Vor einigen hundert Jahren war die allgemeine Auffassung von der Natur und Entwicklung des Himmels von der Kirche vorgegeben: Göttliche Vollkommenheit stand bei der Erschaffung der Welt Pate. Als eine Konsequenz daraus mussten also auch Struktur und Form der Himmelskörper den Ansprüchen der Perfektion genügen. Astronomen des Altertums gingen lange davon aus, in den Himmelskörpern die Abbildungen perfekter geometrischer Formen, wie beispielsweise Kreise, beobachten zu können.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Lars-C.Depka.
Abgesehen davon, ob und inwieweit beim Anfang der Welt ein höherer Plan eine Rolle gespielt haben mag oder nicht, blicken wir auch heute noch auf Sterne, Planeten oder Monde als kugelförmige Objekte, wenn auch nicht mehr ganz mit den Präzisionsvorstellungen früherer Zeiten.
Eine gänzlich andersartige Erscheinungsform nehmen allerdings die kleineren Himmelskörper wie Kometen oder Asteroide ein, die häufig eine irreguläre Struktur aufweisen. Hin und wieder werden sie gar als kosmische Kartoffeln tituliert (wie beispielsweise der Marsmond Phobos).
Doch warum ist das so? Welche Voraussetzungen spielen bei der Form, die ein Himmelsobjekt einmal einnehmen wird, eine entscheidende Rolle?
Sein zukünftiges Erscheinungsbild wird von zwei wesentlichen Faktoren bestimmt. Zum einen von dem Verhältnis zwischen der Gravitation und der Festigkeit des Körpers, zum anderen von seinem Rotationsimpuls. Kleinere Körper wie Asteroide beispielsweise verfügen aufgrund ihrer geringen Masse über eine bedeutungslose Gravitation, die nicht in der Lage ist, die größeren Silikatanteile oder schwereren Elemente im Kern in eine kugelförmige Gestalt zu zwingen.
Um eine sphärische Gestalt zu erreichen, ist die Erlangung des sogenannten hydrodynamischen Gleichgewichts erforderlich. Grundsätzlich bezeichnet es ein Gleichgewicht zwischen Gravitation und Auftrieb, allgemeiner betrachtet ist es der Ausgleich einer Kraft und eines Druckgradienten, also das Verhältnis von Druckdifferenz und dem Abstand zweier Punkte. Erst die signifikant erhöhte Masse und Gravitation größerer Monde und Planeten ermöglicht die vermeintlich perfekte Kugelform. Unabhängig von der materiellen Zusammensetzung eines Körpers ist jedoch gleichzeitig auch ein Durchmesser von wenigstens einigen hundert Kilometern notwendig, um eine kugelförmige Erscheinungsform zu etablieren, wie es die beiden größten Asteroiden des Hauptgürtels, Vesta und Ceres, vormachen.
Dabei kann eine Art Abhängigkeitsverhältnis oder Kausalität zwischen Masse und unebenen Oberflächenmerkmalen – die einer perfekten Kugel entgegenstehen – verzeichnet werden. Wie auch auf der Erde, lassen sich auf Oberflächen ferner Planeten ebenfalls Berge oder Täler beobachten. Ihre Ausformungen gehen jedoch analog mit höherer Gravitation deutlich zurück. Je massereicher also ein kosmisches Objekt, umso kleiner sind beispielsweise seine Berge. Der virtuell auf die Oberfläche eines Neutronensterns mit typischerweise einem Durchmesser von wenigen Dutzend Kilometern und 1,4- bis 3-facher Sonnenmasse versetzte Mount Everest wäre dort mit einer Maximalhöhe von weniger als zwei Zentimetern alles andere als imposant anzusehen.
Die Rotation ist das zweite wesentliche Kriterium, welches die Gestalt eines Körpers beeinflusst. Sie ist im Gegensatz zur reinen Translation nicht als Bewegung, die den Schwerpunkt des Körpers durch den Raum bewegt, zu verstehen, sondern ist vielmehr eine Bewegung des Körpers um seine Rotationsachse. Die Punkte, die auf dieser Achse liegen, bleiben auf ihr, alle anderen Punkte bewegen sich mit einer Geschwindigkeit, die sich proportional zur Entfernung von der Achse verändert, auf einer Kreisbahn. Die (Rotations-)Achse kann sich dabei im Körper selbst befinden, was zu einer Eigenrotation führt (Rotation um die eigene Achse), oder vom Körper entfernt liegen, was dann als Rotationssystem bezeichnet wird (Rotation um eine gemeinsame Achse). Ursache für die Rotation ist in jedem Fall jedoch die Einwirkung eines Drehmomentes aus der Anfangszeit des Sonnensystems.
Der Asteroid (216) Kleopatra etwa beschreibt bei einer mittleren Dichte von etwa 3,5 g/cm3 eine volle Rotation in weniger als 5,5 Stunden, was ihn inzwischen zu einem Hundeknochen mit den Ausmaßen 217 x 94 x 81 km auseinandergezogen hat.
Doch auch die großen Planeten des Sonnensystems sind nicht ganz immun gegen den Einfluss ihrer eigenen Rotation. Denn je höher seine Rotationsgeschwindigkeit, umso größer wird der Planetenumfang am Äquator und umso abgeplatteter wird er an seinen Polen. Dieser Effekt ist selbst bei unserer Erde zu beobachten, deren Durchmesser über den Polen um 24,7 km kleiner als der um den Äquator ist. Der Abstand vom Erdmittelpunkt zum Äquator beträgt ca. 6.378 km, bis zum zu den Polen ist es von der gleichen Stelle aus gemessen nur etwa 6.353 km weit. Doch auch das Ellipsoid ist nur die nächstbessere Annäherung an die wahre Gestalt der Erde. Denn natürlich ist auch die Oberfläche der Erde nicht ebenmäßig, sondern variiert in ihren Extremen von der tiefsten Stelle unter den Ozeanen (der Witjastiefe 1) bis hoch zum Gipfel des Mount Everest um mehr als 18 km. Und selbst, wenn wir uns bei der Betrachtung der Erde und ihrer Form nur auf die Ozeane bezögen, die ja immerhin rund zwei Drittel der Erdoberfläche ausmachen, gibt es kein perfektes „Normalnull“ oder Ellipsoid.
Heute weiß man sehr genau von lokalen Bergen und Tälern selbst auf der Meeresoberfläche. Zwischen der am tiefsten gelegenen Meeresoberfläche im Indischen Ozean und dem höchsten Berg der Weltmeere im Atlantik gibt es immerhin einen Höhenunterschied von 200 Metern, was bedeutet, dass zumindest der höchste Berg Schleswig-Holsteins um knappe, aber durchaus beeindruckende 20% an Höhe übertroffen wird. Unterschiedliche Massenverteilungen im Erdinneren sind für die deformierten Wasseroberflächen verantwortlich.
Unser Heimatplanet ist also wohl auch eher eine unförmige Kartoffel mit zahllosen Dellen, Erhebungen, Bergen und Tälern. Wer könnte da also noch von einer perfekten Kugel sprechen? Was eben aus der Ferne betrachtet durchaus noch als Kugel durchgehen kann, entpuppt sich bei genauem Hinsehen, wie Phobos auch, als Erdapfel, oder vielleicht Sphäroid, wenn man denn die mutmaßlich etwas aufgeklärtere Typisierung bevorzugen wollte.