Eine am heutigen Tag veröffentlichte Aufnahme des VISTA-Teleskops der Europäischen Südsternwarte zeigt den Kugelsternhaufen 47 Tucanae in einer beeindruckenden Detailfülle.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO.
Bei einem Kugelsternhaufen handelt es sich um eine Ansammlung von Sternen, welche durch Gravitationskräfte auf engstem Raum aneinander gebunden sind. Diese kugelförmigen Sternansammlungen verfügen typischerweise über Durchmesser von mehreren Dutzend Lichtjahren und beherbergen teilweise deutlich mehr als 100.000 Sterne. Diese Sternhaufen sind dabei wiederum gravitativ an Galaxien gebunden, in deren Halo sie sich bewegen.
Bisher konnten Astronomen in der Umgebung unserer Heimatgalaxie mehr als 150 solcher Kugelsternhaufen entdecken, welche viele der ältesten bekannten Sterne unserer Galaxie beherbergen. Die meisten dieser die Milchstraße umkreisenden Kugelsternhaufen befinden sich von unserem Sonnensystem aus gesehen in Richtung der zentralen Verdickung der Milchstraßenscheibe.
Größere und entsprechend massereichere Galaxien können allerdings von noch deutlich mehr Kugelsternhaufen umkreist werden. Aus der Umgebung der Andromedagalaxie – auch bekannt unter der Bezeichnung Messier 31 – sind so zum Beispiel mehr als 500 dieser Sternhaufen bekannt. Die im Sternbild Jungfrau (lateinischer Name „Virgo“) gelegenen Galaxie Messier 87 wird anscheinend sogar von bis zu 12.000 solcher Kugelsternhaufen umkreist.
Die Beobachtungen der Astronomen zeigen, dass sich die in einem Kugelsternhaufen konzentrierten Sterne alle zur gleichen Zeit und aus der gleichen Ansammlung von interstellaren Materiewolken gebildet haben. Allgemein geschah dies bereits vor üblicherweise etwa 12 bis 13 Milliarden Jahren. Dies datiert die Entstehungsphase dieser Sternhaufen in ein kosmisches Zeitalter, in dem seit dem Urknall, welcher sich vor etwa 13,7 Milliarden Jahren ereignete, erst wenige hundert Millionen Jahre vergangen waren.
Auffällig ist bei Kugelsternhaufen, dass diese nur relativ wenig Gas und Staub enthalten. Allgemein wird davon ausgegangen, dass alles nicht bei der Sternentstehung verbrauchte Material in der Folgezeit entweder durch starke Sternwinde und durch Supernovaexplosionen aus dem Haufen herausgeblasen oder durch gravitative Wechselwirkungen des Sternhaufens mit interstellarer Materie aus diesem herausgerissen wurde. Aus diesem Grund stellen Kugelsternhaufen für Astronomen besonders interessante Beobachtungsobjekte dar.
Der Kugelsternhaufen 47 Tucanae
Ein besonders beeindruckendes Exemplar eines Kugelsternhaufens ist der Haufen 47 Tucanae. Bei diesem Sternhaufen, welcher auch unter der Bezeichnung NGC 104 bekannt ist, handelt es sich um einen besonders großer und alter Kugelsternhaufen, welcher sich in einer Entfernung von rund 15.000 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem in dem südlichen Sternbild Tucana (zu deutsch „Tukan“) befindet.
47 Tucanae verfügt über einen Durchmesser von rund 120 Lichtjahren und ist deshalb trotz seiner großen Entfernung bereits mit dem bloßem Auge am Himmel sichtbar, wobei er sich dem irdischen Betrachter mit einer scheinbaren Helligkeit von 4,9 mag präsentiert und in etwa die gleiche Fläche wie der Vollmond einnimmt. Nach dem Haufen Omega Centauri handelt es sich bei 47 Tucanae um den zweitmassereichsten Kugelsternhaufen im Halo unserer Heimatgalaxie. Er setzt sich aus mehreren Millionen Sternen zusammen und ist einer der hellsten und zugleich massereichsten Kugelsternhaufen überhaupt.
In seinem Zentrum befinden sich viele ungewöhnliche und somit für Astronomen und Astrophysiker besonders interessante Sternsysteme. Bei einigen dieser Sterne handelt es sich um starke Röntgenquellen, aber auch Rote Riesen, diverse veränderliche Sterne und sogenannte „Vampirsterne“, welche Material aus ihrer Umgebung abziehen oder Blaue Nachzügler sind dort vertreten.
Hierzu gesellen sich des weiteren noch diverse Millisekundenpulsare. Hierbei handelt es sich um eine besonders schnell rotierende Version der „normalen“ Pulsare, welche wiederum die Überreste längst vergangener Sterne darstellen. Sie verfügen über ein starkes Magnetfeld und senden während ihrer Rotation eine starke Strahlung aus, welche unseren Heimatplaneten in Form von Pulsen erreicht. Derzeit sind den Astronomen 23 Millisekundenpulsare bekannt, die sich innerhalb von in 47 Tucanae befinden.
Im Rahmen einer Studie, mit welcher kürzlich die Umgebung der Magellanschen Wolken – zweier Zwerggalaxien in unmittelbarer Nähe zu unserer Heimatgalaxie – untersucht wurde, gelangte auch der Kugelsternhaufen 47 Tucanae in den Aufnahmebereich des VISTA-Teleskops der Europäischen Südsternwarte (ESO).
VISTA – dieses Acronym steht für „Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy“ – ist das derzeit größte Teleskop auf unserem Heimatplaneten, welches sich ausschließlich der systematischen Durchmusterung des Nachthimmels widmet. Das Infrarotteleskop befindet sich am Paranal-Observatorium der ESO in Chile und zeigt den südlichen Sternhimmel dank seines großen Hauptspiegels (Durchmesser 4,1 Meter), einem großem Gesichtsfeld und einer hochempfindlichen Kamera mit hohem Lichtsammelvermögen in einem völlig neuen Licht.
Die Aufnahme des Kugelsternhaufens ist besonders scharf und zeigt auch sehr lichtschwache Sterne. Rote Riesensterne, welche den für die Kernfusion zur Verfügung stehenden Brennstoff bereits verbraucht haben und sich daraufhin stark ausgedehnt haben, sind über die gesamte VISTA-Aufnahme verteilt und anhand ihrer tieforangen Farbe, welche sich deutlich von dem hellen weißgelben Leuchten der Hintergrundsterne unterschiedet, leicht auszumachen. Der dichte Kernbereich des Kugelsternhaufens steht in einem starken Kontrast zu seinen dünn besiedelten Außenbereichen. Im Hintergrund sind außerdem die unzähligen Sterne der Kleinen Magellanschen Wolke erkennbar.
Die Untersuchung der im Kugelsternhaufen 47 Tucanae befindlichen kosmischen Objekte könnte den Astronomen dabei helfen zu verstehen, wie sich diese bilden und wie sie miteinander interagieren.
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