Der Kamil-Krater in Ägypten

Der erst im Jahr 2008 entdeckte Kamil-Krater im südwestlichen Ägypten ist einer der am besten erhaltenen Impaktkrater auf unserem Heimatplaneten. Erste Untersuchungsergebnisse wurden jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, Science. Vertont von Peter Rittinger.

DigitalGlobe, Telespazio
Eine Satellitenaufnahme des Kamil-Kraters in Ägypten.
(Bild: DigitalGlobe, Telespazio)

Bis vor kurzem waren auf der Erde lediglich 14 durch Meteoriteneinschläge entstandene Impaktkrater bekannt, welche über einen Durchmesser von weniger als 300 Metern verfügen. Im Jahr 2008 konnte diese Liste um einen weiteren Namen erweitert werden. Entdeckt wurde der neue Krater von dem Mineralogen Vincenzo de Michele, als dieser im Rahmen einer gezielten Suche mit dem Internetprogramm „Google Earth“ auf Satellitenbildern nach auffälligen Geländestrukturen Ausschau hielt. Dabei wurde er im Bereich der östlichen Uweinat-Wüste im südwestlichen Ägypten unmittelbar an der Grenze zum Sudan fündig.

De Michele kontaktierte darauf hin den Astrophysiker Dr. Mario Di Martino vom italienischen Nationalen Institut für Astrophysik (INAF). Dieser erkannte sehr schnell die wissenschaftliche Bedeutung dieses Fundes, bei dem es sich um einen der am besten erhaltenen bekannten Impaktkrater auf der Erde handelt. Der Kamil-Krater, so wurde er mittlerweile in Anlehnung an den in der Nähe gelegenen Berg Gebel Kamil genannt, verfügt über einen Durchmesser von lediglich 45 Metern. Eine gut erkennbare Ejektadecke und deutlich sichtbare, von dem Krater ausgehende Strahlen aus hellerem Gestein zeugen von einem in geologischen Zeiträumen gesehen sehr jungen Alter der Impaktformation. Würde der Krater dagegen älter sein, so wäre von ihm aufgrund der auf der Erde erfolgenden Erosion durch Wind und Wasser nichts mehr zu erkennen gewesen.

Eine eingehendere Untersuchung des Kamil-Kraters, so die Annahme, sollte deshalb allgemein wertvolle Einblicke in den Aufbau von irdischen Impaktkratern und in die bei der Entstehung dieser Krater ablaufenden Vorgänge erlauben. Ausgehend von dieser Annahme organisierte Dr. Di Martino deshalb zusammen mit dem Mineralogen Dr. Luigi Folco eine Expedition zu dem neu entdeckten Impaktkrater, deren Vorbereitung allerdings über ein Jahr Zeit in Anspruch nahm. In der Zwischenzeit wurde die Kraterregion im Jahr 2009 in Zusammenarbeit mit Telespazio, e-Geos und der italienischen Weltraumagentur ASI mit Hilfe von Satellitenbildern und hochaufgelösten Radaraufnahmen näher untersucht.

Im Februar 2010 brach schließlich eine 40-köpfige Expedition, bestehend aus italienischen und ägyptischen Wissenschaftlern sowie einheimischen Arbeitern zu dem Krater auf. Nach einer dreitägigen Reise durch die Wüste bei Temperaturen von bis zu 40 Grad Celsius konnte die Gruppe den Kamil-Krater schließlich erreichen und im Verlauf einer zweiwöchigen Feldforschung näher untersuchen. Insgesamt sammelten die Teilnehmer dabei über 1.000 Kilogramm Meteoritenfragmente für anschließende Laboruntersuchungen. Die Ergebnisse der Analysen wurden am 13. August 2010 in der Fachzeitschrift „Science“ publiziert und am 23. September 2010 im Rahmen eines öffentlichen Vortrages auf dem diesjährigen European Planetary and Science Congress (EPSC 2010) in Rom vorgestellt.

Kamil Expedition Team 2010
Expeditionsleiter Dr. Mario Di Martino mit einem der aufgefundenen Fragmente des Asteroiden.
(Bild: Kamil Expedition Team 2010)

Der schüsselförmige Krater weist demzufolge einen Durchmesser von 45 Metern auf und ist in Sandstein eingebettet, wobei sich der bei dem Impakt aufgeworfene Wall bis zu drei Meter über die Umgebung erhebt. Die ursprüngliche Tiefe des Kraters beträgt etwa 16 Meter. Allerdings wurden bereits etwa sechs Meter infolge äolischer Prozesse mit Sand aufgefüllt. Insgesamt konnten im Rahmen einer systematischen Suche innerhalb und in unmittelbarer Umgebung des Kraters 5.178 Fragmente des Meteoriten identifiziert werden, welche über eine Gesamtmasse von etwa 1,71 Tonnen verfügen. Alle aufgefundenen Fragmente weisen dabei ein Gewicht von jeweils weniger als 34 Kilogramm auf. Lediglich ein einzelnes schwereres Bruchstück mit einem Gewicht von 84 Kilogramm wurde etwa 200 Meter von dem Krater entfernt aufgefunden.

Außerdem wurden im Rahmen der Forschungen seismische, geologische und topografische Untersuchungen der Umgebung des Impaktkraters durchgeführt. Mit Hilfe eines Bodenradars wurden so zum Beispiel dreidimensionale Geländemodelle angefertigt. Geomagnetische Analysen im Umkreis von 250 Metern um den Krater führten zu dem Schluss, dass in der Umgebung keine größeren magnetischen Anomalien auftreten. Deshalb sind sich die Forscher sicher, dass keine größeren Splitter des Meteoriten unter der Oberfläche verborgen sind. Diese Verteilung und das Gewicht der einzelnen aufgefundenen Fragmente, so die Wissenschaftler, zeugt davon, dass der Meteorit den Flug durch die Erdatmosphäre nahezu unbeschadet überstanden hat und erst bei dem Aufprall auf die Erdoberfläche, welcher mit Überschallgeschwindigkeit erfolgte, schrapnellartig zerplatze.

L. Folco, The Kamillers
Mitglieder der Expedition bei der Untersuchung des Impaktkraters.
(Bild: L. Folco, The Kamillers)

Durch eine Analyse der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung des gefundenen Materials konnte der für die Entstehung des Kraters verantwortliche Meteorit der Klasse der nickelreichen Ataxite zugeordnet werden, wobei der Nickelanteil in diesem Fall bei einem Wert von 19,8 Prozent liegt. Anhand dieser morphometrischen Parameter und in Übereinstimmung mit Modellrechnungen kommt das Wissenschaftlerteam zu dem Ergebnis, dass der Meteorit zum Zeitpunkt des Einschlags über einen Durchmesser von etwa 1,3 Meter und eine Masse von etwa fünf bis 10 Tonnen verfügt haben muss und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 3,5 Kilometern pro Sekunde auf der Erdoberfläche aufschlug. Vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre dürfte der Meteoroid dagegen über eine Masse von etwa 10 bis maximal 40 Tonnen verfügt haben. Zudem fanden die Wissenschaftler in und unmittelbar neben dem Krater größere Mengen an zentimetergroßen Impaktschmelzen aus Sandstein, welche durch die beim Einschlag aufgetretenen Stoßwellen erzeugt wurden. Hieraus lässt sich auf einen auftretenden Druck von über 60 Gigapascal schließen.

Aufgrund der Verwitterung des Kraters können die Wissenschaftler auch erste Aussagen über dessen vermutliches Alter tätigen. „Wir untersuchen immer noch die geochronologische Geschichte der Einschlagstelle, aber der Krater ist eindeutig jünger als zehntausend Jahre – eventuell sogar jünger als lediglich ein paar tausend Jahre“, so Dr. Folco. „Der Einschlag wurde deshalb sogar eventuell von Menschen beobachtet, welche damals in dieser Gegend gewohnt haben.“ Neben Geologen und Astrophysikern werden aus diesem Grund auch Archäologen mit in die Untersuchung der Umgebung der Impaktstelle einbezogen. Vielleicht, so die Vermutung der Wissenschaftler, wurde das Impaktereignis von eventuellen Beobachtern in Steinzeichnungen verewigt.

Das Besondere an dem Kamil-Krater ist jedoch, dass er trotz der vergleichsweise geringen Masse des zugrunde liegenden Meteoriten überhaupt existiert. Da es sich bei dem Meteoriten um einem kompakten Körper aus Eisen und Nickel handelte, wurde er durch die Erdatmosphäre kaum abgebremst, sondern traf vielmehr fast mit seiner ursprünglichen Geschwindigkeit und in einem Stück auf die Erdoberfläche. Nur so lässt es sich erklären, dass ein so relativ leichtes Objekt überhaupt zur Entstehung eines Impaktkraters mit der Bildung von Impaktschmelze geführt haben kann. Bisher ging man davon aus, dass Meteorite eine deutlich höhere Ausgangsmasse benötigen, um die thermischen und mechanischen Belastungen beim Durchqueren der Erdatmosphäre zu überstehen. „Dies demonstriert, dass Eisenmeteorite mit einer Masse von etwa 10 Tonnen nicht zwingend in der Atmosphäre zerbrechen müssen, sondern vielmehr beim Aufprall auf die Erdoberfläche explodieren und dabei einen Krater erzeugen können“, so Dr. Detlef Koschny von der ESA.

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