Eine kürzlich veröffentlichte Aufnahme des La-Silla-Observatoriums der Europäischen Südsternwarte (ESO) zeigt den Kugelsternhaufen Messier 4. Astronomen konnten in einem Stern dieses Haufens einen deutlich höheren Gehalt an Lithium nachweisen als eigentlich zu erwarten wäre.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, Wikipedia.
Bei einem Kugelsternhaufen handelt es sich um eine Ansammlung von Sternen, welche durch Gravitationskräfte auf engstem Raum aneinander gebunden sind. Diese kugelförmigen Sternansammlungen verfügen über Durchmesser von mehreren Dutzend Lichtjahren und beherbergen teilweise deutlich mehr als 100.000 Sterne. Diese Sternhaufen sind dabei wiederum gravitativ an Galaxien gebunden, in deren Halo sie sich bewegen.
Bisher konnten Astronomen in der Umgebung unserer Heimatgalaxie mehr als 150 solcher Kugelsternhaufen entdecken. Die meisten dieser die Milchstraße umkreisenden Kugelsternhaufen befinden sich von unserem Sonnensystem aus gesehen in Richtung der zentralen Verdickung der Milchstraßenscheibe. Größere und entsprechend massereichere Galaxien können allerdings von noch deutlich mehr Kugelsternhaufen umkreist werden. Aus der Umgebung der Andromedagalaxie – auch bekannt unter der Bezeichnung Messier 31 – sind so zum Beispiel mehr als 500 dieser Sternhaufen bekannt. Die im Sternbild Jungfrau gelegenen Galaxie Messier 87 wird anscheinend sogar von bis zu 12.000 solcher Kugelsternhaufen umkreist.
Die Beobachtungen der Astronomen zeigen, dass sich die in einem Kugelsternhaufen konzentrierten Sterne alle zur gleichen Zeit und aus der gleichen Ansammlung von interstellaren Gaswolken gebildet haben. Allgemein geschah dies bereits vor mehr als 10 Milliarden Jahren. Dies datiert die Entstehungsphase dieser Sterne in ein kosmisches Zeitalter, in dem seit dem Urknall erst wenige Milliarden Jahre vergangen waren.
Dementsprechend setzen sich die in einem Kugelsternhaufen angesammelten Sterne hauptsächlich aus den beiden leichtesten im Universum enthaltenen Elementen – Wasserstoff und Helium – zusammen. Diese geringe Häufigkeit von schweren Elementen ist einer der Hauptunterschiede zwischen den in Kugelsternhaufen enthaltenen Sternen und den Sternen, welche erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden sind, wie zum Beispiel den in offenen Sternhaufen konzentrierten Sternen oder Einzelsternen wie unserer Sonne.
Die Sterne dieser jüngeren Sterngenerationen – die Sonne wurde zum Beispiel erst vor rund 4,6 Milliarden Jahren „geboren“ – entstanden aus interstellaren Materiekonzentrationen, welche bereits mit schwereren Elementen angereichert waren, so dass diese eine höhere Metallizität aufweisen. Durch die Analyse der unterschiedlich alten Sterne können die Astrophysiker viele neue Erkenntnisse über die Entwicklungsgeschichte des Universums, der Entstehung und Evolution der Sterne sowie der dabei ablaufenden Prozesse gewinnen.
Bei einem der erdnächsten Kugelsternhaufen handelt es sich um den im Sternbild Skorpion (lat. Scorpius) gelegenen Sternhaufen Messier 4, welcher alternativ auch als M 4 beziehungsweise NGC 6121 bezeichnet wird. Er befindet sich in einer Entfernung von etwa 7.000 Lichtjahren zur Erde und verfügt bei einer Winkelausdehnung von etwa 36 Bogenminuten über einen Durchmesser von rund 75 Lichtjahren. Dem irdischen Betrachter erscheint er mit einer scheinbaren Helligkeit von 7,12 mag. Interessierte Amateurastronomen können dieses vergleichsweise helle Objekt bereits mit einem Fernglas in der Nähe des hellen, rötlich leuchtenden Sterns Antares betrachten. Einzelne Sterne des Kugelsternhaufens können bereits bei der Verwendung kleinerer Teleskope aufgelöst werden.
Aufgrund der relativ geringen Entfernung zur Erde erregt Messier 4 aber auch immer wieder das Interesse der Berufsastronomen. So richtete ein internationales Astronomenteam im Jahr 2010 den Wide Field Imager (WFI) am MPG-ESO-2,2-Meter-Teleskop am La-Silla-Observatorium der Europäischen Südsternwarte ESO auf M 4 aus, um die Farbspektren der Einzelsterne des Kugelsternhaufens im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung zu untersuchen. Durch solche Untersuchungen können die chemische Zusammensetzung und das Alter der Sterne bestimmt werden. Entsprechend der bestehenden Entstehungsmodelle für Kugelsternhaufen zeigte sich dabei, dass die Sterne von M 4 über ein sehr hohes Alter und entsprechend nur über minimale Mengen an schwereren Elementen verfügen.
Einer der Sterne von M 4 fiel trotzdem aus der Reihe. Der betreffende Stern enthält deutlich größere Mengen des Elements Lithium als eigentlich zu erwarten ist. Die Herkunft des Lithiums ist den an der Untersuchung beteiligten Astronomen bisher allerdings noch ein Rätsel. Üblicherweise wird Lithium im Laufe der Milliarden von Jahren eines Sternenlebens nach und nach abgebaut. Dieser Stern scheint dagegen das Geheimnis der „ewigen Jugend“ entdeckt zu haben. Entweder hat er es auf irgendeine bisher nicht bekannte Art und Weise bewerkstelligt, seinen ursprünglichen Vorrat an Lithium zu behalten, oder aber er hat einen effizienten Weg gefunden, sich mit Lithium-Nachschub aus der näheren Umgebung seiner kosmischen Heimat zu versorgen.
Die Forschungsergebnisse der Untersuchung werden demnächst in der Fachzeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ publiziert.
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