Der Offene Sternhaufen NGC 6604

Eine aktuelle Aufnahme des MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskops am La-Silla-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile zeigt den offenen Sternhaufen NGC 6604.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO
Die Aufnahme des Sternhaufens NGC 6604 wurde mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium in Chile angefertigt.
(Bild: ESO)

Der im Sternbild Schlange (lateinische Bezeichnung „Serpens Cauda“) gelegene und etwa 5.500 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt befindliche offene Sternhaufen NGC 6604 wird von vielen Amateurastronomen aufgrund seiner Nähe zu dem in der unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Adlernebel häufig übersehen. NGC 6604 befindet sich knapp zwei Grad, dies entspricht etwa vier Vollmonddurchmessern, nördlich des Adlernebels. Die hellsten Sterne des +6,5 mag hellen Sternhaufens NGC 6604 sind bereits mittels eines kleinen Teleskops auszumachen, so dass der Sternhaufen bereits im Jahre 1784 von dem Astronomen William Herschel katalogisiert werden konnte.

Eine am 25. April 2012 von der Europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlichte Aufnahme von NGC 6604 zeigt diesen Sternhaufen eingebettet in seine Umgebung aus Gas und Staub. Die Aufnahme wurde mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop am La-Silla-Observatorium in Chile gewonnen und beweist eindrucksvoll, dass sich dieser Sternhaufen im Vergleich mit seinen kosmischen Nachbarn durchaus nicht „verstecken“ muss.

Bei NGC 6604 handelt es sich um die helle Sterngruppierung, welche oben links im nebenstehenden Bild zu erkennen ist. Dieser noch relativ junger Sternhaufen stellt den dichtesten Teil einer viel weiter verteilten Sternassoziation dar, welche in ihrer Gesamtheit etwa hundert helle, weißlich-blau leuchtende Sterne enthält. Diese Sternassoziation wurde von den Astronomen mit der Bezeichnung „Serpens OB“ versehen. Dabei bezieht sich der erste Teil des Namens auf das Sternbild, in dem die Sterne zu finden sind. Die Buchstaben „O“ und „B“ verweisen dagegen auf deren jeweilige Spektralklassen. Die Spektraltypen „O“ und „B“ charakterisieren die beiden heißesten den Astronomen bekannten Sternklassen. Ihnen angehörige Sterne leuchten in einem besonders auffälligen hellen, blau-weißen Licht.

ESO,  IAU, Sky & Telescope
Die Konstellation des Sternbildes Serpens Cauda. Der rote Kreis markiert die Position des offenen Sternhaufens NGC 6604.
(Bild: ESO, IAU, Sky & Telescope)

Die Aufnahme des ESO-Teleskops zeigt außerdem einen zu dem Sternhaufen gehörenden Nebel, welcher aus einer rötlich leuchtenden Wolke aus Wasserstoffgas besteht und der auch als „Sh2-54“ bezeichnet wird. Die Bezeichnung „Sh2-54“ besagt, dass es sich hierbei um das 54. Objekt im zweiten Sharpless-Katalog der sogenannten HII-Regionen handelt. Der besagte Katalog wurde bereits im Jahr 1959 veröffentlicht. Zusätzlich sind in der Aufnahme Regionen sichtbar, in denen sich Ansammlungen von dunklen Staubwolken konzentrieren.

Die heißen, jungen Sterne sind aktuell für die Entstehung einer neuen Sterngeneration im Inneren von NGC 6604 verantwortlich. Durch die von ihnen ausgehende intensive Strahlung und starke Sonnenwinde wird die in der Umgebung befindliche Materie aus Staub und Gas in räumlich eng begrenzten Regionen komprimiert. Aus diesen in der Entstehung befindlichen Materiekonzentrationen werden sich in der Zukunft sogenannte Globulen bilden, welche wiederum die Geburtsstätten neuer Sterne darstellen.

Abgesehen von den ästhetischen Gesichtspunkten dieser und vergleichbarer Aufnahmen zieht der Sternhaufen NGC 6604 die Aufmerksamkeit der Astronomen auch aus einem anderen Grund auf sich. Von dem Sternhaufen geht eine rätselhafte Säule aus heißem, ionisiertem Gas aus. Vergleichbare Gassäulen – regelrechte Kanäle, entlang derer die von jungen Sternhaufen ausgestoßene Materie fließt – sind aus anderen Regionen unserer Heimatgalaxie und von anderen Spiralgalaxien bekannt. Im Gegensatz zu diesen anderen Gassäulen befindet sich NGC 6604 allerdings vergleichsweise nahe an der Erde und ermöglicht den Astronomen somit besonders detaillierte Untersuchungen der dort ablaufenden Prozesse.

Diese von NGC 6604 ausgehende Säule, von den Wissenschaftlern auch als „Kamin“ bezeichnet, steht senkrecht auf der galaktischen Ebene und erstreckt sich über eine Distanz von 650 Lichtjahren. Die Astronomen gehen davon aus, dass die heißen Sterne in NGC 6604 für die Entstehung des Kamins verantwortlich sind. Die Natur dieser ungewöhnlichen Strukturen wird allerdings erst durch zukünftige Untersuchungen vollständig enthüllt werden können.

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