Der Magnetar von Westerlund 1

Bei den Magnetaren handelt es sich um die Überreste von Supernovaexplosionen, die zugleich die stärksten bekannten magnetischen Objekte des Universums darstellen. Ein europäisches Astronomen-Team glaubt jetzt, zum ersten Mal den Begleitstern eines Magnetars entdeckt zu haben. Diese Entdeckung hilft bei der Klärung der Frage, wie sich Magnetare bilden – ein Rätsel, das seit 35 Jahren ungelöst ist – und warum dieser spezielle Stern trotz seiner ursprünglichen hohen Masse nicht zu einem Schwarzen Loch kollabiert ist.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.

ESO
Diese Aufnahme des offenen Sternhaufens Westerlund 1 wurde mit dem Wide Field Imager am MPG/ESO 2,2-Meter-Teleskop am La Silla-Observatorium der ESO in Chile angefertigt. Der Sternhaufen enthält viele massereiche und sehr helle, heiße, blau leuchtende Sterne, deren Licht jedoch durch eine dichte interstellare Staubwolke zwischen dem Sternhaufen und der Erde abgeschwächt wird und deshalb rötlich erscheint.
(Bild: ESO)

Wenn ein massereicher Stern in der letzten Phase seiner Existenz unter der Wirkung seiner eigenen Schwerkraft in einer Supernovaexplosion kollabiert wird er – abhängig seiner ursprünglichen Masse – entweder zu einem Schwarzen Loch oder zu einem Neutronenstern. Bei einem Magnetar handelt es sich um eine ungewöhnliche und sehr exotische Form eines Neutronensterns, der über ein extrem starkes Magnetfeld verfügt. Großräumige Umordnungsprozesse eines instabil gewordenen Magnetfeldes führen dazu, dass von den Magnetaren in unregelmäßigen Abständen große Mengen an Gamma- und Röntgenstrahlung ausgehen.

Derzeit sind den Astronomen etwa zwei Dutzend in unserer Heimatgalaxie gelegene Magnetare bekannt. Eines dieser Objekte, der Magnetar CXOU J164710.2-45516, befindet sich in dem offenen Sternhaufen „Westerlund 1“ und hat Astronomen in der Vergangenheit große Rätsel aufgegeben.

Dieser erst im Jahr 1961 von dem schwedischen Astronomen Bengt Westerlund entdeckte Sternhaufen befindet sich in einer Entfernung von etwa 16.000 Lichtjahren zur Erde im Sternbild Altar (lat. Name „Ara“). Der Sternhaufen liegt hinter einer ausgedehnten interstellaren Wolke aus Gas und Staub, die einen Großteil des von dem Sternhaufen ausgehenden sichtbaren Lichtes abschirmt. Nur ein Hunderttausendstel des Lichtes kann die Wolke dabei durchdringen. Dies ist auch der Grund dafür, dass es so lange gedauert hat, die Natur von Westerlund 1 zu enthüllen.

Alle Sterne im Bereich von Westerlund 1, die bislang von Astronomen eingehender analysiert wurden, verfügen über eine Masse, welche mindestens dem 30- bis 40-fachen Wert der Masse der Sonne entspricht. Da derartig massereiche Sterne – in astronomischen Maßstäben betrachtet – nur über eine vergleichsweise kurze Lebensdauer verfügen, muss dieser Sternhaufen noch sehr jung sein. Es wird angenommen, dass Westerlund 1 in einem einzigen Ausbruch der Sternentstehung gebildet wurde, da alle dort befindlichen Sterne eine ähnliche chemische Zusammensetzung aufweisen. Astronomen haben das Alter des Sternhaufens aufgrund der Massen der einzelnen dort vertretenen Sterne auf einen Wert von 3,5 bis 5 Millionen Jahren bestimmt.

ESO
Die Positionen des Magnetars CXOU J164710.2-45516 und des Sterns Westerlund 1-5.
(Bild: ESO)

Der Magnetar CXOU J164710.2-45516
„In einer früheren Arbeit haben wir gezeigt, dass der Magnetar im Sternhaufen Westerlund 1 durch den explosiven Tod eines Sternes mit der 40-fachen Masse der Sonne entstanden sein muss. Aber damit tat sich ein ganz eigenes Problem auf, da man von Sternen dieser Masse erwarten würde, dass sie zu Schwarzen Löchern und nicht zu Neutronensternen werden, wenn sie kollabieren. Wir konnten nicht verstehen, wie aus ihm ein Magnetar werden konnte“, so Simon Clark von der Open University in Milton Keynes/Großbritannien, der Leiter des Astronomenteams.

Mittlerweile haben die Wissenschaftler eine Lösung für dieses Problem gefunden. Sie nehmen an, dass sich der Magnetar durch die vorherige Wechselwirkung zweier massereicher Sterne gebildet hat, welche sich in einem engen Doppelsternsystem umkreisen. Dieses System müsste dabei so kompakt ausfallen, dass es in die Umlaufbahn der Erde um die Sonne passen würde. Bis jetzt wurde jedoch kein entsprechender Begleitstern in der Nähe des Magnetars in Westerlund 1 entdeckt.

Für eine intensive Suchkampagne nutzten die Astronomen jetzt das in den chilenischen Anden befindliche Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO). Dabei konzentrierte sich die Suche auf sogenannte ‚flüchtende Sterne‘ – stellare Objekte, die den Sternhaufen mit hoher Geschwindigkeit verlassen. Ausgelöst durch die Supernovaexplosion, durch welche sich der Magnetar bildete – so die Vermutung der Wissenschaftler – wurden diese Sterne aus ihrer ursprünglichen Bahn katapultiert. Und tatsächlich – ein Stern mit der Bezeichnung Westerlund 1-5 zeigte das erwartete Verhalten.

Wechselwirkungen
„Dieser Stern besitzt nicht nur die hohe Geschwindigkeit, die durch den Rückstoß einer Supernovaexplosion zu erwarten wäre, sondern auch eine Kombination aus geringer Masse, hoher Leuchtkraft und einer kohlenstoffreichen Zusammensetzung, die für einen einzelnen Stern unmöglich erscheint. Das ist ein schlagender Beweis, der zeigt, dass dieser Stern ursprünglich zusammen mit einem Begleitstern entstanden sein muss“, erklärt Ben Ritchie von der Open Univerity. Diese Entdeckung ermöglichte es den Astronomen, die Lebensgeschichte der beiden Sterne zu rekonstruieren und zu erklären, warum aus dem ’sterbenden Stern‘ anstelle eines zu erwartenden schwarzen Lochs ein Magnetar entstand.

ESO, Digitized Sky Survey 2, Acknowledgment: Davide De Martin
Im Zentrum dieser Weitfeldaufnahme ist der offene Sternhaufen Westerlund 1 erkennbar. Dies ist eine sehr sternreiche Region der Milchstraße, in der eine große Anzahl von Sternen und viele Staubwolken zu sehen sind. Westerlund 1 erscheint auf der Aufnahme als ein kompakter, orangefarbener Klumpen.
(Bild: ESO, Digitized Sky Survey 2, Acknowledgment: Davide De Martin)

Im ersten Teil dieses Prozesses geht in dem massereicheren Stern des Sternpaares, nämlich Westerlund 1-5, der Brennstoff zur Neige. Er überträgt daraufhin seine äußeren Schichten auf den masseärmeren Begleitstern – den zukünftigen Magnetar. Dieser Begleitstern beginnt daraufhin immer schneller zu rotieren. Diese schnelle Rotation, so die Astronomen, scheint die essentielle Zutat für die Entstehung des extrem starken Magnetfeldes eines Magnetars zu sein. Im nächsten Schritt wird der Begleitstern als Konsequenz dieses Massentransfers selbst so schwer, dass er seinerseits einen großen Teil der erst kürzlich gewonnen Masse wieder abstößt. Hierdurch verliert der Begleitstern so viel Materie, dass er zum Zeitpunkt seines ‚Todes‘ nicht zu einem schwarzen Loch kollabiert. Ein Großteil dieser Materie geht verloren, aber etwas davon wird im Rahmen dieses Prozesses auch wieder auf den ursprünglich massereicheren Stern übertragen.

„Es ist dieser Austauschprozess von Materie, der Westerlund 1-5 seine einzigartige chemische Signatur verliehen hat und der die Masse seines Begleitsterns soweit schrumpfen lies, dass sich ein Magnetar anstelle eines schwarzen Lochs bildete. Ein stellares Materieballspiel mit kosmischen Konsequenzen“, so Francisco Najarro vom Centro de Astrobiologia in Spanien.

Die hier kurz vorgestellten vorgestellten Forschungsergebnisse werden demnächst von J. S. Clark et al. unter dem Titel „A VLT/FLAMES survey for massive binaries in Westerlund 1: IV.Wd1-5 binary product and a pre-supernova companion for the magnetar CXOU J1647-45“ in der Fachzeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ publiziert.

Der offene Sternhaufen Westerlund 1 gilt als ein einzigartiges natürliches Labor für die Erforschung extremer Stellarphysik, durch dessen Beobachtung die Astronomen den Lebenszyklus der massereichsten Sterne innerhalb unserer Galaxie untersuchen können. Aus ihren Beobachtungen schließen die Astronomen, dass dieser außerordentliche, aus mehreren Hundert Sternen bestehende Sternhaufen höchstwahrscheinlich nicht weniger als das 100.000-fache der Sonnenmasse besitzt, wobei sich all seine Sterne auf einem Gebiet mit einem Durchmesser von lediglich etwa sechs Lichtjahren befinden. Westerlund 1 gilt deshalb als der massereichste und zugleich kompakteste junge Sternhaufen, der bislang in der Milchstraße entdeckt wurde.

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Fachartikel von J. S. Clark et al.:

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