Kosmologen haben ein neues, gewagtes Modell erdacht, wonach die dunkle Energie unser Universum am Ende in Milliarden neue Universen aufspalten könnte. Der ESA-Satellit Planck kommt gerade recht, die neue Theorie zu überprüfen.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: New Scientist Space/University North Carolina.
Es wird noch Dutzende von Milliarden Jahren dauern und selbst unser Sonnensystem wird dann nicht mehr existieren, aber eines Tages ist der Tag: Dann wird unser Universum aufhören zu existieren. Welches grauenvolle Schicksal erwartet das Universum? Einige Physiker sind der Ansicht, dass es von seiner eigenen „dunklen Energie“ in Stücke gerissen werden wird. Andere denken, dass es in einer endlosen Serie von Urknallen und Endcrashs gefangen ist – dass es also ein um´s andere Mal in sich zusammenfallen wird, nur um gleich wieder im nächsten Urknall neu geboren zu werden.
Die Kosmologen Lauris Baum und Paul Frampton von der Universität von North Carolina in Chapel Hill haben diese beiden Ideen nun in einer neuen, noch unvorstellbareren Möglichkeit kombiniert: Demnach zerplatzt unser Universum schlussendlich in Milliarden von Teile, deren jedes seinerseits zu einem neuen Universum wird. Dieses Modell könnte das Rätsel lösen, warum unser frühes Universum so überraschend wohl geordnet war.
Denn eines der Probleme, die kosmologische Modelle erklären müssen, dreht sich um den Grad der „Unordnung“ im Universum. Diese Unordnung bezieht sich auf die Art und Weise, in der die Partikel im Universum angeordnet sind. Sie wird mit einer Größe namens Entropie bezeichnet, die auch aus der Thermodynamik und anderen Disziplinen bekannt ist und dort teilweise ähnliche Bedeutungen hat. Kosmologen gehen davon aus, dass das Universum nach dem Urknall in einem geordneten Zustand niedriger Entropie startete und sich dann allmählich in den vermischteren, höher entropischen Zustand entwickelte, wie wir es heute kennen. Das ist insofern überraschend, als es sowohl für Partikel als auch für Energie wahrscheinlicher ist, in einem Zustand größerer Unordnung erzeugt zu werden. Wie das Universum unter solchen Umständen so wohl geordnet beginnen konnte, das genau ist für Kosmologen ein ziemliches Rätsel.
Die Antwort könnte mit der Art zusammhängen, wie Universen entstehen und vergehen. Das Schicksal des Universums hängt davon ab, wie sich die dunkle Energie – die Kraft, von der man annimmt, dass sie das Universum auseinander treibt – mit der Zeit ändert. Wenn sie unbegrenzt zunimmt, dann wird sie schließlich alles auseinander reißen. Sie wird das Universum in einem Ereignis zerstören, das Kosmologen schon als „Big Rip“ bezeichnen, also das „Große Zerreißen“. Und Lauris Baum und Paul Frampton berufen sich auf genau diesen Effekt, um zu erklären, warum sich die Entropie des frühen Universums in Grenzen hielt.
In ihrem neuen Modell wird die dunkle Energie (deren Existenz ihrerseits noch längst nicht bewiesen ist) sehr dicht und lässt das Universum derart schnell expandieren, dass es sich schließlich dem „Big Rip“ nähert. Das Universum beginnt in Flecken oder „Scherben“ zu zerreißen, die sich mit mehr als Lichtgeschwindigkeit voneinander entfernen. Aber die Zerstörung kommt gerade noch – Sekunden vor dem „Big Rip“ – zum Stehen, da die Dichte der dunklen Energie nun gleich der des Universums wird. An diesem Punkt fällt jeder einzelne Fleck in sich selbst zusammen. „All´ die Flecken, von denen es sehr viele gibt, kontrahieren jeder für sich in ein eigenes Universum„, sagt Frampton. Und nachdem sie zusammen gefallen sind, bersten diese Universen wieder auseinander, und jedes von ihnen startet mit einem eigenen Raum und einer eigenen Zeit.
Entscheidend bei diesem Modell ist nun Folgendes: Jeder Fleck soll nur einen Bruchteil der Gesamtentropie des „Mutteruniversums“ enthalten. Damit wäre erklärt, warum jedes Universum in einem niedrig entropischen Zustand beginnt. Die Arbeit wird in den „Physical Review Letters“ erscheinen.
Paul Steinhard, Kosmologe an der Princeton-Universität, würde das Modell gerne weiterentwickelt sehen. „Ich bin neugierig zu sehen, wie weit sie diese Idee treiben können“, sagt er.
Diese und andere kosmologische Modelle können ab Juli 2008 auf den Prüfstand gestellt werden, wenn der Satellit Planck der ESA gestartet wird. Dieser Satellit soll die dunkle Energie, auf Basis der real messbaren kosmischen Hintergrundstrahlung, weiter erforschen und könnte so klären helfen, inwieweit das neue Modell im Unterschied zum Standard-Urknall-Modell zutreffen könnten. Fakt ist: Egal welches Modell nun zutrifft, ist es bis zum Ende des Universums, wie wir es kennen, noch sehr, sehr, sehr lange hin.