Der Stern HR 5171 A – Ein Gigant im Weltall

Ein internationales Astronomenteam hat festgestellt, dass der Stern HR 5171 A über den mehr als 1.300-fachen Durchmesser der Sonne verfügt. Er zählt damit zu den zehn größten bisher bekannten Sternen. Außerdem ist dieser Stern der größere Partner in einem extrem eng beieinander liegenden Doppelsternsystem. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass der Sterngigant gegenwärtig einen rapide ablaufenden Veränderungsprozess durchläuft.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, IAU, Sky&Telescope
In dieser Sternkarte ist die Position des im Sternbild Zentaur gelegenen Riesensterns HR 5171 A durch einen roten Kreis markiert. Aufgrund seiner südlichen Position am Himmel kann dieser Stern allerdings nur von weiter südlich gelegenen Beobachtungsstandorten aus betrachtet werden. Dann jedoch – zumindestens unter optimalen Bedingungen – eventuell bereits mit dem bloßem Auge.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Im Rahmen von Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) hat ein von Olivier Chesneau vom Observatoire de la Côte d’Azur in Nizza/Frankreich geleitetes internationales Astronomenteam einen wahren Stern-Giganten im Weltall identifiziert. Für ihre Untersuchungen bedienten sich die Wissenschaftler einer als Interferometie bezeichneten Technik, bei der mehrere der Teleskope des VLT-Komplexes für durchzuführende Beobachtungen kombiniert und „zusammengeschaltet“ werden, so dass effektiv ein riesiges virtuelles Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von bis zu 140 Metern geschaffen wird.

Das angepeilte Beobachtungsobjekt war der im Sternbild Zentaur (lat. Name Centaurus) gelegene gelbe Hyperriesenstern HR 5171 A. Obwohl sich dieser Stern etwa 12.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt befindet, kann er mit seiner scheinbaren Helligkeit, welche zwischen 6,1 und 7,3 mag zu schwanken scheint, unter absolut optimalen Bedingungen von Beobachtern mit sehr scharfen Augen gerade noch so ohne technische Hilfsmittel erkannt werden.

Gelbe Hyperriesen sind ein nur selten vorkommender Sterntyp, von dem derzeit lediglich 12 Exemplare innerhalb unserer Heimatgalaxie bekannt sind. Sie zählen zu den größten und hellsten Sternen im Universum und befinden sich in einer Lebensphase, in der sie extrem instabil sind und sich dementsprechend sehr schnell verändern. Aufgrund ihrer Instabilität stoßen gelbe Hyperriesen Materie in das umliegende Weltall ab, wodurch sich eine ausgedehnte „Atmosphäre“ um den Stern bildet.

Bei der Auswertung ihrer Beobachtungsdaten entdeckten die Astronomen, dass der Stern einen Durchmesser von mehr als dem 1.300-fachen des Sonnendurchmessers aufweist und somit deutlich größer ist als eigentlich zu erwarten war. Bei vergleichbar großen stellaren Objekten scheint es sich durchweg um rote Überriesen zu handeln, welche den 1.000-fachen bis 1.500-fachen Durchmesser der Sonne erreichen können, und deren Masse das 10- bis 30-fache der Sonnenmasse erreichen kann. Bislang galt der Grundsatz, dass der Radius eines gelben Hyperriesen nicht größer als der 400- bis 700-fache Sonnenradius ausfällt.

Durch die jetzt gewonnenen Resultate zeigte sich nicht nur, dass der Stern HR 5171 A der größte bekannte gelbe Stern ist – er stieg auch in die Klasse der zehn größten bisher überhaupt bekannten Sterne auf. Mit seinem Durchmesser von mehr als 1,83 Milliarden Kilometern – übertragen auf unser Sonnensystem würde sich die äußerste Schicht der Hülle dieses Sterns bis jenseits der Umlaufbahn des Planeten Jupiters erstrecken – ist der Hyperriese HR 5171 A sogar um etwa 50 Prozent größer als der allgemein bekannte Stern Beteigeuze, der rötlich leuchtende Hauptstern des Sternbildes Orion.

ESO
Eine künstlerische Darstellung von dem gelben Hyperriesenstern HR 5171 A und dessen stellaren Begleiters. Der kleinere Stern , welcher den Namen HR 5171 B trägt, kommt dem Hauptstern so nahe, dass sich beide Sterne praktisch berühren. Dabei zieht HR 5171 B Materie aus der äußeren Hülle des Hauptsterns ab.
(Bild: ESO)

„Die neuen Beobachtungen haben auch gezeigt, dass dieser Stern über einen sehr nahen Doppelsternpartner verfügt, was eine ziemliche Überraschung war“, so Olivier Chesneau.

Diese Ergebnisse veranlassten die Astronomen dazu, auch ältere Beobachtungsdaten des Sterns HR 5171 A, welche eine Zeitspanne von mehr als 60 Jahre abdecken, erneut zu analysieren. Die jetzt neu ausgewerteten Aufnahmen, von denen einige übrigens auch von Amateurastronomen beigesteuert wurden, deuten darauf hin, dass sich dieses seltene und bemerkenswerte Objekt in den letzten Jahrzehnten rapide verändert hat und sich gegenwärtig offenbar in einer nur sehr kurz andauernden Phase seines Sternenlebens befindet. Über die letzten 40 Jahre hinweg hat dabei der Durchmesser von HR 5171 A immer weiter zugenommen. Zeitgleich fiel die Temperatur auf der äußeren Hülle des Sterns leicht ab.

Durch die Analyse der Daten bezüglich der Helligkeitsänderungen des Sterns konnten die Astronomen zudem bestätigen, dass es sich bei dem beobachteten Objekt um ein Doppelsternsystem handelt, bei dem der kleinere Begleitstern von der Erde aus betrachtet auf seiner Umlaufbahn direkt vor und hinter dem größeren Stern vorbeiläuft und dabei zeitweise einen Teil des von HR 5171 A ausgehenden Lichtes abschirmt. Dies erklärt auch die bereits weiter oben kurz erwähnten Schwankungen in der Helligkeit des Sternsystems. Für einen kompletten Umlauf um den Hauptstern benötigt der kleinere Begleitstern einen Zeitraum von rund 1.300 Tagen.

Hierfür griff das Team um Olivier Chesneau teilweise auf Daten zurück, welche durch Beobachtungen von anderen Observatorien und von Amateurastronomen zur Verfügung standen. Speziell die Übereinstimmung der Ergebnisse mit den Arbeiten des Amateurastronomen Sebastian Otero wird von den Astronomen als exzellent bezeichnet und verdeutlicht die Qualität dieser Amateuraufnahmen.

ESO, Digitized Sky Survey 2
Bei dem Stern HR 5171 A, dem hellen Stern unterhalb des Zentrums dieser Weitfeldaufnahme, handelt es sich um einen so genannten gelben Hyperriesen. Dies ist ein sehr seltener Sterntyp, von dem derzeit lediglich 12 Vertreter in unserer Milchstraße bekannt sind.
(Bild: ESO, Digitized Sky Survey 2)

„Der Begleitstern, den wir gefunden haben, ist sehr wichtig, da er das Schicksal von HR 5171 A beeinflussen kann, indem er zum Beispiel dessen äußere Schicht abzieht, und somit seine Entwicklung ändert“, so Olivier Chesneau weiter.

Der entsprechende Effekt wird auch als Roche-Lobe Overflow bezeichnet. Die Bahn dieses zweiten Sterns verläuft so dicht bei dem Hauptstern, dass sich beide Komponenten praktisch berühren, so dass das gesamte System einer gigantischen kosmischen Erdnuss ähnelt. Der kleinere Begleitstern ist nur etwas heißer als der Hauptstern HR 5171 A, welcher auf seiner Oberfläche eine Temperatur von etwa 5.000 Grad Celsius erreicht.

Diese neue Entdeckung hebt die Bedeutung der Untersuchung dieser von ihren Dimensionen her gewaltigen und zugleich kurzlebigen gelben Hyperriesen hervor und könnte ein Mittel zum besseren Verständnis von Entwicklungsprozessen massereicher Sterne im Allgemeinen darstellen. Bisher konnten von den Astronomen nur einige wenige Sterne in dieser lediglich kurz andauernden Phase ihrer Existenz, in der sie dramatische Temperaturveränderungen während ihrer schnellen Entwicklung durchlaufen, beobachtet werden.

Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden von Olivier Chesneau et al. unter dem Titel „The yellow hypergiant HR 5171 A: Resolving a massive interacting binary in the common envelope Phase“ in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ publiziert.

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