DESY: Hochdruck-Experimente enthüllen unbekannte Form von Salz-Eis

Neu entdecktes Kochsalzhydrat könnte auf Eismonden in unserem Sonnensystem existieren. Eine Pressemeldung des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY – ein Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft.

Quelle: DESY 21. Februar 2023.

21. Februar 2023 – Ein internationales Forschungsteam hat im Labor die Bedingungen auf eisigen Monden unseres Sonnensystems nachgestellt und dabei zwei neue Formen von salzigem Eis entdeckt. Die Beobachtung, die auf Messungen an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF und bei DESY zurückgeht, könnte bei der künftigen Erforschung von Eismonden wie Ganymed am Jupiter helfen, die für die Suche nach außerirdischem Leben interessant sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Baptiste Journaux von der Universität von Washington stellen ihre Entdeckung im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) vor.

Jupiters Mond Ganymed besitzt einen unterirdischen Ozean. (Bild: NASA/JPL-Caltech/SwRI/MSSS/Kevin M. Gill, CC BY-2.0)

Könnte es Leben jenseits der Erde geben? Bieten manche Monde in unserem Sonnensystem lebensfreundliche Bedingungen? Und welche chemischen Prozesse laufen in diesen Eismonden ab? Die eisigen Begleiter von Planeten im äußeren Sonnensystem sind für die Forschung von besonderem Interesse, weil einige von ihnen unterirdische Ozeane besitzen, die unter einer gefrorenen Eisschicht verborgen sind. Das haben unter anderem die Raumsonden „Galileo“ und „Cassini-Huygens“ bestätigt, die unser Wissen über Eismonde erheblich erweitert haben.

Man nimmt an, dass Eismonde wie Europa und Ganymed vom Jupiter oder Enceladus und Titan vom Saturn entstanden sind, indem sie Gas und Eispartikel ihrer Heimatplaneten aufgesammelt haben. „Es sind abgesehen von der Erde die einzigen planetaren Körper, auf denen flüssiges Wasser über geologische Zeiträume hinweg stabil ist, was für die Entstehung und Entwicklung von Leben entscheidend ist“, erklärt Journaux. „Sie sind meiner Meinung nach der aussichtsreichsten Orte in unserem Sonnensystem, um außerirdisches Leben zu entdecken. Deshalb müssen wir ihre exotischen Ozeane und ihr Inneres untersuchen, um ihre Entstehung und Entwicklung besser zu verstehen und wie ihr Wasser so weit von der Sonne entfernt in den kalten Bezirken unseres Sonnensystems flüssig bleibt.“

Natürliches Frostschutzmittel
Vermutlich enthalten diese Ozeane Kochsalz (Natriumchlorid, NaCl), das als natürliches Frostschutzmittel den Gefrierpunkt des Wassers herabsetzt und es ihm so ermöglicht, auch bei frostigen Temperaturen noch flüssig zu bleiben, bei denen reines Wasser bereits gefrieren würde. Allerdings konnten die Planetenforscherinnen und -forscher das Kochsalz bisher selbst mit den ausgefeilten Methoden der Infrarot-Oberflächenspektroskopie der Raumsonden nicht eindeutig an der Oberfläche der Monde identifizieren. Keine der bekannten Verbindungen passt zu den Infrarotspektren der eisigen Mondoberflächen.

Bei den Jupitermonden Ganymed und Europa haben Messungen unidentifizierte Salzhydrate auf der Oberfläche gefunden. (Bild: NASA/Universität von Washington, Baptiste Journaux)

„Salz und Wasser sind unter den normalen Bedingungen sehr gut bekannt“, erläutert Journaux die möglichen Ursachen. „Aber darüber hinaus tappen wir völlig im Dunkeln. Jetzt beschäftigen wir uns mit diesen planetaren Objekten, die wahrscheinlich Verbindungen enthalten, die uns sehr vertraut sind, aber unter sehr exotischen Bedingungen. Wir mussten im Prinzip die gesamte mineralogische Grundlagenforschung aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wiederholen, allerdings unter hohem Druck und niedriger Temperatur.“

Unter diesen Bedingungen kristallisiert das Wasser mit den darin gelösten Salzen und bildet sogenannte Hydrate. An der ESRF und bei DESY untersuchte das Team diese Kristalle mit Hilfe der Röntgenbeugung. Damit lässt sich die innere Struktur kristallisierter Materialien untersuchen, indem man sie mit Röntgenstrahlung beleuchtet und beobachtet, wie diese von der Probe gebeugt wird.

„Wir wollten verstehen, welche Verbindungen sich unter dem hohen Druck und den niedrigen Temperaturen auf den Eismonden bilden“, berichtet DESY-Koautorin Anna Pakhomova, die heute als Wissenschaftlerin an der ESRF arbeitet. „In unseren Experimenten haben wir die Einkristall-Röntgenbeugung eingesetzt, um zu verstehen, wie die neuen Hydrate auf atomarer Ebene organisiert sind. Das ist eine hervorragend geeignete Technik, um eindeutige Informationen über die Kristallstruktur eines Festkörpers zu erhalten.“

An der Extreme Conditions Beamline P02.2 von DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III stellten die Forscherinnen und Forscher die Bedingungen auf den Eismonden nach, indem sie die Proben aus Wasser und Kochsalz in einer sogenannten Diamantstempelzelle zwischen zwei winzigen Diamanten zusammenpressten und dabei in einem Kryostaten gekühlt hielten, einer Art wissenschaftlichem Tiefkühlschrank. So setzten sie die Proben dem bis zum 25.000-fachen des Atmosphärendrucks aus. Unter diesen Bedingungen kristallisierten die Proben und bildeten dabei bisher unbekannten Formen von Salzhydraten.

Innere Struktur der beiden neu entdeckten Kochsalzhydrate. (Bild: Universität von Washington, Baptiste Journaux)

Stabil auf Mondoberflächen
Bislang kannte die Wissenschaft nur ein einziges Kochsalz-Hydrat, eine Verbindung, bei der nur wenige Wassermoleküle im Kristallgitter eingeschlossen sind. Es handelt sich um eine einfache Struktur mit einem Salzmolekül für je zwei Wassermoleküle. Die neuen Experimente enthüllten zwei neue, unterschiedliche Formen bei unterschiedlichen Drücken und Temperaturen, die beide einen viel größeren Wasseranteil in ihrer Struktur besitzen. In der einen kommen zwei Natriumchloridmoleküle auf 17 Wassermoleküle, in der anderen ein Natriumchloridmolekül auf 13 Wassermoleküle. Diese Beobachtung kann erklären, warum die Infrarot-Signaturen auf der Oberfläche der Jupitermonde „wässriger“ sind als erwartet.

„Diese neuen Phasen sind faszinierend, weil sie eine unerwartete Vielfalt von Wasser/Salz-Kristallstrukturen bei hohem Druck und niedriger Temperatur zeigen, die auch für andere Verbindungen noch erforscht werden sollte“, sagt Journaux.

Das Team konnte auch zeigen, dass eines der neuen Salzhydrate, NaCl-8.5(H2O), unter den Oberflächenbedingungen eisiger Monde stabil ist und die häufigste Salzhydratart auf eisigen Welten sein dürfte. „Es besitzt die Struktur, auf die Planetenforscher gewartet haben, um die mysteriösen Spektren eisiger Oberflächen zu erklären“, betont Journaux. „Damit können wir die am besten geeigneten Orte auf der Oberfläche der Monde finden, um sie auf außerirdisches Leben zu untersuchen und um dort einmal zu landen und zu graben.“

Als nächstes planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, andere Salzarten zu untersuchen, die für eisige Ozeanwelten relevant sind, und ihre spektralen Eigenschaften zu bestimmen, damit sie von kommenden Raumsonden wie dem „JUpiter ICy moon Explorer“ (JUICE) der Europäischen Weltraumorganisation ESA und dem „Europa Clipper“ der US-Raumfahrtbehörde NASA entdeckt werden können, die beide Anfang der 2030er Jahre in eine Jupiterumlaufbahn einschwenken sollen.

An der Untersuchung waren Forscherinnen und Forscher der Universität von Washington, des Instituts für Geochemie und Petrologie in der Schweiz, der Universität Bayreuth, des Jet Propulsion Laboratory der NASA, der Universität von Chicago sowie von der ESRF und von DESY beteiligt.

Originalveröffentlichung:
On the discovery of hyper-hydrated sodium chloride hydrates, stable at icy moon conditions; Baptiste Journaux, Anna Pakhomova, Ines E. Collings, Sylvain Petitgirard, Tiziana Boffa Balaran, J. Michael Brown, Steve D. Vance, Stella Chariton, Vitali .B. Prakapenka, Dongyang Huang, Jason Ott, Konstantin. Glazyrin, Gaston Garbarino, Davide. Comboni, Michael. Hanfland; „PNAS“, 2023; DOI: 10.1073/pnas.2217125120, https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2217125120.

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Nach oben scrollen