Der Zwergplanet Makemake besitzt keine Atmosphäre

Am 23. April 2011 bedeckte der Zwergplanet Makemake von der Erde aus betrachtet einen lichtschwachen Hintergrundstern. Diese Sternbedeckung wurde von einem internationalen Astronomenteam dazu genutzt, um diesen in den äußeren Regionen unseres Sonnensystems beheimateten Himmelskörper näher zu untersuchen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, L. Calçada
Diese schematische Darstellung zeigt den Bereich der Erdoberfläche, von dem aus am 23. April 2011 eine Sternbedeckung durch den Zwergplaneten Makemake beobachtet werden konnte. Sieben Teleskope konnten diese Bedeckung erfolgreich dokumentieren. Weitere neun an der Kampagne beteiligte Teleskope waren erfolglos, da entweder die Wetterlage keine Beobachtungen zuließ oder da sich die Bedeckung außerhalb ihrer jeweiligen Standorte abspielte.
(Bild: ESO, L. Calçada)

Jenseits der Umlaufbahn des Neptuns, des äußersten Planeten unseres Sonnensystem, erstreckt sich der aus vermutlich mehreren zehntausend Objekten bestehende Kuipergürtel. Die vier größten der dort befindlichen Objekte wurden mittlerweile von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) offiziell als Zwergplaneten klassifiziert. Trotz ihrer relativ großen Durchmesser von jeweils deutlich über 1.500 Kilometern fällt es den Astronomen aufgrund der großen Entfernungen zur Erde jedoch sehr schwer, diese vier Zwergplaneten Pluto, Haumea, Makemake und Eris im Detail zu untersuchen.

Speziell im Fall von Makemake gestaltet sich die Gewinnung neuer Erkenntnisse als sehr kompliziert. Wenn Himmelskörper von einem oder mehreren Monden umkreist werden – und dies ist bei den anderen drei Zwergplaneten im Kuipergürtel der Fall – so kann anhand der Bewegungen der Monde die Masse des Objektes bestimmt werden. Da Makemake jedoch keine bekannten Monde besitzt, kann diese Strategie hier nicht angewandt werden.

Manchmal kommt den Astronomen jedoch eine spezielle, als Sternbedeckung oder auch „Okkultation“ bezeichnete astronomische Konstellation zu Hilfe. Hierbei zieht ein Planet oder Asteroid von der Erde aus betrachtet direkt vor einem Hintergrundstern vorbei und bedeckt diesen für einen kurzen Zeitraum. Aus dem Verlauf der sich dabei ergebenden Lichtkurven können die Astronomen verschiedene wichtige Daten wie zum Beispiel die Größe und Form eines Asteroiden oder die Existenz und Dichte einer eventuell vorhandenen Atmosphäre ableiten.

Am 23. April 2011 bedeckte der Zwergplanet Makemake über einen Zeitraum von etwa einer Minute den lediglich 18,22 mag hellen Stern NOMAD 1181-0235723. Sternbedeckungen durch Makemake sind besonders selten, da er sich gegenwärtig durch ein relativ sternarmes Himmelsareal bewegt. Diese sich im letzten Jahr ergebende Gelegenheit wurde deshalb von einem internationalen Astronomenteam für eine ausgedehnte Beobachtungskampagne genutzt. Die Astronomen beobachteten das nur von Südamerika aus sichtbare Ereignis mit sieben verschiedenen, in Chile und Brasilien befindlichen Teleskopen. Drei der eingesetzten Teleskope, das Very Large Telescope (VLT), das New Technology Telescope (NTT) und das Teleskop TRAPPIST (kurz für „TRAnsiting Planets and PlanetesImals Small Telescope“), befinden sich an des Standorten La Silla und Paranal der europäischen Südsternwarte (ESO) in den chilenischen Anden.

ESO, L. Calçada, Nick Risinger (skysurvey.org)
Eine künstlerische Darstellung des Zwergplaneten Makemake. Aufgrund der großen Entfernung, in der dieser die Sonne umkreist, würde diese von einem auf der Oberfläche des Zwergplaneten stehenden Beobachter nur noch als ein relativ heller Stern wahrgenommen werden, welcher sich kaum noch von den Hintergrundsternen unterscheidet.
(Bild: ESO, L. Calçada, Nick Risinger (skysurvey.org))

Durch die im Rahmen der Sternbedeckung erfolgten Beobachtungen konnte erstmals überprüft werden, ob Makemake über eine Atmosphäre verfügt. Der Zwergplanet umkreist die Sonne auf einer Umlaufbahn, welche sich in noch größerer Entfernung befindet als die Bahn des Zwergplaneten Pluto. Trotzdem gingen einige Wissenschaftler bisher davon aus, dass auch Makemake von einer dünnen Atmosphäre umgeben ist, welche in diesem Fall vermutlich über eine ähnliche chemische Zusammensetzung wie die Atmosphäre des Pluto verfügen sollte.

„Als Makemake vor dem Stern vorbeizog und diesen dabei vollständig bedeckte, verschwand der Stern abrupt, anstatt allmählich zu verblassen. Nach dem Ende der Bedeckung tauchte der Stern ebenso plötzlich wieder auf. Dies bedeutet, dass dieser Zwergplanet über keine nennenswerte Atmosphäre verfügen kann“, so José Luis Ortiz vom Instituto de Astrofísica de Andalucía (CSIC) in Spanien, welcher das Team leitete. Im Gegensatz zu Pluto verfügt Makemake somit über keine globale Atmosphäre – zumindestens über keine, welche mehr als ein Tausendstel der Dichte der Plutoatmosphäre aufweist. Das obere Limit einer global vorhandenen Atmosphäre liegt laut den Astronomen bei lediglich vier bis 12 Nanobar. Eine lokal begrenzte Atmosphäre, welche nur einen Teil der Oberfläche überzieht, wäre allerdings theoretisch denkbar und kann durch die durchgeführten Beobachtungen nicht ausgeschlossen werden.

„Bisher sind wir davon ausgegangen, dass durchaus gute Chancen für das Vorhandensein einer Atmosphäre bestünden. Dass dem nicht so ist, zeigt uns wieder einmal, wie viel wir noch über diese rätselhaften Objekte lernen müssen. Diese erste genaue Untersuchung der Eigenschaften von Makemake ist ein großer Fortschritt bei unserem Verständnis der Mitglieder des exklusiven Clubs der eisigen Zwergplaneten“, so José Luis Ortiz weiter.

NASA, ESA, Space Telescope Science Institute
Diese Aufnahme von Makemake wurde bereits am 20. November 2006 mit dem Weltraumteleskop Hubble angefertigt.
(Bild: NASA, ESA, Space Telescope Science Institute)

Durch die Auswertung der gewonnenen Daten konnten die Astronomen verschiedene Parameter von Makemake neu bestimmen. Die aus den Beobachtungen abgeleitete geometrische Albedo des Zwergplaneten liegt bei einem Wert von 0,77± 0,03 – ein Wert, welcher höher ist als bei Pluto und niedrigerer als bei Eris und der in etwa der Albedo von schmutzigem Schnee entspricht. In Kombination mit früheren Messungen ergeben die Beobachtungen für Makemake eine mittlere Dichte von 1,7 ± 0,3 Gramm pro Kubikzentimeter. Dieser Wert wiederum ermöglichte es dem Team, in Kombination mit den sich bei der Sternbedeckung ergebenden Bedeckungszeiten die Gestalt und den Durchmesser von Makemake zu bestimmen. Der Zwergplanet weist demzufolge die Form einer an seinen beiden Polen leicht abgeflachte Kugel auf, deren Achsen 1.430 ± 9 Kilometer beziehungsweise 1.502 ± 45 Kilometer lang sind.

Die präzise Vorhersage und die anschließende Beobachtung einer Sternbedeckung gestaltet sich für Astronomen immer noch als extrem schwierig, da hierfür sowohl die genaue Position eines Sterns am Himmel als auch die Bahnparameter des bedeckenden Himmelskörpers mit einer extrem hohen Genauigkeit bekannt sein müssen. Bereits minimalste Ungenauigkeiten führen zu einer falschen Berechnung des vorausgesagten Finsternispfades. Dies kann dann zur Folge haben, dass sich die Beobachter unter Umständen knapp nördlich oder südlich des Finsternispfades befinden und die erfolgende Bedeckung somit nicht beobachten können (Raumfahrer.net berichtete).

Daher ist diese Beobachtungskampagne, welche im Vorfeld über einen Zeitraum von einen Jahr geplant wurde und an der zahlreiche Astronomen und Instrumente an verschiedenen Standorten in Südamerika beteiligt waren, nicht nur aufgrund der dabei gewonnenen Daten als ein großer Erfolg zu werten. Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden von Ortiz et al. am 22. November 2012 unter dem Titel „Albedo and atmospheric constraints of dwarf planet Makemake from a stellar occultation“ in der Fachzeitschrift Nature publiziert.

„Pluto, Eris und Makemake gehören zu den größeren Vertretern der vielen eisigen Objekte, die unsere Sonne in einer großen Entfernung umkreisen“, so José Luis Ortiz. „Unsere Beobachtungen haben uns viele neue Erkenntnisse über Makemake vermittelt. In der Zukunft werden wir auf diesen Erkenntnissen aufbauen und diese faszinierenden Objekte noch eingehender untersuchen.“

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Fachartikel von Ortiz et al.:

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