Bereiche der Oberfläche gegebenenfalls weiteren, eingehenderen Analysen mit den anderen Instrumenten des Rovers unterzogen werden sollen. Diese Selektion der weiteren Ziele muss dabei nicht unbedingt unmittelbar durch die an der Mission beteiligten Wissenschaftler erfolgen. Vielmehr kann sie auch direkt von dem Rover getroffen werden, wobei dieser dabei allerdings von den zuvor vorgegebenen Parametern der Wissenschaftler abhängig sein wird (eine sinngemäße Kommandosequenz: „Curiosity: Sobald die ChemCam eine Gesteinsformation entdeckt, welches mindestens 20 Prozent Eisen enthält, steuerst Du diese direkt an und beginnst eine autonome Untersuchung mit der Mikroskopkamera.“).

Dabei ergibt sich auch die Möglichkeit, Proben zu analysieren, welche sich aufgrund der Beschaffenheit der Marsoberfläche und einer eventuellen Unpassierbarkeit des Geländes außerhalb der unmittelbaren Reichweite von Curiosity oder dessen Roboterarms befinden. Des weiteren kann der Laser der ChemCam – genauso wie auch eine an dem Roboterarm montierte Bürste – dazu genutzt werden, um die oberste Schicht der Marsoberfläche punktuell von Staubablagerungen zu „reinigen“, welche zum Beispiel die nachfolgenden Messungen des APXS-Spektrometer verfälschen oder Aufnahmen mit der Mikroskopkamera behindern könnte. Weitere Aufgaben der ChemCam bestehen in der Analyse von Erosionseffekten, der Detektierung von Wassereis- und Frostablagerungen direkt auf der Marsoberfläche sowie der schnellen Erkennung von dort befindlichen Hydrogencarbonaten.

Einen weiteren mechanischen Bestandteil der ChemCam bildet der neben dem Laser und dem Teleskop ebenfalls im Kameramast-Komplex untergebrachte „Remote Micro Imager“ („RMI“), welcher der ChemCam zu dem Namenszusatz „Camera“ verhalf. Der RMI verfügt über einen CCD-Bildsensor mit einer Auflösung von 1024 × 1024 Pixeln und einem Sichtfeld von 20 x 20 Zentimetern bei einer Entfernung von 10 Metern zum angepeilten Ziel. Das Instrument wird dazu genutzt, um den von der ChemCam zu untersuchenden Bereich der Marsoberfläche im Detail abzubilden und dabei in einen näheren wissenschaftlichen Kontext zu versetzen. Aus einer Entfernung von 10 Metern zum avisierten Ziel kann der RMI dabei immer noch Strukturen auflösen, welche lediglich etwa einen Millimeter groß ausfallen. Für die Erstellung der Aufnahmen benutzt der RMI das Teleskop der ChemCam.

Linkes Bild: Loch nach 50 Laserpulsen. Rechtes Bild: Loch nach 150 Laserpulsen.
(Bild: ChemCam, LANL, IRAP, CNES)

Der RMI kann dabei gegebenenfalls auch unabhängig von einer Aktivierung des Lasers Aufnahmen von dem Gebiet erstellen, welches sich im Blickfeld des Teleskops befindet. Der verwendete CCD-Sensor, welcher übrigens bereits bei den ESA-Missionen SMART-1, Rosetta und Mars Express zum Einsatz kam, und die verwendete Elektronikeinheit sind dazu qualifiziert, um in einem Temperaturbereich zwischen minus 130 bis hin zu plus 30 Grad Celsius zu arbeiten. Der maximale Temperaturbereich, in dem das Instrument überlebensfähig ist, liegt dagegen sogar zwischen minus 150 bis hin zu plus 50 Grad Celsius.

Tests haben gezeigt, dass durch das Abfeuern von 50 Laserpulsen auf ein aus lockerem Material zusammengesetztes Oberflächenziel ein etwa 1,4 Millimeter großes Loch in die zu untersuchende Bodenprobe „gebrannt“ wird. Durch das Abfeuern von 150 Pulsen entsteht dagegen bereits ein 1,8 Millimeter großes Loch. Die beiden nebenstehenden Aufnahmen zeigen diese Löcher. Sie wurden im Rahmen dieser Tests von dem RMI aus einer Entfernung von rund neun Metern angefertigt.

Typischerweise beginnt der Einsatz der ChemCam nach der Ausrichtung auf das zu untersuchende Ziel mit der Aktivierung eines thermoelektischen Kühlelementes, mit dem die CCD-Sensoren der drei Einzelspektrometer im Inneren der WEB auf Betriebstemperatur gebracht werden. Anschließend führt das Instrument einen Selbstdiagnose-Test durch, um seine volle Einsatzfähigkeit zu bestätigen. Sobald die Funktionalität aller elektronischer und mechanischer Komponenten bestätigt wurde, wird auch der Laser auf die erforderliche Betriebstemperatur erwärmt. Dieser operiert optimalerweise in einem Temperaturbereich zwischen minus 10 bis hin zu Null Grad Celsius. Da im Inneren der Mast Unit normalerweise Temperaturen um die minus 40 Grad Celsius vorherrschen, dauert es bis zu 15 Minuten, um die optimale Betriebstemperatur zu erreichen.

Die einzelnen Arbeitsschritte während der Arbeit der ChemCam.
(Bild: ChemCam, LANL, IRAP, CNES)

Als nächstes erfasst ein Laserpointer den anzupeilenden Zielpunkt. Anschließend fertigt der RMI eine Serie von typischerweise acht Bildern des Ziels an. Vier Aufnahmen mit jeweils 1024 x 1024 Pixeln geben das Ziel dabei in einem größeren Kontext wieder. Vier weitere Aufnahmen zeigen lediglich das unmittelbare Zielgebiet mit einer Auflösung von 128 x 128 Pixeln. Anschließend wird der Laser aktiviert, wobei pro Sekunde zwischen einem und 10 Laserpulsen erzeugt und abgestrahlt werden. Im Normalfall liegt die Wiederholungsrate bei etwa drei Laserpulsen pro Sekunde.

Nach der erfolgreichen Weiterleitung der durch das Teleskop empfangenen Spektraldaten an die Spektrometer wird das Ziel erneut durch den RMI abgebildet. Anschließend wird die ChemCam bis zu ihrem nächsten Einsatz deaktiviert. Das wissenschaftliche Team der ChemCam geht davon aus, dass das Instrument während der Curiosity-Mission pro Sol durchschnittlich etwa 12x zum Einsatz kommen wird.

Der gesamte ChemCam-Komplex verfügt ein Gewicht von rund 9 Kilogramm. Für die Auswertung der im Rahmen eines einzelnen Messvorganges gesammelten Spektren wird ein Zeitraum von weniger als sechs Minuten benötigt. Bei der ChemCam handelt es sich somit um eine wesentliche Innovation innerhalb der Planetenforschung, denn bei früheren Missionen auf der Marsoberfläche war es im günstigsten Fall erst nach Tagen, oftmals sogar erst nach Wochen oder Monaten möglich, die genaue chemische Zusammensetzung der Planetenoberfläche zu bestimmen.

„Wir führten eine Menge neuer Ideen zusammen, um dieses Instrument zu verwirklichen. Es war sehr spannend zu verfolgen, wie diese innovativen Ideen sich im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt haben“, so Roger C. Wiens, der für die ChemCam verantwortliche Wissenschaftler vom Los Alamos National Laboratory (LANL) im US-Bundesstaat New Mexico.

Bei dem ChemCam-Instrument handelt es sich um eine kooperative Entwicklung der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA und des Centre d’Etude Spatiale des Rayonnements (CESR), einer französischen Weltraumforschungseinrichtung nahe der südfranzösischen Stadt Toulouse. Das Los Alamos National Laboratory war dabei für die Entwicklung der im Inneren der WEB platzierten Komponenten verantwortlich. Das für die Weiterleitung der Lichtwellen verwendete Glasfaserkabel wurde am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien entwickelt. Die in der Masteinheit des Rovers befindlichen Bauteile wurden dagegen vom CESR beigesteuert. Die ersten Konzeptvorschläge für die ChemCam wurden bereits im Jahr 2001 entwickelt.

Sie wünschen eventuell weiter Informationen zu diesem Instrument des Marsrovers Curiosity? Die offizielle, englischsprachige Internetseite der ChemCam finden Sie hier. Aber bestimmt können Sie auch im Forum unserer Internetseite den aktuell verfügbaren Stand der Mission und speziell der ChemCam verfolgen.

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