Eine bereits in der vergangenen Woche von der ESO veröffentlichte Aufnahme des Emissionsnebels Gum 19 zeigt eine beeindruckende rote Wolke aus leuchtendem Wasserstoffgas hinter einer Ansammlung von blauen Vordergrundsternen. Innerhalb dieser Wolke verbirgt sich eine Gruppe massereicher junger Sterne. Diese üben zugleich auch einen entscheidenden Einfluss auf den Nebel aus.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO. Vertont von Peter Rittinger.
Hauptsächlich aus Wasserstoffgas zusammengesetzte Emissionsnebel stellen für ambitionierte Astrofotografen ein immer wieder beliebtes Aufnahmemotiv dar. Da dieses Gas in einer charakteristischen roten Farbe extrem hell leuchtet erlaubt es den Fotografen die Anfertigung von ästhetischen Bildern, in denen sich zugleich die teilweise bizarr anmutenden Formen dieser kosmischen Strukturen besonders gut erkennen lassen.
Allerdings spielt der in solchen Nebeln konzentrierte ionisierter Wasserstoff auch eine bedeutende Rolle in der Astrophysik, denn er ist ein wichtiger Indikator für sogenannte Sternentstehungsgebiete. Sterne werden in kollabierenden Gaswolken ‚geboren‘ und können deshalb auch in erster Linie in derartigen Gaswolken beobachtet und untersucht werden. Dieser Umstand macht Emissionsnebel besonders für die Astronomen interessant, welche die Entstehung und die weitere Entwicklung von Sternen analysieren wollen.
Der Emissionsnebel Gum 19
Bei einer dieser Strukturen handelt es sich um den Emissionsnebel RWC 34, welcher allerdings eher unter der Bezeichnung Gum 19 bekannt ist. Letztere Bezeichnung geht auf den australischen Astronomen Colin Gum zurück, der im Jahr 1955 den von ihm erstellten Gum-Katalog veröffentlichte, in dem insgesamt 84 Emissionsnebel katalogisiert sind.
Der besagte Nebel Gum 19 befindet sich in einer Entfernung von etwa 22.000 Lichtjahren zu unserem Sonnensystem im Bereich des Sternbildes „Segel des Schiffs“ (lat. Name „Vela“) und kann auch von Amateurastronomen bereits unter der Verwendung von mittleren Teleskopen erfolgreich abgebildet werden.
Deutlich bessere Resultate sind allerdings bei der Beobachtung mit professionellen Teleskopen zu erreichen. Eine solche Aufnahme wurde jetzt am vergangenen Mittwoch von der Europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlicht. Das entsprechende Foto wurde mit dem Very Large Telescope (kurz „VLT“) am Paranal-Observatorium der ESO in den nordchilenischen Anden angefertigt und zeigt eine beeindruckende ‚rote Wolke‘ aus leuchtendem Wasserstoffgas hinter einer Ansammlung von blau leuchtenden Vordergrundsternen.
Innerhalb von Gum 19 befindet sich zudem eine Ansammlung von mehreren heißen und noch verhältnismäßig jungen Sternen im hellsten Bereich dieses Gasnebels. Bei einem der dort befindlichen Sterne handelt es sich um den zu der Klasse der Blauen Überriesen zählenden variablen Stern „V391 Velorum“, welcher über eine Oberflächentemperatur von bis zu 30.000 Grad Celsius verfügt.
Diese Sterne haben einen entscheidenden Einfluss auf den Nebel. Interstellares Gas, welches in der unmittelbaren Umgebung dieser Sterne einer starken ultravioletten Strahlung ausgesetzt ist, wird dort schlagartig erhitzt. Dieser Prozess hat zur Folge, dass dieses jetzt ionisierte Gas expandiert und dadurch bedingt auch das weiter außen liegende, allerdings deutlich kühlere Gas erreicht.
Sobald der erhitzte Wasserstoff den Rand der äußeren Gaswolke erreicht, wird dieser nochmals beschleunigt und schießt förmlich – wie der Inhalt einer entkorkten Sektflasche – noch weiter nach außen. Deshalb wird dieser Vorgang auch als „Champagner-Fluss“ bezeichnet. Allerdings hat die Sternentstehungsregion Gum 19 mehr zu bieten als nur ein paar prickelnde „Sektblasen“, denn es scheint dort mehrere Episoden der Sternentstehung innerhalb dieser Wolke gegeben zu haben.
Die Sicht auf die inneren Abläufe dieser „stellaren Kinderstube“, welche allerdings tief in diese Wolken eingebettet ist, wird durch gewaltige Mengen an interstellaren Staub innerhalb des Nebels versperrt. Charakteristisch für Gum 19 ist die extrem hohe Extinktion dieser Struktur, was bedeutet, dass fast das gesamte von dieser Region ausgehende Licht absorbiert wird, bevor es letztendlich die Erde erreicht. Obwohl sich die Konzentration der dort eingeschlossenen Sterne somit einem direkten Blick verweigert, können Astronomen mithilfe von Infrarotteleskopen durch den Staub hindurch blicken und diese Strukturen dabei näher untersuchen.
Ein solcher „Blick hinter das rote Leuchten“ enthüllt eine Vielzahl von jungen Sternen in dieser Region, welche jeweils nur über einen Bruchteil der Masse der Sonne verfügen. Diese Objekte scheinen sich hauptsächlich um mehrere ältere und zugleich massereichere Sterne zu konzentrieren, welche sich im Zentrum von Gum 19 angesammelt haben. In den Außenbereichen des Nebels sind dagegen nur wenige junge Sterne erkennbar. Aufgrund dieser ungewöhnlichen Verteilung vertreten die professionellen Astronomen die Meinung, dass es innerhalb der Materiewolke mehrere Phasen der Sternentstehung gegeben haben muss. Zuerst bildeten sich dort demzufolge drei größere Sterne, was wiederum die Bildung mehrerer weniger massereicherer Sterne in der Umgebung zur Folge hatte.
Das „Cosmic Gems“-Programm der ESO
Diese hier gezeigte und bereits am vergangenen Mittwoch von der ESO veröffentlichte Aufnahme des Emissionsnebels Gum 19 wurde mit dem FOcal Reducer and low dispersion Spectrograph (kurz „FORS“) des VLT im Rahmen des „Cosmic Gems“-Programms (übersetzt „kosmische Edelsteine“) der ESO erstellt.
Das Programm nutzt dabei hauptsächlich Beobachtungszeiten, während derer die Beobachtungsbedingungen nicht den strengen Ansprüchen einer wissenschaftlichen Arbeit genügen, um Aufnahmen von interessanten und zugleich faszinierenden Himmelsobjekten anzufertigen, welche anschließend in erster Linie für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Die Bilddaten sind anschließend im wissenschaftlichen Archiv der ESO frei zugänglich.
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