Der offene Sternhaufen Messier 11 im Sternbild Schild

Eine am heutigen Tag von der Europäischen Südsternwarte veröffentlichte Aufnahme zeigt den offenen Sternhaufen Messier 11. Die dort konzentrierten Sterne haben sich bereits vor etwa 250 Millionen Jahren gebildet. Derartige Sternhaufen stellen für Astronomen ein Feldlabor zur Überprüfung der Sternentstehungstheorien dar.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO, IAU, Sky&Telescope
In dieser Karte ist die Position des im Sternbild Scutum (zu deutsch „Schild“) gelegenen offenen Sternhaufens Messier 11 durch einen roten Kreis markiert.
(Bild: ESO, IAU, Sky&Telescope)

Einige der in unserer Heimatgalaxie befindlichen Sterne sind mit einem Alter von mehr als 13 Milliarden Jahren nur wenige hundert Millionen Jahre jünger als das Universum, dessen Alter von den Astronomen mit einem Wert von etwa 13,8 Milliarden Jahren angegeben wird. Mit einem Alter von ‚lediglich‘ rund 4,6 Milliarden Jahren handelt es sich bei dem Zentralgestirn unseres Sonnensystems somit um einen noch verhältnismäßig jungen Stern, welcher gerade einmal die mittlere Phase seines Lebens erreicht hat. Andere Sterne der Milchstraße verfügen jedoch über ein noch deutlich geringeres Alter.

Diese Sterne haben sich – in astronomischen Zeiträumen betrachtet – erst vor relativ kurzer Zeit in sogenannten Sternentstehungsgebieten entwickelt. Aus so einer H-II-Region geht in der Regel jedoch nicht nur ein einzelner, isolierter Stern hervor. Vielmehr reicht die Anzahl der sich zeitgleich in einem H-II-Gebiet bildenden Sterne von einigen Dutzend bis hin zu mehreren Tausend Sternen, welche nach dem Abschluss der Sternentstehungsphase in dieser Region des Weltalls zunächst einen offenen Sternhaufen bilden.

Derartige Sternformationen sind typischerweise in den ‚Armen‘ von Spiralgalxien oder in sternreichen Regionen von irregulären Galaxien zu beobachten.

Der offene Sternhaufen Messier 11
Bei einem der mehr als 1.000 offenen Sternhaufen, welche den Astronomen derzeit in unserer Heimatgalaxie bekannt sind, handelt es sich um den im Sternbild Scutum (zu deutsch „Schild“) gelegenen Haufen Messier 11. Entdeckt wurde „M 11“ – so die astronomische Kurzbezeichnung – bereits im Jahr 1681 von dem deutschen Astronomen Gottfried Kirch, der dabei allerdings lediglich eine diffuse Wolke beobachten konnte. Erst der englische Astronom William Derham konnte diese Struktur im Jahr 1733 in einzelne Sterne auflösen und so die Natur dieses ‚verschwommenen Lichtflecks‘ enträtseln. Der Sternhaufen wurde schließlich im Jahr 1764 von dem französischen Astronomen Charles Messier unter der Nummer „11“ in dem von ihm veröffentlichten Messier-Katalog aufgenommen, welcher 110 markante Nebel, Sternhaufen und Galaxien beschreibt.

Aus dieser Zeit stammt auch der inoffizielle Beiname dieses Sternhaufens, welcher auch als „Wildentenhaufen“ bezeichnet wird. Als der Sternhaufen im 18. Jahrhundert durch die damals gebräuchlichen Teleskope beobachtet wurde, bemerkten die Astronomen, dass die hellsten Sterne von M 11 das Muster eines offenen Dreiecks bilden, welches der Flugformation von Enten ähnelt. Eine weitere, allerdings auch offiziell angewandte Bezeichnung für diesen Sternhaufen lautet NGC 6705 – basierend auf dem New General Catalogue des dänischen Astronomen Johan Ludvig Emil Dreyer.

ESO
Eine mit dem Wide Field Imager (WFI) des MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskops am La Silla-Observatorium der ESO erstellte Aufnahme des offenen Sternhaufens Messier 11. Die blauen Sterne im Zentrum der Aufnahme sind die jungen und heißen Sterne des Sternhaufens. Die eher röteren Sterne in der Umgebung sind ältere und zugleich kältere Hintergrundsterne.
(Bild: ESO)

Messier 11 ist einer der sternreichsten und zugleich kompaktesten offenen Sternhaufen im Bereich unserer Heimatgalaxie. Er befindet sich in einer Entfernung von rund 6.000 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem, verfügt über einen Durchmesser von fast 20 Lichtjahren und stellt die Heimat von annähernd 2.900 Sternen dar. Bei der sich daraus ergebenden Ausdehnung von 14 Bogenminuten erreicht dieser Sternhaufen eine scheinbare Helligkeit von 5,8 mag und kann somit als einer der hellsten Sternhaufen am nächtlichen Himmel bereits mit einem lichtstarken Fernglas am nördlichen Rand des Bandes der Milchstraße auch von Amateurastronomen betrachtet werden.

Offene Sternhaufen – Ein ‚Feldlabor‘ für Astronomen
Offene Sternhaufen stellen für professionellen Astronomen interessante Forschungsobjekte dar, da sich die dort konzentrierten Sterne ursprünglich alle aus derselben Molekülwolke gebildet haben und somit in etwa über das gleiche Alter und zudem über eine sehr ähnliche chemische Zusammensetzung verfügen. Durch eine eingehende Untersuchung der dort beheimateten Sterne, welche sich alle in der gleichen Entfernung zur Erde befinden, ist dabei unter anderem ein Vergleich der Entwicklung von Sternen möglich, welche über unterschiedliche Ausgangsmassen verfügen.

Massereichere Sterne entwickeln sich sehr viel schneller als ihre leichteren Gegenstücke, da diese ihren Wasserstoff im Rahmen der stellaren Kernfusion sehr viel früher verbrauchen als masseärmere Sterne. Durch eingehende Untersuchungen können somit direkte Vergleiche zwischen den verschiedenen Stern-Entwicklungsstadien innerhalb des gleichen Sternhaufens angestellt werden. Zum Beispiel: Entwickelt sich ein Stern mit der Masse der Sonne auf eine vergleichbare oder auf eine abweichende Weise als ein anderer Stern des gleichen Alters, welcher aber lediglich über die halbe Sonnenmasse verfügt? Wenn ja: Wo liegen diese Unterschiede und was sind die Gründe dafür?

In diesem Sinne sind offene Sternhaufen das, was für Astronomen ‚Laborbedingungen‘ am Nächsten kommt. Diese Untersuchungen erleichtern es den Astronomen und Astrophysikern, die Auswirkungen abweichender physikalischer und chemischer Eigenschaften der Sterne auf ihre jeweilige Entwicklung zu ermitteln. Des weiteren kann die gemeinsame Bewegungsrichtung der in einem offenen Sternhaufen konzentrierten Sterne zur Bestimmung der Entfernung dieser Sterne zu unserem Sonnensystem genutzt werden.

Allerdings handelt es sich bei den offenen Sternhaufen um – in kosmischen Zeiträumen betrachtet – relativ kurzlebige Gebilde. Weil die in einem offenen Sternhaufen befindlichen Sterne gravitativ nur sehr schwach aneinander gebunden sind, sind einzelne Sterne sehr anfällig dafür, durch die gravitativen Effekte benachbarter Himmelsobjekte aus der Hauptgruppe herausgeschleudert zu werden. Normalerweise sind die Sterne eines solchen Haufens somit bereits nach wenigen Hundert Millionen Jahren soweit auseinandergedriftet, dass der ursprüngliche Haufen nicht mehr als solcher zu erkennen ist. Messier 11 verfügt bereits über ein Alter von mindestens 250 Millionen Jahren. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass sich in einigen weiteren Millionen Jahren diese ‚Wildentenformation‘ endgültig auflösen wird.

Die heute von der Europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlichte Aufnahme wurde mit dem Wide Field Imager (WFI) des MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskops am La Silla-Observatorium der ESO in den nordchilenischen Anden angefertigt.

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