Vom 23. bis 28. September 2012 lädt das europäische Forschungsnetzwerk Europlanet die weltweite Wissenschaftsgemeinde der Planetenforscher nach Madrid ein. Es werden bis zu 700 Teilnehmer erwartet, welche sich im Rahmen dieses internationalen Kongresses unter anderem auf die Vorträge führender Projektwissenschaftler der ESA, der NASA und verschiedener in die planetare Forschung involvierter Institute und Universitäten freuen dürfen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Europlanet, EPSC 2012.
Immer mehr Raumsonden und Rover, welche mit hochauflösenden Kamerasystemen, hochmodernen Messinstrumenten, immer intelligenteren Sensoren und leistungsfähigeren Computersystemen und Softwareprogrammen ausgerüstet sind, dringen gegenwärtig immer tiefer in die Weiten unseres Sonnensystems vor. Sowohl verschiedene Weltraumteleskope wie zum Beispiel das Hubble Space Telescope, das Spitzer-Teleskop oder die Exoplaneten-Sucher Kepler und CoRoT als auch erdgestützte Groß-Teleskope liefern ständig neue Bilder und Daten über die Planeten, Monde, Kometen und Asteroiden unseres Heimatsystems und erfassen mit ihren innovativen Aufnahmetechniken mittlerweile auch bereits die Exoplaneten, welche fremde und oftmals viele hunderte von Lichtjahren entfernt gelegene Sterne umkreisen. Mittlerweile vergeht dabei keine Woche mehr, in welcher nicht neue Forschungsdaten, atemberaubende Bilder und sensationelle Erkenntnisse aus dem weiten Forschungsfeld der Planetologie veröffentlicht werden, welche sowohl die in die Planetenforschung involvierten Experten als auch die interessierte Öffentlichkeit begeistern.
Aus den gewonnenen Daten leiten die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte unseres Planetensystems und des Universums sowie über die physikalischen, chemischen und geologischen Eigenschaften der einzelnen planetaren Objekte ab. Gleichzeitig ergeben sich dabei aber mit jeder erhaltenen Antwort auch fast automatisch immer wieder neue Fragestellungen, welche durch weitere Forschungen und zukünftige Raummissionen beantwortet werden sollen. Vom 23. bis zum 28. September 2012 wird sich die weltweite Wissenschaftsgemeinde der Planetenforscher im Rahmen des diesjährigen „European Planetary Science Congress“ (EPSC) neben der Präsentation weiterer neuer Forschungsergebnisse genau solchen neu aufgetretenen Fragen widmen.
Durch den von dem europäischen Forschungsnetzwerk „Europlanet“ organisierten Kongress ergibt sich die Gelegenheit, Fachkräfte aus den verschiedensten Bereichen der Planetenforschung – Wissenschaftler, Techniker und Ingenieure der einzelnen gegenwärtig aktiven und für die Zukunft geplanten interplanetaren Missionen, Fachleute für bodengebundene astronomische Beobachtungen und überwiegend in den verschiedensten theoretischen Arbeitsbereichen tätige Forscher – an einem Ort zu einem gegenseitigen Wissens- und Gedankenaustausch zusammenzuführen.
Dem am 1. Januar 2005 gegründete Forschungsnetzwerk „Europlanet“ gehören gegenwärtig 27 Forschungseinrichtungen und -gesellschaften an, welche aus 16 Ländern, 13 davon sind Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, stammen. Aus Deutschland sind derzeit das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Max-Planck-Gesellschaft, das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau, die Technischen Universität in Berlin sowie das Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart vertreten. Weitere 70 Institute, welche zum Beispiel auch in den USA, Japan oder Brasilien ansässig sind, werden als assoziierte Partner geführt.
Die wichtigste Aufgabe von Europlanet besteht dabei darin, eine bisher einzigartige Forschungsinfrastruktur für die europäische Planetenforschung zu schaffen, welche Wissenschaftlern und Studenten Zugang zu hochmodernen Labor- und Feldforschungseinrichtungen sowie zu Modell- und Simulationsanlagen ermöglicht. Dabei, so die Zielsetzung, soll die Arbeit der europäischen Planetenwissenschaftler noch besser als bisher koordinieren und vernetzt werden. Neben der Abstimmung der einzelnen Aktivitäten sollen dabei Studien, Laborexperimente, Simulationen und Synergien zwischen den verschiedenen Forschungsansätzen erläutert und diskutiert werden. Durch diesen Erfahrungsaustausch soll eine bessere nationale und internationale Vernetzung der an den unterschiedlichen Aktivitäten und Forschungsprojekten beteiligten Wissenschaftler erreicht werden.
Des weiteren sollen durch die Aktivitäten von Europlanet bessere Möglichkeiten zur Datenauswertung bereitgestellt werden. Darunter fällt auch die Auswertung der Daten von Raumfahrtmissionen und erdgestützter Teleskope. Das dabei angestrebte Ziel ist es, aus den Forschungsaktivitäten der europäischen Raumfahrtmissionen und Bodenstationen einen optimalen wissenschaftlichen Nutzen zu ziehen. Aufbauend auf den Synergien von Diensten und gemeinsamen Forschungs- und Netzwerkaktivitäten bietet das Forschungsnetzwerk somit die idealen wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen für die Auswertung von Daten aus aktuellen und früheren Planetenerkundungsmissionen und bereitet zugleich die nächste Generation von planetaren Forschungsmissionen vor. Auf diese Weise trägt Europlanet aktiv dazu bei, die Rolle Europas bei der Erforschung von Planeten und der Durchführung der dafür erforderlichen Raumfahrtmissionen zu stärken.
Der EPSC ist der größte regelmäßig in Europa stattfindende Kongress der Planetenforscher. Für den EPSC-Kongress 2012, welcher in diesem Jahr auf dem Gelände des Messe- und Kongresszentrums IFEMA-Feria de Madrid in Spanien abgehalten wird, haben sich rund 700 Teilnehmer aus Europa und den USA, aber zum Beispiel auch aus Russland oder Japan angekündigt. Die von Montag bis Freitag stattfindende Tagung setzt sich aus über 50 verschiedenen Sessions sowie 16 verschiedenen, auf spezielle Themen ausgerichtete Splinter-Meetings und Wokshops zusammen, welche ein umfassendes Themenspektrum abdecken.
Die darin enthaltenen fast 1.000 Beiträge, welche in Form kurzer mündlicher Vorträge oder im Rahmen einer Posterpräsentation dargebracht werden, reichen vom Themenbereich der Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun, deren Ringsystemen, Atmosphären und Monden über die sogenannten terrestrischen (erdähnlichen) Planeten Merkur, Venus und Mars und über unseren Erdmond bis hin zu den kleinsten Objekten unseres Sonnensystems, den Asteroiden, Kometen und Meteoren. Besondere Höhepunkte dürften die Präsentationen der jüngsten Forschungsergebnisse der Raumsonden DAWN, welche sich bis vor wenigen Wochen in einem Orbit um den Asteroiden Vesta befand, und des Merkurorbiters Messenger sein. Und auch von der neuesten Rovermission der NASA, von dem Marsrover Curiosity, werden bereits erste Ergebnisse erwartet.
Aber auch neueste Erkenntnisse aus dem Themenbereich der Exoplanetenforschung, Forschungsergebnisse aus der Astrobiologie und diverse Feldforschungsstudien sollen vorgestellt und dabei im Rahmen der jeweiligen Vorträge kurz diskutiert werden. Ebenso werden die technischen Aspekte zukünftiger Raum-Missionen bei dem Kongress nicht außer Acht gelassen. Neben den technischen Erfahrungen der aktuellen Missionen wird im Rahmen mehrerer Workshops auch ein Austausch über zukünftige Raummissionen stattfinden. So werden die Wissenschaftler und Ingenieure zum Beispiel über die Zielsetzungen künftiger Missionen oder die technischen Möglichkeiten von Orbitern, Landern und Rovern bei der Erforschung fremder Planeten und Monde und die mit der Planung und Durchführung solcher Missionen verbundenen Probleme diskutieren.
Um die Gespräche und Diskussionen der Beteiligten in einer möglichst entspannten Atmosphäre zu ermöglichen, wurde für den diesjährigen Kongress – wie auch bereits in den Vorjahren – erneut ein vielfältiger Mix aus teilweise parallel stattfindenden Vorträgen, Workshops, Splinter-Meetings, Panels und Posterpräsentationen als Veranstaltungsform gewählt.
Ein spezieller Themenkomplex wird sich dabei erneut der Zusammenarbeit der professionellen Wissenschaftler mit der internationalen Gemeinde der Amateurastronomen und „Hobbyplanetologen“ widmen. Diese Zusammenarbeit erwies sich in den vergangenen Jahren bereits als sehr erfolgreich und erstreckte sich dabei speziell auf die Beobachtung der Planeten Jupiter und Saturn, wo Amateurastronomen wertvolle Bilder über Kometen- und Asteroidenimpakte (Jupiter) oder das aktuelle Wettergeschehen (Saturn) liefern konnten, welche aufgrund der begrenzten Beobachtungszeiten in diesem Umfang nicht mit professionellen Instrumenten hätten angefertigt werden können. Aber auch bei der gezielten und regelmäßig erfolgenden Beobachtung des Mondes oder von Meteoren und der Bestimmung von deren Fallraten sind Amateurastronomen gefragt und werden aktiv in aktuelle Beobachtungsprogramme der Wissenschaftler eingebunden.
Diese Zusammenarbeit geht Hand in Hand mit einem weiteren erklärten Ziel von Europlanet. Durch die Arbeit des Forschungsnetzwerkes soll unter anderem auch das sogenannte „Public Outreach“, die Verbreitung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und die gleichzeitig erfolgende Einbindung der interessierten Öffentlichkeit in die damit verbundenen Arbeiten der beteiligten Wissenschaftler der europäischen Forschungsinstitute verbessert werden. Durch eine innovative Öffentlichkeitsarbeit, so das Ziel, sollen die Aktivitäten der Planetenforscher bei den Bürgern, bei der Industrie und nicht zuletzt auch bei den für die Vergabe der benötigten Finanzmitteln verantwortlichen politischen Entscheidungsträgern mehr Beachtung finden. Entsprechend dieser Zielsetzung wird mittlerweile jährlich ein Preis für „Excellence in Public Engagement with Planetary Science“ an Einzelpersonen, Gruppen oder Institute vergeben, welche sich im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit besonders engagiert haben.
Der European Planetary Science Congress 2013 findet im nächsten Jahr vom 8. bis zum 13. September am University College in London statt.
Verwandte Website:
- EPSC-Kongress 2012 (engl.)