Der Gale-Krater

Im Rahmen seiner Forschungsmission wird der Marsrover Curiosity den Gale-Krater untersuchen. Warum wurde dieser Landeort ausgewählt?

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter

Neben den Landeorten der bisherigen Marsmissionen zeigt diese Karte die Orte, welche zuletzt für die Landung des Rovers Curiosity in Erwägung gezogen wurden.
(Bild: NASA)

Der nächste Marsrover der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der 899 Kilogramm wiegende Rover Curiosity, soll nach seiner Landung die Oberfläche und die Atmosphäre unseres äußeren Nachbarplaneten für die Dauer von mindestens einem Marsjahr – dies entspricht in etwa 23 Monaten – eingehend untersuchen. Dabei sollen mehrere wissenschaftlichen Zielsetzungen erfüllt werden, welche letztendlich alle der Beantwortung einer entscheidenden Frage dienen sollen: Gab oder gibt es Leben auf dem Mars? Herrschten auf unserem Nachbarplaneten einstmals „lebensfreundliche“ Bedingungen, welche die Entstehung von mikrobakteriellen Lebensformen ermöglichten und ist es vielleicht sogar möglich, dass die momentanen Umweltbedingungen auf dem Mars auch noch in der Gegenwart die Existenz solcher Lebensformen ermöglichen?

Zwecks der Beantwortung dieser Fragen ist Curiosity in der Lage, mittels seiner wissenschaftlichen Instrumente eventuell vorhandene komplexe organische Verbindungen auf der Marsoberfläche oder in oberflächennahen Gesteinsablagerungen nachzuweisen und Lebensbausteine wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel zu detektieren. Ein weiteres Ziel der Rover-Mission besteht darin, die Geologie und Geochemie der ausgewählten Landeregion durch die Untersuchung der chemischen, isotopischen und mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche zu analysieren und die Prozesse, welcher zur Bildung der Böden und Gesteine geführt haben, näher zu charakterisieren. Das dritte Ziel besteht darin, die gegenwärtigen Kreisläufe von Wasserdampf und Kohlendioxid auf der Oberfläche und in der Marsatmosphäre zu untersuchen. Durch die Bestimmung von deren gegenwärtigen Mengenanteilen und der Verteilung sollen Rückschlüsse über deren Bedeutung in der Vergangenheit gezogen werden. Ein viertes Ziel ist es, das breite Spektrum der kosmischen Strahlung zu untersuchen, welche die Planetenoberfläche gegenwärtig erreicht und dabei eventuell vorhandene organische Verbindungen zersetzt.

Die Wissenschaftler der NASA gehen allerdings davon aus, dass die Antworten auf die gestellten Fragen nicht an jedem beliebigen Ort auf dem Mars zu finden sein werden. Um die Instrumente des Rovers in den kommenden Jahren optimal einsetzen zu können, stellte die Auswahl des richtigen Landeortes eine der Schlüsselszenen dar, welche maßgeblich für den Erfolg der Mission entscheidend sein wird.

Noch in der Anfangsphase der Planung der Curiosity-Mission wurden deshalb Wissenschaftler und Planetenforscher dazu aufgerufen, der NASA Vorschläge über den zukünftigen Landeort des nächsten Marsrovers zu unterbreiten und diese zu begründen. Aus den eingereichten Vorschlägen wurde zunächst eine Liste von rund 60 Landeplatz-Kandidaten erstellt, welche im Mai 2006 im Rahmen eines NASA-Workshops durchgearbeitet wurde. Hierbei musste sich zeigen, ob die vorgeschlagenen Landeplätze bestimmte Anforderungen erfüllten, welche von den Planetologen als zwingend notwendig angesehen wurden.

Eine durch den Marsorbiter Mars Odyssey angefertigte Aufnahme des Gale-Kraters.
(Bild: NASA, JPL)

Die Landeplatz-Kandidaten sollten sich vorzugsweise in Gebieten befinden, in denen die Marsoberfläche allem Anschein nach in früheren Zeiten über längere Zeiträume mit Wasser in Kontakt gestanden hat, denn Wasser im flüssigen Aggregatzustand, so die heute allgemein anerkannte Meinung, ist eine der Grundvoraussetzung für die Entstehung und Weiterentwicklung von Leben. Daher konzentrierten sich die an dem Auswahlprozess beteiligten Wissenschaftler in erster Linie auf vermeintliche ehemalige Flussläufe und Flussdeltas auf dem Mars sowie auf Regionen, in denen sich Minerale befanden, welche sich nur unter dem Einfluss von Wasser gebildet haben konnten und somit auf eine „feuchte Vergangenheit“ dieser Gebiete hindeuten. Bei den in Frage kommenden Regionen richtete sich das Augenmerk der Wissenschaftler zudem auf solche Bereiche der Planetenoberfläche, welche aus geologischer Sicht betrachtet über ein sehr hohes Alter verfügen. Denn nur in seiner Frühzeit, so der aktuelle Wissensstand, verfügte der Mars über eine dichte Atmosphäre, welche das Vorhandensein von flüssigem Wasser über einen längeren Zeitraum ermöglichte.

Bei ihrer Auswahl griffen die Wissenschaftler auf Daten zurück, welche in den vergangenen Jahren durch die Spektrometer und Kameras der diversen Marsorbiter der NASA und der ESA gesammelt wurden. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Kandidaten eine reichhaltige Geomorphologie und Stratigrafie mit geschichteten Sedimentablagerungen und einer möglichst großen Vielzahl unterschiedlicher Minerale aufweisen.

Aber auch die für die Konstruktion und den Betrieb des Marsrovers verantwortlichen Techniker und Ingenieure der NASA hatten ihre ganz speziellen Anforderungen an das Landegebiet. Dieses muss in einem Bereich zwischen 45 Grad nördlicher und 45 Grad südlicher Breite gelegen sein, denn je näher sich der Rover in Richtung zu den Polen befindet, desto tiefer sinken die Umgebungstemperaturen während der Nächte und während des Marswinters ab. Sowohl die Instrumente als auch die verschiedenen Hardware-Komponenten wie der Bordcomputer, die Funkanlage oder das Antriebssystem von Curiosity müssen permanent auf einer bestimmten Betriebstemperatur gehalten werden. Je tiefer die Umgebungstemperaturen absinken, desto öfter und intensiver müssen die internen Komponenten des Heizsystems des Rovers aktiv sein und benötigen dabei ein bestimmtes Maß an Energie. Je näher Curiosity am Äquator operiert, desto geringer fallen die täglichen und jahreszeitlich bedingten Temperaturschwankungen aus. Dadurch ergibt sich dann auch ein geringerer Stromverbrauch für die diversen Heizelemente des Rovers. Diese Energie kann stattdessen für andere Aktivitäten des Rovers genutzt werden.

Dieses digitale Höhenmodell des Gale-Kraters wurde aus den Bilddaten der HRSC-Kamera des ESA-Marsorbiters Mars Express erstellt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Ein weiterer aus technischer Sicht entscheidender Punkt war die Höhe der angepeilten Landestelle. Diese durfte sich nicht mehr als maximal einen Kilometer über die durchschnittliche Höhe der Marsoberfläche erheben. Anderenfalls würde die Marsatmosphäre den Rover bei seinem Landemanöver nicht ausreichend abbremsen. Außerdem musste die Gestaltung der Landschaft in dem angepeilten Landegebiet im Auge behalten werden. In einem Radius von zehn Kilometern um den Landeort dürfen die dort vorhandene Berghänge nur über Neigungen von maximal 15 Grad verfügen. Auch die Größe der im Landegebiet befindlichen Gesteinsblöcke war entscheidend. Da Curiosity über eine Bodenfreiheit von 60 Zentimetern verfügt, durften sich im Landegebiet nur eine bestimmte Anzahl von Felsblöcken mit mehr als 55 Zentimetern Höhe befinden.

Im Rahmen des ersten Workshops zur Auswahl des zukünftigen Landegebietes von Curiosity wurde die Liste der potentiellen Kandidaten auf 39 Landeorte eingeschränkt. Durch zwei weitere Workshops in den Jahren 2007 und 2008 reduzierte sich deren Zahl auf schließlich nur noch 4 potentielle Landeplätze:

Bei dem rund 65 Kilometer durchmessenden Eberswalde-Krater wurde ein fossiles Flussdelta als potentielles Forschungsziel ins Auge gefasst. Orbitaufnahmen haben gezeigt, dass die Landschaft um das ehemalige Flussdelta herum stärker erodiert und vom Wind abgetragen wurde als das eigentliche Flussbett mit seinen vielschichtigen Sedimenten und Ablagerungen. Das sich so über die Umgebung erhebende Delta beinhaltet Gesteinsstrukturen mit einer Vielzahl von Mineralen.

Eine weitere Aufnahme des Gale-Kraters, erstellt mit der CTX-Kamera an Bord des Orbiters Mars Reconnaissance Orbiter.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems (Tanya Harrison))

Der 154 Kilometer durchmessende Gale-Krater zeichnet sich durch einen Zentralberg aus, welcher sich bis zu einer Höhe von rund 5.500 Metern über den Boden des Kraters erhebt. An seinen Flanken konnten mit Hilfe der HiRISE-Kamera an Bord des Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) geschichtete Gesteinsablagerungen nachgewiesen werden, welche unterschiedliche Minerale enthalten. Direkt am Fuß des Berges wurden so zum Beispiel Tonminerale entdeckt, welche sich nur unter dem Einfluss von Wasser bilden konnten.

In dem 152 Kilometer durchmessenden Holden-Krater befinden sich ebenfalls geschichtete Ablagerungen und Geländestrukturen, welche in eine Vielzahl einzelner Platten zerbrochen sind. Die Ursache hierfür war wahrscheinlich eine gigantische Flutwelle, welche sich vor mehr als 3 Milliarden Jahren aus dem südwestlich gelegenen Uzboi Vallis in das Innere des Holden-Kraters ergossen hat.

Der vierte verbliebene Kandidat war das Mawrth Vallis, welches sich in der Übergangszone zwischen dem Hochland des Mars und der nördlichen Tiefebene befindet und in das Acidalia Planitia mündet. Es handelt sich hierbei um ein selbst in geologischen Zeiträumen gesehen sehr altes Gebiet. Ähnlich wie im Eberswalde-Krater zeigen sich hier eine Vielzahl von invertierten Flussläufen. Diese aus der Landschaft herausragenden versteinerten Flussbetten könnten von Curiosity relativ leicht erreicht und untersucht werden.

Bei zwei weiteren Meetings im September 2010 und im Mai 2011 diskutierten die Wissenschaftler und Ingenieure das Potential dieser vier Kandidaten erneut. Trotz der Verwendung neuester Daten von den aktuell drei aktiven Marsorbitern zeichnete sich keine Entscheidung ab. Alle vier Kandidaten wurden aus wissenschaftlicher Sicht als sehr erfolgversprechend eingestuft und auch die an der Mission beteiligten Ingenieure versicherten, dass die erforderlichen Sicherheitsstandards an allen vier Landeplätzen eingehalten würden. Bei einer nach dem letzten Meeting abgehaltenen Abstimmung votierten die meisten der direkt an der Curiosity-Mission beteiligten Wissenschaftler jedoch für eine Landung im Gale-Krater. Direkt dahinter platzierte sich der Eberswalde-Krater. Die beiden anderen Kandidaten waren somit aus dem Rennen.

Im Bereich des Landegebietes befinden sich viele interessante geologische Formationen. Auf seiner Erkundungsfahrt soll sich der Rover dem Zentralberg immer weiter annähern und schließlich mit dessen Besteigung beginnen.
(Bild: NASA, JPL (Milliken, Anderson, Bell))

Nach weiteren internen Diskussionen und einer erneuten Abwägung aller Fakten gab die NASA im Juli 2011 das endgültige Landegebiet des nächsten Marsrovers bekannt. Curiosity, so die Entscheidung, wird am 6. August 2012 im nordwestlichen Bereich des Gale-Kraters bei 4,5 Grad südlicher Breite und 137,4 Grad östlicher Länge landen. Der für die Landung vorgesehene Bereich umfasst eine Ellipse mit einer Ausdehnung von 7 x 20 Kilometern.

„Unsere Wissenschaftler sind der Meinung, dass es sich bei dem Gale-Krater um das Ziel handelt, bei dessen Untersuchung die ambitionierten Ziele dieser neuen Rover-Mission am besten erfüllt werden können“, so Jim Green, der Direktor der Planetary Science Division der NASA im Juli 2011. „Die gewählte Landestelle stellt eine bereits mit dem bloßen Auge gut erkennbar beeindruckende Landschaft dar und bietet das Potential für bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse.“

Der endgültigen Ausschlag für die Wahl des Gale-Kraters ergab sich durch die Tatsache, dass sich hier verschiedene, aus wissenschaftlicher Sicht potentiell interessante Strukturen direkt innerhalb des vorgesehenen Landebereiches beziehungsweise in dessen unmittelbarer Umgebung befinden. Curiosity kann seine Forschungstätigkeit somit – im Gegensatz zu einer Landung im Eberswalde-Krater – unmittelbar nach der Landung beginnen. Am äußeren Rand der Landezone befindet sich so zum Beispiel ein Schwemmfächer. Diese fächerförmige Struktur, so die Meinung der Wissenschaftler, könnte durch die Ablagerung von durch Wasser transportierten Sedimenten entstanden sein.

Deutlich interessanter erscheint den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern jedoch der 5,5 Kilometer hohe Zentralberg Aeolis Mons im Mittelpunkt des Gale-Kraters. Die geschichteten Sedimentablagerungen am Fuß des Zentralberges beinhalten laut den spektroskopischen Messungen der verschiedenen Marsorbiter Tonminerale und verschiedene wasserhaltige Sulfate. Das Vorhandensein dieser Stoffe deutet zweifelsfrei auf eine in der Vergangenheit erfolgte längerfristige Interaktion der dortigen Marsoberfläche mit Wasser hin. Jede einzelne Sedimentschicht steht dabei für eine andere Phase in der Entwicklungsgeschichte unseres Nachbarplaneten. Analysen bezüglich der Befahrbarkeit des Geländes durch den Rover führten zudem zu dem Schluss, dass diese aus wissenschaftlicher Sicht äußerst interessanten Bereiche sehr wahrscheinlich relativ „einfach“ und gefahrlos von Curiosity erreicht werden können.

Der Gale-Krater in 3D. Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser aus Einzelbildern der HRSC-Kamera des Orbiters Mars Express erstellten Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

„Der Gale-Krater ist unter anderem deshalb so faszinierend, weil es sich um einen gewaltigen Krater innerhalb einer relativ niedrig gelegenen Region auf dem Mars handelt und wir wissen alle, dass Wasser immer bergab fließt“, so der Kommentar von John Grotzinger vom California Institute of Technology in Pasadena/Kalifornien, dem leitenden Projektwissenschaftler für die Curiosity-Mission. „In Anbetracht des erkennbaren vertikalen Profils und der geringen Höhe des Geländes erscheint der Gale-Krater ähnlich interessant wie die berühmten Valles Marineris, das größte bekannte Canyon-System innerhalb unseres Sonnensystems.“

„Der Krater hat eine sehr abwechslungsreiche Topographie“, so Ernst Hauber vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. „Der Landeplatz in der Kraterebene selbst besteht vermutlich aus sehr altem Gestein.“

Nach seiner Landung soll Curiosity zuerst den Bereich am Fuß des Zentralberges untersuchen und sich diesem dabei immer weiter annähern. Indem der Rover diesen Berg anschließend immer weiter hinauffährt und die dabei erreichbaren unterschiedlichen Sedimentschichten mit seinen verschiedenen Instrumenten analysiert, öffnet sich den Wissenschaftlern eine Art Zeitfenster in die geologische Vergangenheit des Mars, wie es sich auf der Erde zum Beispiel am Grand Canyon im US-Bundesstaat Colorado darstellt. „Der Gale-Krater bietet uns vielfältige Möglichkeiten zum Aufspüren von organischen Verbindungen“, so Michael Meyer von der NASA. „Aber egal, ob wir dort solche Verbindungen finden werden oder nicht – im Inneren des Kraters existieren diverse Strukturen, welche uns die Untersuchung der wechselnden Umweltbedingungen auf dem Planeten erlauben und uns so ein besseres Bild von der Lebensfreundlichkeit des urzeitlichen Mars vermitteln.“

„Wir haben den Mars fest im Blick. Curiosity wird uns nicht nur neue wichtige wissenschaftliche Informationen liefern. Vielmehr stellt diese Mission auch eine Art Vorläufermission für die direkte Erforschung des Roten Planeten durch die Menschheit dar“, so die Zusammenfassung des NASA-Administrators Charles Bolden. Zum einen dient die Curiosity-Mission dabei der Vorbereitung einer Sample-Return-Mission, in deren Rahmen Gesteinsproben von der Oberfläche des Mars zur Erde transportiert und in irdischen Labors ausführlich untersucht werden sollen. Zum anderen ist sie auch eine vorbereitende Mission für die erste bemannte Landung auf dem Mars.

Sie können die Landung des Rovers Curiosity, welcher die Marsforschung während der kommenden Jahre wesentlich beeinflussen wird, am kommenden Montag im Rahmen einer deutschsprachigen Internet-Übertragung verfolgen. Spacelivecast.de wird am 6. August 2012 um 06:30 MESZ auf Sendung gehen und Sie neben den aktuellen Bildern von NASA-TV mit entsprechenden Kommentaren und vielen interessanten Hintergrundinformationen versorgen.

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