Eine Gruppe von Astronomen konnte bei Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO in den Nachwirkungen einer Supernova die Bildung von Sternenstaub untersuchen. Hierbei zeigte sich, dass sich die Staubkörner in dieser kosmischen Staubfabrik in einem zweistufigen Prozess bilden, welcher bereits kurz nach der Explosion beginnt, aber noch Jahre lang andauert. Die Ergebnisse lassen zudem auf überraschend große Staubpartikel schließen, welche die auftretenden zerstörerischen Einflüsse überstehen können.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESO, NASA.
Viele Galaxien sind von großen Mengen an interstellarem Staub durchsetzt. Dieser Staub besteht hauptsächlich aus Silizium- und Graphitpartikeln – Mineralien, welche auch auf der Erde in großen Mengen zu finden sind. Der Ruß einer Kerze ist dem kosmischen Staub sehr ähnlich. Allerdings verfügen Rußpartikel typischerweise über die zehnfache Größe der kosmischen Staubpartikel.
Dieser interstellare Staub nimmt bei der Entstehung von Sternen und bei der Bildung von Planeten innerhalb der so genannten protoplanetaren Scheiben, welche noch relativ ‚junge‘ Sterne umgeben, eine entscheidende Rolle ein. Hierbei muss sich dieser Staub jedoch zu größeren Brocken verbinden.
Wie entsteht ‚kosmischer Staub‘?
Der Ursprung des kosmischen Staubs stellt immer noch eines der großen ungelöstes Rätsel der Astrophysik dar. Astronomen gehen jedoch allgemein davon aus, dass insbesondere im frühen Universum Supernovae die Hauptquelle für diesen Staub darstellten. Allerdings war die Beweislage für die Staubproduktionsfähigkeit von Supernovae bisher eher dünn. Außerdem konnten durch solche Sternexplosionen die großen Mengen an Staub, welche speziell in jungen Galaxien beobachtet werden, bisher nicht ausreichend erklärt werden.
Zudem ist immer noch unklar, wie und wo die dabei erzeugten Staubkörner entstehen. Die dabei gegebenen ‚kosmischen Umweltbedingungen‘ müssen eine Kondensation der Staubpartikel ermöglichen und außerdem sicherstellen, dass diese anschließend zu einer Größe anwachsen können, welche es ermöglicht, einer durch die destruktiven Eigenschaften der rauen Umgebung einer Galaxie mit aktiver Sternentstehung bedingten Zerstörung entgehen zu können. Zum Beispiel hochenergetische Strahlung, hohe Temperaturen oder auch Kollisionen untereinander können die zuvor gebildeten Partikel wieder aufbrechen.
Tatsächlich ließen sich in der Vergangenheit in den Überresten von Supernovae-Explosionen große Mengen an Staub nachweisen. Wie diese Staubpartikel allerdings im Detail entstanden sind und wie sie anschließend ‚überleben‘ können, ist dagegen noch nicht ausreichend erklärt. Durch neue Beobachtungsergebnisse könnte sich dies jetzt allerdings ändern.
Die Supernova SN2010jl
Ein internationales Astronomenteam hat eine mit dem Namen „SN2010jl“ belegte Supernova in den Monaten nach ihrer Entdeckung neun Mal mit dem X-Shooter-Spektrografen des Very Large Telescope (VLT), welches sich am Pananal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den nordchilenischen Anden befindet, im sichtbaren und im infraroten Spektralbereich beobachtet. Eine zehnte Beobachtungskampagne, bei der das langsam schwindende Licht der Supernova erneut analysiert wurde, erfolgte zweieinhalb Jahre nach der Sternexplosion.
Die ungewöhnlich helle Supernova SN2010jl – im Bereich des sichtbaren Lichtes verlief sie etwa zehn mal leuchtstärker als eine typische Supernova – ereignete sich in der unscheinbaren Zwerggalaxie UGC 5189A, welche sich in einer Entfernung von rund 160 Millionen Lichtjahren im Bereich des Sternbildes Löwe befindet. Entdeckt wurde die kurz darauf als eine Supernova des „Typ IIn“ klassifizierte Sternexplosion am 3. November 2010. Nachfolgende Abgleiche mit vorherigen Beobachtungen der gleichen Himmelsregion führten zu dem Ergebnis, dass der Ausbruch bereits mehrere Wochen zuvor Anfang Oktober 2010 begann.
Supernovae vom Typ II entstehen bei der gewaltigen Explosion eines Sterns mit mindestens acht Sonnenmassen. Der Untertyp IIn – das „n“ steht hierbei für „narrow“, also schmal – zeigt in seinem Spektrum schmale Wasserstofflinien. Diese Linien sind das Resultat einer Wechselwirkung zwischen dem Material, welches von der Supernova abgestoßen wird und dem Material, das den Stern bereits vor der Explosion umgeben hat.
„Indem wir die Daten der ersten neun Beobachtungen kombinierten, konnten wir die erste Messung der Absorption verschiedener Wellenlängen im Staub um eine Supernova durchführen“, so Christa Gall von der Universität Aarhus/Dänemark, die Erstautorin eines Fachartikels über die entsprechenden Messungen. „Hierdurch konnten wir mehr über diesen Staub herausfinden, als uns bisher möglich war.“
Die an der Kampagne beteiligten Astronomen stellten fest, dass die Staubbildung demzufolge bereits kurz nach der Explosion des Sterns beginnt und sich anschließend über einen längeren Zeitraum fortsetzt. Die neuen Messungen zeigten auch, wie groß die Staubkörner sind und woraus sie bestehen. Diese Entdeckungen gehen einen Schritt weiter als die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse des Radioteleskopverbundes Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (kurz „ALMA“), laut denen die Überreste der Supernova 1987A große Mengen von frisch gebildeten Staub enthalten (Raumfahrer.net berichtete).
Unerwartet große Staubpartikel
Eine der größten offenen Fragen des in diesem Zusammenhang veröffentlichten Fachartikels war, wie die Staubkörner die zerstörerische Umgebung in den Überresten von Supernova 1987A und von Supernovae allgemein überstehen können. Bei der Auswertung der gewonnenen Daten von der Supernova SN2010jl kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass sich in dem verhältnismäßig dichten Material, welches den ursprünglichen Stern umgibt, ungewohnt große Staubkörner bilden.
Diese verfügen über Durchmesser von mehr als einem tausendstel Millimeter. Obwohl sie damit für ‚menschliche‘ Verhältnisse immer noch winzig sind, fallen sie für kosmische Staubteilchen doch überraschend groß aus. Diese ‚Größe‘ wiederum macht sie zugleich auch bis zu einem gewissen Grad resistent gegenüber den destruktiven Prozesse, welche sich in der Umgebung einer Supernova abspielen.
„Unser Nachweis großer Staubkörner kurz nach der Supernovaexplosion bedeutet, dass es einen schnellen und effizienten Prozess geben muss, in deren Rahmen sie sich bilden“, ergänzt Jens Hjorth vom Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen in Dänemark, einer der an der Publikation beteiligten Koautoren. „Wir verstehen allerdings noch nicht genau wie das eigentlich passiert.“
Die Astronomen glauben allerdings zu wissen, woraus sich der Staub gebildet haben muss – nämlich aus dem Material, welches der Stern noch vor seiner Explosion in die Umgebung abgestoßen hatte, und das ihn daraufhin wie ein Kokon umgeben hat. Als die Schockwelle der Supernova expandierte, traf sie auf diese Staubhülle und verdichtete diese. Eine auf diese Weise erzeugte relativ kühle und zugleich dichte Hülle aus Gas ist die Art einer ‚kosmischen Umgebung‘, in der Staubkörner zunächst kondensieren und anschließend ‚wachsen‘ könnten.
Staubbildung in zwei Phasen
Die Ergebnisse der Beobachtungen deuten außerdem darauf hin, dass der Bildungsprozess lange anhält und zudem in einem zweiten Schritt – beginnend nach einigen hundert Tagen – ein beschleunigter Prozess der Staubbildung stattfindet, an dem dann auch Material, welches direkt bei der Supernova-Explosion abgegeben wird, beteiligt ist. Wenn die Staubproduktion in SN2010jl auch weiterhin dem bisher beobachteten Trend folgt, so wird die gesamte Staubmasse in der Umgebung von SN2010jl etwa 25 Jahre nach der Supernova-Explosion ungefähr der halben Masse der Sonne entsprechen. Dies entspricht in etwa der Menge an Staub, welche auch bei anderen Supernovae wie zum Beispiel SN 1987A zu beobachten ist.
„Bisher haben Astronomen viel Staub in den Überresten von Supernovae gefunden, der erst nach der Explosion entstanden ist. Allerdings haben sie auch Beweise für kleine Mengen an Staub gefunden, die tatsächlich in der Supernovaexplosion selbst entstanden sind. Diese beachtlichen neuen Beobachtungen erklären, wie dieser scheinbare Widerspruch gelöst werden kann“, so Christa Gall.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 9. Juli 2014 von Christa Gall et al. unter dem Titel „Rapid formation of large dust grains in the luminous supernova SN 2010jl“ in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert.
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Fachartikel von Christa Gall et al.:
- Rapid formation of large dust grains in the luminous supernova SN 2010jl (vollständiger Artikel, engl.)