Die europäische Südsternwarte ESO hat am vergangenen Mittwoch eine Aufnahme der eigentümlichen Wolken rund um den Sternhaufen NGC 3572 veröffentlicht. Das Bild zeigt eindrucksvoll, wie die stellaren Winde junger Sonnen das Gas und den Staub in der Region zu faszinierenden Strukturen formen. Die hellsten Sterne des Haufens dürften schon bald als Supernova enden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Einige der in unserer Heimatgalaxie befindlichen Sterne sind mit einem Alter von über 13 Milliarden Jahren nur wenige hundert Millionen Jahre jünger als das Universum, dessen Alter von den Astronomen auf etwa 13,8 Milliarden Jahre geschätzt wird. Mit einem Alter von „lediglich“ rund 4,6 Milliarden Jahren handelt es sich bei dem Zentralgestirn unseres Sonnensystems somit um einen noch verhältnismäßig jungen Stern, welcher gerade einmal die Mitte seines Lebens erreicht hat. Andere Sterne der Milchstraße verfügen jedoch über ein noch deutlich geringeres Alter von lediglich wenigen Millionen Jahren.
Diese Sterne haben sich erst vor kurzem in sogenannten Sternentstehungsgebieten entwickelt. Aus so einer H-II-Region geht in der Regel jedoch nicht nur ein einzelner, isolierter Stern hervor. Vielmehr reicht die Anzahl der sich zeitgleich in einem H-II-Gebiet bildenden Sterne von einigen Dutzend bis hin zu mehreren Tausend Sternen, welche nach dem Abschluss der Sternentstehungsphase in dieser Region des Weltalls zunächst einen offenen Sternhaufen bilden.
Solche offene Sternhaufen stellen für die professionellen Astronomen ein ideales Laboratorium zum Studium der Sternentwicklung dar, da sich die dort konzentrierten Sterne ursprünglich alle aus derselben Molekülwolke gebildet haben und somit in etwa über das gleiche Alter und eine sehr ähnliche chemische Zusammensetzung verfügen. Da die Mitglieder eines Haufens allerdings über sehr unterschiedliche Massen verfügen, finden sich in solchen Haufen Sterne in ganz unterschiedlichen Entwicklungsphasen. Wie schnell sich ein Stern entwickelt, hängt nämlich stark von seiner anfänglichen Masse ab, so dass sich die masseärmsten Vertreter des Haufens kaum entwickelt haben dürften, während die massereichen Sonnen den größten Teil ihres stellaren Lebens schon hinter sich haben und vermutlich bald als Supernova explodieren werden.
Durch eine eingehende Untersuchung ist daher unter anderem ein Vergleich der Entwicklung von Sternen möglich. Dies erleichtert es den Astronomen und Astrophysikern, die Auswirkungen anderer Eigenschaften der Sterne auf ihre jeweilige Entwicklung zu ermitteln. Des weiteren kann die gemeinsame Bewegungsrichtung der in einem offenen Sternhaufen konzentrierten Sterne zur Bestimmung der Entfernung genutzt werden.
Bei einem der in unserer Galaxie angesiedelten offenen Sternhaufen handelt es sich um den in dem Sternbild „Schiffskiel“ (lat. „Carina“) gelegenen Sternhaufen NGC 3572. Bei einer Ausdehnung von sieben Bogenminuten erreicht NGC 3572 eine scheinbare Helligkeit von 6,60 mag und kann somit bereits mit einem Fernglas beobachtet werden.
In diesem Sternhaufen konzentriert sich eine Vielzahl an jungen, heißen und in bläulich-weißen Farben leuchtenden Sternen, welche eine intensive Strahlung aussenden und die ihre Umgebung zudem durch einen intensiven Sternwind beeinflussen. Das noch in dem Sternhaufen vorhandene Gas wird durch die von den Sternen ausgehenden Strahlung verteilt und oft zu eigentümlichen Strukturen geformt. Genau dies ist auf einer neuen Aufnahme von NGC 3572 zu erkennen, welche am vergangenen Mittwoch von der europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlicht wurde.
Im unteren Bereich der Aufnahme sind noch Teile der Molekülwolke sichtbar, aus der sich die jungen Sterne gebildet haben. Sie wurde durch die Strahlung der neu geborenen Sonnen schon sehr stark in Mitleidenschaft gezogen und leuchtet in einem charakteristischen rötlichen Farbton. Außerdem sind in dem Gas und dem Staub faszinierende Formen wie Blasen, Bögen und dunkle Säulen entstanden. Letztere werden auch als „Elefantenrüssel“ (engl. „elephant trunks“) bezeichnet. Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel für eine solche Struktur sind die berühmten „Säulen der Schöpfung“, welcher sich im Adlernebel im Sternbild Schlange (lat. Serpens) befinden.
Eine Struktur auf der hier gezeigten ESO-Aufnahme können sich die Astronomen bislang nicht richtig erklären. Etwas oberhalb der Bildmitte befindet sich eine kleine, ringförmige und nebelartige Struktur. Dabei könnte es sich um den Überrest einer dichten Region der Molekülwolke handeln, aus der sich der Haufen einstmals gebildet hat, oder aber um eine Blase, welche einen heißen Stern umgibt. Einige Astronomen halten dieses Objekt auch für einen eigentümlich geformten planetarischen Nebel, also für einen sterbenden Stern, der gerade seine äußeren Hüllen ins All abstößt und dieses Material dann durch seine Strahlung zum Leuchten anregt.
Bei offenen Sternhaufen wie NGC 3572 handelt es sich um relativ kurzlebige Gebilde. Durch gravitative Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Sternen und andere Einflüsse, wie etwa die Supernova-Explosionen der massereichen Sterne, lösen sich diese Haufen im Verlauf von einigen zehn bis zu einigen hundert Millionen Jahren langsam auf. So kann es sein, dass ein heute als Einzelstern erscheinender Stern sein stellares Leben einstmals in einem Sternhaufen begonnen hat, der aber inzwischen längst verschwunden ist.
Die kürzlich veröffentlichte Aufnahme von NGC 3572 entstand aus Daten, welche von einem Astronomenteam unter der Leitung des ESO-Astronomen Giacomo Beccari mit dem MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop des La-Silla-Observatoriums der ESO in Chile gewonnen wurden. Das Ziel der Arbeit bestand in der Untersuchung der protoplanetaren Scheiben junger Sterne in NGC 3572. Dabei stellten die Wissenschaftler zu ihrer Überraschung fest, dass der Sternhaufen Sterne enthält, welche älter als zehn Millionen Jahre sind, immer noch eindeutig Masse anhäufen und somit immer noch von Scheiben umgeben sein müssen. Dies belegt, dass die Sternentstehung in NGC 3572 seit mindestens 10 bis 20 Millionen Jahren stattfindet und würde bedeuten, dass der Prozess der Planetenentstehung auf viel längeren Zeitskalen läuft als bisher allgemein angenommen.
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