Deep Impact, Teil 2 und 3

Das Deep Impact-Team schlägt der NASA zwei neue Missionen vor, die weitere Erkenntnisse bringen und so die immer noch ziemlich wolkigen Informationen über Kometen in ein solides Bild zusammenfließen lassen sollen.

Autor: Axel Orth.

In den letzten fünf Jahren haben die drei Raumfahrtmissionen Deep Impact, Deep Space 1 und Stardust gänzlich neuartige Informationen über Kometen geliefert. Anstelle aber, wie erhofft, endlich die wahre Natur von Kometen zu enthüllen, haben die manchmal widersprüchlichen Daten dieser Missionen Wissenschaftler fast alles in Frage stellen lassen, was sie über diese faszinierenden und potenziell gefährlichen Objekte zu wissen glaubten.

Die drei kleinen Fundstellen von Wassereis auf „Tempel 1“, die mit einem Instrument an Bord von Deep Impact entdeckt wurden.
(Bild: NASA)

Nun schlägt das Team, das die spektakuläre Deep Impact-Mission schuf, zwei neue Missionen vor, die weitere Erkenntnisse bringen und so das immer noch ziemlich wolkige Wissen über Kometen in ein solides, konsistentes Bild zusammenfließen lassen sollen. Es soll geklärt werden, wie sich Kometen formten, wie sie sich entwickelten und welche Rolle sie möglicherweise bei der Entwicklung des Lebens auf der Erde spielten.

Beide Missionen würden auf der hoch erfolgreichen Deep Impact-Mission aufbauen, die im Juli 2005 ein weit über 300 Kilogramm massiges Kupfergeschoss auf den Kometen „Tempel 1“ stürzen und eine begleitende Raumsonde den Crash filmen ließ. Die gleißende Explosion beim Aufprall setzte in einer riesigen Wolke überraschend große Mengen des Kometeninneren frei und enthüllte so die flockige, nur schwach gebundene Struktur dieses Kometenkerns. Deep Impact war der erste aktiv eingreifende statt „nur“ passiv beobachtende Großversuch mit einem Kometen.

Die jetzt vorgeschlagenen neuen Missionen werden bisher als DeepR und DIXI bezeichnet. DeepR ist technisch als exakte Kopie von Deep Impact geplant, mit identischen Flyby- und Impactor-Sonden. Das Ziel dieser Mission soll allerdings nicht erneut „Tempel 1“ sein, sondern diesmal der Komet „67P/Churyumov-Gerasimenko“. Churyumov… Tschurjumov… Moment mal, diesen Namen haben wir doch schon einmal gehört?! Richtig, das ist jener Komet, zu dem die europäische Raumsonde Rosetta derzeit unterwegs ist und den sie ab 2014 über ein Jahr lang eingehend erforschen soll. Daher steht das „R“ in „DeepR“ auch für „Rosetta“.

DIXI heißt ausgeschrieben „Deep Impact eXtended Investigation“, stellt also die Erweiterungsmission von Deep Impact dar: Deren überlebendes „Flyby“-Raumfahrzeug mit seinen drei noch arbeitenden Instrumenten (zwei Kameras und ein Infrarotspektrometer) soll zu einem Vorbeiflug am Kometen „Boethin“ im Dezember 2008 genutzt werden.

Wie schon Deep Impact würden auch die beiden neuen Missionen unter der Federführung der Universität von Maryland (UMD) in Zusammenarbeit mit dem JPL der NASA und der Firma Ball Aerospace durchgeführt werden.

„Eine der großen Überraschungen der Kometenforschung ist das weite Spektrum der bisher fotografierten Kometenoberflächen“, sagte Michael A’Hearn von der UMD, Chef der Deep Impact-Mission, der für DIXI als Forschungsleiter und für DeepR als stellvertretender Forschungsleiter arbeiten würde. „Schon allein ‚Tempel 1‘, der bisher bestfotografierte aller Kometen weist eine schockierende Vielgestaltigkeit seiner Oberfläche auf. Es ist klar, dass diese verschiedenen Oberflächentypen sich auch unterschiedlich entwickelt haben müssen.“

Künstlerische Ansicht des Rendezvous‘ zwischen Rosetta, dem Lander Philae und dem Zielkometen.
(Illustration: ESA)

„Beide vorgeschlagenen Missionen sind sehr kosteneffektiv und versprechen, neue Ergebnisse zu liefern, die direkt mit den Ergebnissen von Deep Impact und auch Deep Space 1 und Stardust verglichen werden können“, betonte A’Hearn weiter.

Jessica Sunshine, außerordentliche Astronomie-Professorin der UMD, würde für DeepR als Forschungsleiterin und für DIXI als stellvertretende Forschungsleiterin arbeiten. Sie sagte: „Die neuen Missionen über zwei zusätzliche Kometen der Jupiter-Klasse werden uns helfen zu verstehen, welche Charakteristiken alle Kometen gemeinsam haben und welche mehr individuell ausgeprägt sind.“

A’Hearn, Sunshine und die anderen Wissenschaftler der UMD, die Teil der neuen Missionsteams sein würden, sagten ferner, dass man anhand der neuen Daten auch beurteilen könnte, welche Charakteristiken von Kometen immer noch ursprünglich sind, also den Zustand des sich formenden Sonnensystems von vor 4,5 Milliarden Jahren widerspiegeln, und welche das Ergebnis von Kräften sind, die in dieser Zeit auf einen Kometen einwirkten, wie etwa die langsamen Temperaturwechsel beim Umlauf um die Sonne, oder Einschläge anderer Himmelskörper.

Rosetta ergänzen

Die Vorstellung, dass eine europäische und eine amerikanische Mission zeitgleich den selben Kometen untersuchen, aber auf gänzlich verschiedene Weise, ist im ersten Moment faszinierend und beunruhigend zugleich. „Tschungenbrecher-Gerasimenko“ mag einen noch so unaussprechlichen Namen haben, trotzdem ist er jetzt doch irgendwie uns, den Europäern ans Herz gewachsen, und einen Klon von Deep Impact im Anmarsch zu wissen, weckt doch erstmal den Territorialinstinkt. Da ist es gut zu wissen, wie die Spezialisten der UMD sich ihre Mission eigentlich vorstellen.

Der Impactor von DeepR soll laut Planung am 29. Juli 2015 auf „67P/Churyumov-Gerasimenko“ (kurz C-G) einschlagen. Zu diesem Zeitpunkt wird Rosetta den Kometen bereits über ein Jahr untersucht und auch längst ihr Landemodul Philae abgesetzt haben. Der Einschlag von DeepR soll kurz vor dem Perihelion stattfinden, also dem sonnennächsten Bahnpunkt, den C-G im August 2015 erreicht. Rosetta wird ihre Untersuchungen anschließend noch mindestens bis Dezember 2015 fortsetzen.

Die Kollision soll wie schon bei „Tempel 1“ Material aus dem Kometeninneren sprengen, das dann mit dem kombinierten Instrumentensatz von beiden Raumsonden, Rosetta und DeepR, aus einander ergänzenden Blickwinkeln gleichzeitig durchleuchtet werden könnte. Außerdem hätte Rosetta die einmalige Möglichkeit, die Entwicklung der Eis- und Staubwolke sowie des Einschlagskraters noch monatelang weiter zu verfolgen – eine bestechende Vorstellung.

„Das DeepR-Experiment wird der mehr als 1 Milliarde Dollar teuren Rosetta-Mission der ESA mit ihren 11 Orbiter- und 10 Lander-Experimenten zum Durchbruch verhelfen und das bisher umfassendste Wissen über einen Kometen überhaupt liefern“, sagte Jessica Sunshine. Ob die Staubwolke von der Explosion Rosetta womöglich auch beschädigen könnte, ist bislang allerdings nicht bekannt. Für Philae besteht die Gefahr, beim Einschlag zerstört zu werden, in jedem Fall – allerdings sollte deren Mission zum Einschlagszeitpunkt ohnehin längst abgeschlossen sein.

Der Wettbewerb der zahlreichen Missionsvorschläge um die Anerkennung als tatsächlich durchgeführte NASA-Missionen geschieht in zwei Schritten. Die erste Runde wird im September dieses Jahres stattfinden. Falls DeepR diese Runde überstehen sollte, würde das Team eine neue, größere Konzeptstudie entwerfen, die die NASA in einem zweiten Auswahlprozess dann endgültig beurteilen würde.

Ein zwei Mikrometer großes Partikelchen aus der Stardust-Ausbeute. Es besteht aus dem Silikatmineral Forsterit, das auf der Erde in Edelsteinen namens „Peridot“ vorkommt.
(Bild: NASA)

Deep Impact recyceln

„Die Unterschiede zwischen ‚Tempel 1‘ und dem wesentlich jüngeren ‚Wild 2‘, den Stardust besucht hatte, sind offensichtlich“, sagte A’Hearn. „Nun, Deep Impacts ‚Flyby‘-Teil und dessen Instrumente sind immer noch voll einsatzfähig. Wir schlagen vor, diese Raumsonde zu einem Vorbeiflug am Kometen ‚Boethin‘ im Dezember 2008 zu schicken, um mit denselben Instrumenten wie bei ‚Tempel 1‘ zu untersuchen, ob die Ergebnisse von ‚Tempel 1‘ einzigartig waren oder bei einem anderen Kometen mit ähnlicher Entstehungsgeschichte wiederholt werden können. Die Hälfte der Daten von ‚Tempel 1‘ stammten von der ‚Flyby‘-Raumsonde, somit könnte DIXI bei ‚Boethin‘ immerhin halb so viele Daten liefern wie damals Deep Impact, und das für weniger als 10 Prozent der Kosten“, sagte er. „Unter dem Aspekt der Kosteneffektivität ist eine erweiterte Mission wie DIXI unschlagbar.“ Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass DIXI natürlich keinen neuen Impactor auf „Boethin“ stürzen lassen kann.

Die Entscheidung der NASA für oder gegen DIXI wird ebenfalls für September 2006 erwartet.

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