Das Jahrhundert der Raumfahrt

Warum es im 21. Jahrhundert zum Aufbruch ins All kommen wird. Ein Essay von unserem Gastautor Detlef Köhler.

Ein Beitrag von Raumfahrer.net Gastautor. Quelle: Detlef Köhler.

Raumfahrt ist heute den meisten Menschen ein Begriff. Viele können zumindest damit assoziieren, dass Wettervorhersagen, Fernsehempfang, die Zielführung per Navigationsgerät oder das Telefongespräch aus dem Urlaub über Kontinente hinweg auch damit zu tun haben müssen, dass „weit oben im Weltraum“ etwas kreist, das uns bei all diesen Dingen behilflich ist. Dass wir dort etwas stationiert haben, welches uns – ohne dass wir davon groß Notiz nehmen – das Leben allgemein erleichtert und die Lebensqualität erhöht. Selbst das mittlerweile allgegenwärtige weltumspannende Internet wäre heute ohne stabile Satellitenverbindungen nicht mehr realisierbar (Unterseekabel sind dafür nicht mehr ausreichend).
Doch was hat das alles wirklich mit Raumfahrt zu tun? In der nominellen Bedeutung des Wortes? Genau genommen eigentlichen recht wenig.

Wie das? Wo wir doch jedes Jahr allein in Europa mehr als 2 Milliarden Euro im Budget der europäischen Raumfahrtorganisation ESA dafür ausgeben! Wo doch selbst Staaten wie Brasilien, Indien, Korea, Japan oder China ähnlich große Summen dafür aufwenden, Raketen zu starten, Satelliten im Orbit zu platzieren und Taikonauten ins All zu schicken. Wo es doch sogar eine weltweit einmalige Kooperation im Orbit gibt, die dort oben eine Struktur geschaffen hat, welche als ständig bemannter Außenposten der Menschheit im Weltraum dient: ISS – die internationale Raumstation! Deren erfolgreicher Betrieb über Jahre und bald auch Jahrzehnte überdies allen zeigt, dass es durchaus möglich ist, weltweit friedlich über Kulturkreise hinweg zusammenzuarbeiten. Auf der ISS arbeiteten und arbeiten Astronauten aus mehr als 15 Ländern unseres Planeten und leisten dort wichtige Grundlagenforschung. Sie beantworten damit Fragen wie diese:Wie vertragen wir Schwerelosigkeit? Kurzzeitig sehr gut (da macht sie sogar Spaß!), längerfristig jedoch überhaupt nicht. Wie können wir dort oben autark überleben? Da gibt es trotz der widrigen Bedingungen des Weltraum mittlerweile viele Möglichkeiten. Das Wichtigste bei der Arbeit der Astronauten ist jedoch die Forschung an Experimenten, die uns neue Materialien, neue Medikamente oder neue Technologien ermöglichen, welche man nur im Zustand der Mikogravitation entwickeln und testen kann.

Detlef Köhler, WeltraumTouristik.de, 2012
Start zur ISS – ATV3 Eduardo Amaldi am 23. März 2012 kurz vor dem Abheben.
(Bild: Detlef Köhler, WeltraumTouristik.de, 2012)

Dass bei all dieser und ähnlicher Forschung in den mehr als 50 Jahren menschlicher Präsenz im Orbit der Erde mittlerweile für jeden von uns ein erheblicher Nutzen entstanden ist, dem wir sogar viele Dinge des Alltags verdanken, sei nur am Rande erwähnt. Hier einige Beispiele von Produkten, die es ohne die bemannte Raumfahrt vermutlich so nicht geben würde:

Taschenrechner, Klettverschluss, Mobiltelefon, Satellitenfernsehen, Radialreifen (hat heute praktisch jedes Auto), Akkuschrauber, gefriergetrocknete Nahrungsmittel (z.B. 5-Minuten-Terrine), Quarzuhren, Solarzellen (Stromerzeugung), Brennstoffzellen, Satellitenbilder (z.B. GoogleEarth, WorldWind), verspiegelte Sonnenbrillen, weltweite Wettervorhersagen (Urlaubswetter), Rauchmelder, flexible Brillengestelle (Memorylegierungen), Behandlung des Augeninnendrucks (entwickelt auf einer Raumstation), Nierensteinzertrümmerer (ohne OP), schussfeste Sicherheitswesten (aus Kevlar), Superkacheln (bis 2700 °C, z.B. für Bremsscheiben im ICE), Aerogel (z.B. für Expeditionskleidung bis -50 °C), Pit-Stop-Anzüge (Hitzeschutzanzüge), Hochdrucktanks (aus unbrennbaren Nomex für die Gasversorgung). Alle diese Dinge wurden zuerst für die Raumfahrt entwickelt und haben danach in unseren Alltag Einzug gehalten. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen und unsere in die Raumfahrt investierten Steuergelder haben sich demzufolge gut amortisiert …

Und doch ist das, was wir gerade auf der ISS betreiben oder das, was die Chinesen heute in ihrer eigenen Raumstation Tiangong machen, zwar sehr wichtig im Hinblick auf die prinzipiellen Lebensmöglichkeiten im Weltraum – aber keine Raumfahrt im eigentlichen Sinne des Wortes. Denn es findet alles nur im Orbit der Erde statt. Auch wenn dafür oft – um den Nutzen besser heraus zu stellen – der Terminus „Raumfahrt für die Erde“ verwendet wird. Denn echte bemannte Raumfahrt hat bisher nur sehr wenig stattgefunden: 9 Expeditionen vor mehr als 40 Jahren – als Menschen zum Mond geflogen sind. Denn nur auf diesen Flügen haben wir uns bisher so weit in den eigentlichen Weltraum hinaus gewagt, dass man es Raumfahrt nennen könnte. Alle anderen lediglich auf den Orbit der Erde beschränkten Flüge verdienen die Bezeichnung Raumfahrt eigentlich nicht, weil es mit Exploration des Weltraums wenig zu tun hat. Das wäre etwa so, als würde man die ersten Flugversuche Lilienthals im 19. Jahrhundert mit Luftfahrt gleichsetzen. Heute jedoch erreicht die Luftfahrt bis auf wenige Ausnahmen jeden Punkt der Erde. Raumfahrt verdient diese Bezeichnung als solche also erst dann, wenn wir viele entfernte Punkte im Weltraum erreichen – oder dazu zumindest technologisch in der Lage sind, also bei Bedarf einfach los fliegen könnten.

Könnten wir das heute schon – und vor allem: Welchen Sinn sollte das haben? In ihren Anfängen und insbesondere zu Zeiten des kalten Krieges hatte die Raumfahrt vor allem einen Sinn: Militärische Nutzung. Ein wenig diente sie jedoch auch der Forschung und in diesem Zusammenhang zu einem gewissen Teil auch dem Prestige im Konkurrenzdenken der politischen Systeme von UdSSR und USA. Raketenbauer und Ingenieure durften gern ihre kühnen Pläne von Flügen zu Mond und Mars vorstellen und teilweise auch verwirklichen – wenn sich ihre Raketen gleichzeitig mit nuklearen Sprengköpfen bestücken ließen oder Aufklärungssatelliten in polare Orbits schießen konnten. So entstand der Wettlauf zum Mond und so entstanden die oben erwähnten 9 Expeditionen zum uns nächsten Himmelskörper, den bisher nur ganze 12 Menschen betreten haben – letztmalig 1972. Warum war seitdem niemand mehr dort? Warum gibt es gegenwärtig nur 2 Raumstationen (eine ziemlich große und eine sehr kleine) ganz nahe an der Erde? Warum haben sich all die hochfliegenden Vorhersagen aus den Anfangsjahren der Raumfahrt im 20. Jahrhundert nicht erfüllt (z.B. die der Besiedlung von Mond und Mars)? Weil es bis jetzt keine Notwendigkeit gab, weiter weg als in 400 km Höhe über die Erde zu fliegen. Denn was wir wissen wollen, kann man nach vorherrschender europäischer Forschungsdoktrin im Computerzeitalter doch problemlos mit Satelliten, ferngesteuerten Weltraumteleskopen und automatischen Raumsonden erforschen. Diese konnten ja wirklich auch vor allem in den letzten 20 Jahre eine aufsehenerregende Erfolgsbilanz vorweisen. Hier ein kleiner Abriss dessen, was wir ohne sie nicht wissen würden:

  • wie die Rückseite des Mondes aussieht
  • dass es auf der Venus Schwefelsäure regnet und 460 °C heiß ist
  • dass der Mars Wasser hat (Leben?)
  • dass es auf dem Jupitermond Io tätige Vulkane gibt
  • dass der Jupitermond Europa einen Ozean unter seiner Eisdecke hat (Leben?)
  • dass es auf dem Saturnmond Titan Flüsse und Seen aus Methan gibt (Leben?)
  • dass es mehr als 800 extrasolare Planeten gibt (darunter mindestens drei mal eine „zweite Erde“
  • dass uns relativ viele Asteroiden gefährlich werden könnten
  • das die Strahlung unserer Sonne nicht konstant ist
  • dass es gefährliche Gammastrahlenblitze aus den Tiefen des Alls gibt
  • wie alt das Weltall ist (knapp 14 Milliarden Jahre)

All diese Erkenntnisse verdanken wir der bisherigen Exploration des Alls mit Teleskopen im Weltraum (z.B. Hubble, Corot, Kepler, Herschel, Planck), Raumsonden und Landern (z.B. Venera, Opportunity, Mars Express, Galileo, Huygens, Stereo) und nicht zuletzt auch der Tätigkeit von Astronauten (auf Mondlandungen und in Raumstationen). Die weitestgehend automatisierte ferngesteuerte Raumfahrt mit Automaten hat unser Weltbild in den letzten 50 Jahren nahezu auf den Kopf gestellt! Auch hier wurden die Steuergelder also gut eingesetzt. Außerdem wird weltweit weiter an Raumsonden und Weltraumteleskopen geplant und gebaut – warum sollten dann überhaupt noch Menschen ins All fliegen? Warum etwas tun, das ohnehin sündhaft teuer ist und die Steuerzahler Milliarden kostet, welche man doch sicher besser „anlegen“ könnte?

NASA/SpaceX, 2012
Ein Meilenstein zum neuen Aufbruch ins All – der erste Flug des privaten Unternehmens SpaceX zur ISS.
(Bild: NASA/SpaceX, 2012)

Weil es ganz anders kommen wird, als es im 20. Jahrhundert vorhersehbar war oder wie es die heutigen politischen Doktrinen erlauben. Denn die entscheidende Wende bei der Exploration des Weltalls erleben wir gerade jetzt: Raumfahrt im 21. Jahrhundert wird demnächst weniger von Staaten, sondern mehr von privaten Unternehmen betrieben! Dass dies dann auch noch wesentlich effizienter und preiswerter geht, hat z.B. die Firma SpaceX unlängst bewiesen. Sie haben beim Flug ihrer Dragon-Kapsel zur ISS den orbitalen Kilopreis nahezu um den Faktor 10 gesenkt und er wird weiter fallen, wenn die Raumfahrt nicht mehr ausschließlich aus Steuermitteln finanziert wird und davon nicht auch noch ihr heute gewachsener bürokratischer „Wasserkopf“ mit ernährt werden muss. Unternehmen wie SpaceX, Bigelow Aerospace, XCOR, Blue Origin oder Planetary Resources werden die Raumfahrt zu neuen Zielen führen. Stichworte dafür sind beispielsweise Bergbau auf dem Mond und auf Planetoiden, solare Orbitalkraftwerke oder der gerade beginnende Weltraumtourismus. Es sind ökonomische und ökologische Notwendigkeiten, die uns ins All treiben werden!

Wenn z.B. weiterhin in Zukunft dann 9 Milliarden Menschen alle zwei Jahre ein neues Mobiltelefon oder einen neuen Tablet-PC haben möchten, werden die Vorräte an seltenen Erden schnell erschöpft sein – auf der Erde. Nicht jedoch auf tausenden für das Astromining in Frage kommenden Planetoiden und Asteroiden. Zwar wird Recycling zukünftig eine bedeutendere Rolle spielen – den weltweiten Bedarf aber letztlich nicht decken können. Das betrifft auch andere Materialien, die wir z.B. für Solarzellen oder die Akkus von Elektrofahrzeugen benötigen. Selbst Kupfer wird knapp – vom Öl ganz zu schweigen. Wirtschaftliches Wachstum ohne eine extensive Nutzung der unerschöpflichen Vorräte an Rohstoffen aller Art im Weltall – in Zukunft kaum vorstellbar. Um sie zu nutzen, werden noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Tiefraum-Expeditionen starten – privat finanziert und ausgerüstet. Bei diesen Vorstößen ins Sonnensystem wird natürlich auch ein großer Teil nützliche Forschung „abfallen“ und der Erkenntnisgewinn über das solare System enorm sein.

Die Erkenntnis, dass der Mensch dabei letztlich vor Ort auf dem Mond oder den auszubeutenden Planetoiden unabdingbar ist, wird sich auch dabei schon sehr bald durchsetzen. Ein Beispiel: Schon jetzt ist klar geworden, dass die Forschungsergebnisse, die wir den Marsrovern Spirit und Opportunity zu verdanken haben, zwar wirklich bahnbrechend sind – aber es vergleichsweise ewig gedauert hat, bis man sie gewonnen hatte (nämlich mehr als 5 Jahre). Ein Mensch vor Ort auf dem Mars hätte die gleichen Experimente und Untersuchungen so ziemlich genau in einem halben Tag vornehmen und seine Schlussfolgerungen daraus ziehen können. Dass sich Wirtschaftsunternehmen bei der Exploration des Alls deshalb ausschließlich auf die vergleichsweise ewig dauernde jahrelange Untersuchung eines Planetoiden mit automatischen Sonden verlassen werden, ist unwahrscheinlich – denn hier gilt das Gesetz time is money. Außerdem ist der Mensch nach wie vor jeder noch so gut programmierten Software oder jedem ausgeklügelten Expertensystem an Bord eines automatischen Raumflugkörpers in Flexibilität, Intuition und vor allem seiner Neugier überlegen und deshalb unersetzbar. Das wissen private Raumfahrtunternehmen sehr genau. Alles Gegenteilige, das z.B. gern politische Vertreter staatlicher Raumfahrtagenturen zu diesem Thema kommunizieren, sind lediglich Bedenkenträgerargumente. Denn der Mensch im All ist der allerbeste Explorer, den es gibt.

Wenn irgendwann in diesem Jahrhundert dann die ersten extraterrestrischen Basen auf dem Mond, dem Mars oder einem auszubeutenden Planetoiden errichtet worden sind, kommt das einer Besiedlung des Weltraums gleich. Die Raumfahrt macht dann ihrem Namen auch endlich alle Ehre. Denn es wird in jedem Fall wirtschaftlicher sein, wenn die Raumfahrer nicht wieder zur Erde zurück kehren. Das wird maximal im Einzelfall so sein und es werden deshalb an vielen Punkten im Sonnensystem menschliche Niederlassungen entstehen. Dass dies auch technisch im Bereich des Machbaren liegt, ist bereits jetzt erkennbar.

Im 21. Jahrhundert wird sich die Antriebstechnologie von Raumflugkörpern weiter weg bewegen von rein chemisch-thermischen Raketen hin zu alternativen Antriebssystemen wie Ionenantrieb, solaren Segeln, Lasersegeln oder vielleicht sogar neuartigen nuklearen Triebwerken. Diese sind im Weltraum einfacher und vor allem ungefährlicher zu realisieren als z.B. ein Fusionsreaktor auf der Erde. Dann schmelzen die langen Reisezeiten, die bisher durch energiesparende Hohmannbahnen und jahrelange Swing-bys an anderen Himmelskörpern diktiert werden, von Monaten und Jahren auf Tage und Wochen.

Auch alle mit einem permanenten Aufenthalt des Menschen im All einher gehenden Gefahren sind heute bereits beherrschbar. An dieser Stelle nur kurz drei Beispiele: Die gefürchteten Phasen langer Schwerelosigkeit (auf monate- oder jahrelangen Raumflügen durch das Sonnensystem) wird man durch eine simple Konstruktion umgehen: Zwei redundante Raumschiffe werden – verbunden durch ein mehrere Kilometer langes Seil aus Kohlenstoffnanoröhren – gemeinsam auf die Reise geschickt. Das System wird in Drehung versetzt, so dass durch die Fliehkraft an Bord Schwerkraftersatz entsteht. Die Rotationsfrequenz wird so gewählt, dass die Astronauten genau 1G (wie auf der Erde) verspüren. Medizinische Probleme der Schwerelosigkeit? Nicht mehr existent (an Seilen aus Kohlenstoffnanoröhren wird bereits erfolgreich geforscht). Ein anderes existenzielles Problem ist die notwendige autarke Versorgung der Raumfahrer. Dies ist dank der Grundlagenforschung, die man z.B. auf der ISS betreibt, in greifbare Nähe gerückt. Man weiß mittlerweile, wie man Tomaten unter Weltraumbedingungen wachsen lassen kann, dass man Blüten am besten durch Hummeln bestäuben lässt, wie man Wasser komplett recycelt oder Luft regeneriert – all das auch so, dass sich damit Monate oder gar Jahre autark überbrücken lassen. Ein weiteres existenzielles Problem sind die kosmische Strahlung und solare Eruptionen, vor denen uns hier am Boden unsere Erdatmosphäre schützt. Um die Raumfahrer im All davor zu schützen, wird man sich auf fremden Himmelskörpern einfach in simpler Weise in den Boden eingraben und beim Flug dorthin aufblasbare und mit Wasser befüllbare Schiffsmodule und Schutzräume mit sich führen. Das löst gleich mehrere Probleme: Wasser benötigt jeder Mensch und es isoliert gut gegen die Strahlung. Bigelow Aerospace führt mit seinen aufblasbaren Raumstationsmodulen (Genesis) gerade vor, wie man so etwas auch kostengünstig bauen kann. Die aufblasbaren Module sollen übrigens zuerst touristischen Zwecken dienen. In einem Orbitalhotel aus solchen Modulen können demnächst Weltraumtouristen eine Woche im Orbit die Schönheit unseres Heimatplaneten genießen. Weltraumtourismus? Im 20. Jahrhundert oder mit staatlich organisierter Raumfahrt undenkbar – demnächst auf privater Basis vermutlich eines der Erfolgsmodelle für einen neuen Aufbruch ins All im Jahrhundert der Raumfahrt.

NASA/SpaceX, 2012
Raumfahrt macht stolz – Begeisterung bei SpaceX über die erfolgreiche Dragon-Mission.
(Bild: NASA/SpaceX, 2012)

Dass es in unserem 21. Jahrhundert zur Ausbreitung unserer Spezies ins Weltall letztlich keine Alternative gibt, wird auch aus anderen Überlegungen deutlich. Denn bei 9 Milliarden Menschen werden 2050 für jeden nicht einmal mehr 8000 m² der gesamten Landfläche der Erde übrig bleiben (wenn man unproduktive Gegenden wie Wüsten, Hochgebirge und Eisfelder subtrahiert). Offenbar hat das noch niemand ernsthaft berechnet. Denn es ist ziemlich wenig, um es für jeden einzelnen mit Feld, Haus und Weg zu bebauen und sich dabei nicht gegenseitig auf die Nerven zu gehen! Dass dann irgendwann im Verlaufe des Jahrhunderts auch die Grenzen unseres wirtschaftlichen Wachstums erreicht sind, ist bei der gegenwärtigen Bevölkerungsexplosion bei den vorhandenen endlichen irdischen Ressourcen eine logische Konsequenz. Inder, Chinesen, Japaner, Koreaner und sogar die Brasilianer haben das offenbar längst begriffen. Denn sie alle betreiben ambitionierte und durchaus kostenintensive steuerfinanzierte Programme, um Menschen ins All zu schicken und letztlich irgendwann da draußen zu siedeln. Sie haben dabei – für uns in Europa kaum nachvollziehbar – ihre Bevölkerung zum Großteil hinter sich. Weil Raumfahrt eben mehr ist, als eine Kosten-Nutzen-Rechnung: Sie befriedigt die menschliche Neugier, schafft Pioniergeist und Aufbruchstimmung, kann die Jugend wieder für etwas begeistern und macht wohl auch ein wenig stolz.

Was haben wir davon in Europa noch? Was ist davon in den USA nach der Apollo- und Shuttle-Ära geblieben? Allen pessimistischen Aussagen zum Trotz gibt es neben den wirtschaftlichen Faktoren noch eine ganz andere Triebkraft, welche die Gegner und Bedenkenträger der bemannten Raumfahrt völlig ignorieren: Die der menschlichen Neugier, der Drang nach Exploration und Besiedlung ferner Küsten. So, wie dies bereits vor Jahrtausenden Phönizier, Griechen und Römer getan haben, so, wie die USA und andere Länder Amerikas entstanden sind – so wird es sich aus genau diesem Grund auch im Sonnensystem und – vielleicht schon gegen Ende des Jahrhunderts der Raumfahrt mit Hilfe der ersten Generationsschiffe – auch interstellar wiederholen. Unsere heutige, hoch entwickelte europäische Zivilisation verdanken wir auch dem Wagemut und der Neugier der alten Seefahrer. Weil unsere antiken Vorfahren lieber Galeeren zum Erkunden statt Papierschiffchen zum Spielen gebaut haben. Weil sie die Gründung von Städten in fremden Ländern dem Bau kleiner Sandburgen am heimatlichen Strand vorzogen.

So wie damals gab es zu jeder Zeit Menschen, die aus Neugier aufgebrochen sind, die Kolonien gründeten, die ihre Ersparnisse für einen Neuanfang geopfert haben (z.B. bei der Besiedlung des amerikanischen Kontinents). Solche Menschen wird es auch in Zukunft geben. Menschen, die einfach nur neu anfangen wollen, sei es allein oder in Gruppen, Menschen, die vielleicht einfach nur eine neue Politik oder echte Demokratie abseits der auf der Erde eingetretenen Pfade wollen – all dies wird letztlich im Weltraum viel einfacher möglich werden und ein Auslöser zum dortigen Siedeln sein. Autarke Kolonien inklusive. Alle pessimistischen Prognosen – dass wir die Erde niemals verlassen werden oder maximal Nadelstiche in den Kosmos vornehmen werden – führen sich allein schon aus diesem einen Argument ad absurdum. Und auch die ganzen technischen Argumente, dass es niemals möglich sein wird, sind bereits aus heutiger Sicht unsinnig – selbst dann, wenn wir gegenwärtig über die notwendigen Technologien noch nicht verfügen oder sie uns gar nicht vorstellen können.

Dass wir sie uns nicht vorstellen können und Neues deshalb aus pessimistischer Sichtweise nicht sein kann, kennen wir aus allen vergangenen Zeiten. Unkenrufe wie der über die unsinnig teure oder nicht verwirklichbare echte Raumfahrt gab es seit Anbeginn der Industriegesellschaft und die vorschnellen Antworten waren immer die gleichen: UNMÖGLICH! Der Mensch könne unmöglich fliegen! Doch Lilienthal und die Gebrüder Wright flogen. Heute fliegen wir alle – in den Urlaub, zu Geschäftsterminen oder einfach nur so aus Spaß… Den Atlantik könne man unmöglich mit einem Flugzeug bezwingen! Doch die Mehrzahl von denen, die bereits in Amerika waren, sind dort sicher nicht mit dem Schiff angekommen… Auch vor Gagarins erstem Raumflug hieß es: Unmöglich, der Mensch wird sterben im All. Gagarin starb – aber nicht wegen seines Raumflugs. Mittlerweile waren etwa 500 Menschen im Weltraum. Gut – aber interstellare Reisen sind wirklich unmöglich. Viel zu groß die Entfernungen, viel zu hoch der Energieaufwand und unmöglich, dass man die Menschen im leeren interstellarem Raum so lange am Leben erhalten kann. Nun ja – was all die Pessimisten auch hier ignorieren, ist etwas ganz Profanes: Sie sind ihrer eigenen beschränkten Denkweise erlegen, die nur das als gegeben hinnimmt, was heute existiert. Ihre Analysen berücksichtigen weder die rasante technologische Entwicklung im 21. Jahrhundert noch die neuesten Erkenntnisse aus Astronomie, Physik und Technologie.

Dass der interstellare Raum nicht leer ist und sich vielleicht sogar zur Treibstoff- und Energiegewinnung nutzen lässt (z.B. mit dem Konzept eines Bussardkollektors) oder dass demnächst im LHC vielleicht wirklich so etwas wie SF-Technologie, z.B. ein „Antimateriekatalysator“, entdeckt werden könnte, übersteigt ihre Vorstellungskraft. Doch das muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden, denn Pessimisten haben noch niemals zum Fortschritt beigetragen. Dies gelang immer nur den „Spinnern“, den „Verrückten“, den Neugierigen und Enthusiasten. Sie waren und sind die eigentlichen Pioniere. Sie bringen den Fortschritt zum Wohle der Menschheit voran und werden unser Jahrhundert zum Jahrhundert der Raumfahrt machen – und irgendwann auch zu nahen und weiter entfernten Sonnen und ihren Planetensystemen aufbrechen.

Es gibt darüber hinaus noch weitere Notwendigkeiten, die einen neuen Aufbruch ins All erfordern. Neben den wirtschaftlichen und ideellen Gründen ist da in erster Linie die Gefahrenabwehr zu nennen. Wie? Gefahren – etwa vor kriegerischen ETs? Nein – es sind ganz reale Gefahren, auf die wir erst in den letzten Jahren u.a. dank Erkundungen von Raumsonden und Satelliten richtig aufmerksam geworden sind. Es geht um die reale Gefahr des Einschlags von Asteroiden und Kometen auf unserem Planeten. Dass dies verheerende Auswirkungen inklusive dem Tod allen Lebens auf der Erde haben kann, wissen wir bereits seit dem Nachweis des „Dinosaurierimpakts“ am Ende der Kreidezeit vor ca. 65 Millionen Jahren. Dass uns jedoch auch wesentlich kleinere Himmelskörper als der damalige Xixulub-Asteroid (ca. 10 km Durchmesser) gefährlich werden können, wissen wir erst seit kurzem. Dass es dabei einige Hundert potenzielle Einschlagskandidaten gibt, sogenannte NEOs (Near Earth Objects), von denen wir nicht einmal die genauen Bahndaten kennen, ist durchaus beunruhigend. Für einige davon – z.B. die Asteroiden Apophis oder 2011AG5 – bestehen relativ hohe Wahrscheinlichkeiten für eine Kollision mit der Erde noch in unserem Jahrhundert (für Apophis 2036 z.B. ~0,001% – klingt wenig, ist jedoch potentiell gefährlich).

Wenn wir also das Schicksal der Dinosaurier (und aller anderen mit ihnen untergegangenen Spezies) nicht teilen wollen, müssen wir einerseits die Beobachtung der NEOs forcieren sowie weltweit geeignete Abwehrmaßnahmen koordinieren, die allesamt ohne Raumfahrt und Raumfahrer vor Ort kaum denkbar sind. Da es dabei um die Menschheit als Ganzes geht, sollte diese Aufgabe bei der UN oder der UNESCO angesiedelt sein. Doch dazu bisher leider Fehlanzeige. Lediglich partielle Initiativen – staatlich gelenkt durch ESA und NASA sowie zwei private (Sentinel und Planetary Society) beschäftigen sich zur Zeit mit der Erkennung potentieller Impaktoren und deren Abwehrmöglichkeit. „Hätten die Dinosaurier ein Raumfahrtprogramm gehabt, wären sie nicht ausgestorben.“ – dieser bekannten Aussage des Astronoms Carl Sagan ist nichts hinzuzufügen. Wenn es dann soweit ist in den nächsten Jahrzehnten, wenn unser extensiver Drang keinen Platz mehr findet auf der Erde – wo sollen wir dann siedeln dort draußen?

Als erstes bietet sich natürlich der kosmisch relativ nahe Mond an. Dort werden – vermutlich im Schutz der Schattenlage und unter der Annahme von vorhandenen Ressourcen aus Wassereis – an den Polen die ersten Basen entstehen. Dank der von Stephen Ashworth (Oxford) als Selenopolis vorgeschlagenen Pendelstation könnte eine gut geschützte zwischen Erde und Mond permanent hin und her pendelnde Raumstationen das Problem des Strahlenschutzes, der gigantischen Kosten und des regulären Mondtransportes lösen. Treibstoffe und Wasser können aus erdnahen Asteroiden gewonnen und himmelsmechanisch relativ leicht zu dieser Pendelstation gebracht werden. Mit einer solchen Pendelstation bietet sich somit ein reger Raumflugverkehr im monatlichen Turnus zum Mond an. Die Pendelstation müsste dafür nicht einmal die Größe der heutigen ISS haben – könnte also durchaus privat finanziert werden. Falls China als raumfahrender Staat das Projekt nicht allein und als erster verwirklicht.

Sind die Menschen erst einmal wieder auf dem Mond, ermöglicht das ganz andere, ungeahnte Perspektiven: Raumschiffe könnten dort am Fließband gebaut und auf Grund der fehlenden Atmosphäre und der geringen Fluchtgeschwindigkeit einfach per elektrischem Katapult in die Tiefe des Raumes gestartet werden. Ein solches Verfahren mit Startanlagen in Form eines ca. 98 km langen Linearmotors im Mare Crisium (berechnet für konstante 3G Beschleunigung) wird die Kosten für bemannte Raumflüge weiter drastisch senken und die Exploration des gesamten Sonnensystems ermöglichen. Denn die Energie für eine solche Startanlage in Transrapidtechnologie kommt dann direkt aus lunaren Solarzellen mit einer Effizienz, von der wir heute noch träumen. Das erste lunare Kosmodrom dieser Art ist bereits in wenigen Jahrzehnten denkbar.

Wohin fliegt man dann als nächstes? Diese Frage stellt sich eigentlich nicht mehr, denn es wird eine große Zahl von Zielen geben, die mehr oder weniger gleichzeitig angesteuert werden können. Ob dann der Mars wirklich der 2. von Menschen betretene Himmelskörper wird oder ob ihm ein Asteroid diesen Rang streitig macht, sei dahin gestellt. Beides werden im 21. Jahrhundert Ziele sein für Forschung, Exploration und extensive Erweiterung der menschlichen Einflusszone. Selbst zur unwirtlich heißen Venus könnte man fliegen und im Bedarfsfall dort siedeln. Bei 20 °C und 1.000 hPa Druck (wie zu Hause) würde dies in 50 km Höhe in schwebenden Ballonstädten möglich sein. Die wären dank der dichten Venusatmosphäre wesentlich einfacher zu bauen als Luftschiffe auf der Erde. Aber halt – auf der Venus fehlen Sauerstoff und Wasser! Doch das dürfte bei dem Überangebot an Solarenergie dort kein Problem sein. Man kann Wasser durch chemische und elektrolytische Prozesse direkt aus den Wolkenbestandteilen gewinnen und mit Hilfe von Solarstrom zu Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Die zukünftigen Astronauten an Bord der Ballonsiedlungen auf der Venus werden erfinderisch sein.

NASA/SpaceX, 2012
Ein Sinnbild – das Modell einer Ariane 5 zeigt auf spätere Ziele – Venus und Jupiter, über dem CSG in Kourou.
(Bild: Detlef Köhler, WeltraumTouristik.de, 2012)

Doch wie ist es mit den Regionen des ewigen Eises jenseits der Marsbahn? Wo zwar die Riesenplaneten Jupiter und Saturn mit ihrem ganzen Zoo von Monden, aber vor allem auch Kälte und Dunkelheit warten? Beides Dinge, die wir gar nicht gern mögen und Menschen nicht gerade anlocken, weil man zum Überleben ja irgendwie Energie, Nahrungsmittel, Wasser und Licht braucht. Nun – all das gibt es dort draußen in Massen.

Auf dem Saturnmond Titan wurden durch den Lander Huygens nicht nur Methan, Ethen und andere Kohlenwasserstoffverbindungen nachgewiesen, die auf dessen Oberfläche bei -178 °C sogar Flüsse und Seen bilden – aus heutiger Sicht ein absolutes Treibstoffparadies, wo sich überdies vielleicht sogar eigene Lebensformen tummeln könnten! Es gelang darüber hinaus mit Hilfe der Raumsonde Cassini kürzlich sogar, Beweise für die Existenz eines ca. 50 km mächtigen globalen unterirdischen Ozeans aus Wasser zu finden! Dieses Wasser stellt ein ähnlich riesiges Reservoir dar wie die irdischen Ozeane und lädt mit den zahlreichen organischen Verbindungen und der stickstoffhaltigen dichten Atmosphäre förmlich zum Siedeln auf Titan ein. Energie muss dort also nicht zwangsläufig aus Sonnenenergie gewonnen werden. Man kann auf viele andere natürliche Quellen der Titanchemie zurück greifen und damit wahrscheinlich dann sogar noch die äußeren Bereiche des Sonnensystems mit Treibstoffen, Nahrungsmitteln und anderen Produkten beliefern. Auf dem kalten Titan könnte so in der 2. Hälfte des 21. Jahrhunderts eine warme prosperierende menschliche Kolonie entstehen. Ähnlich verhält es sich auf anderen Monden der Riesenplaneten. Auf Enceladus beispielsweise (ein weiterer, aber sehr kleiner Saturnmond) jagt ein Geysir den nächsten – sie speien mit organischen Verbindungen angereichertes warmes Wasser, das durch tektonische Vorgänge aus unterirdischen Reservoirs empor gedrückt wird! Zugegeben – man kann darin nicht einfach baden, weil die Luft fehlt. Doch Energie, Wasser und Kohlenstoffverbindungen sind auch dort im Überfluss vorhanden und laden ein, eine Raumbasis auf Enceladus zu gründen. Gleiches gilt für die beiden Jupitermonde Europa und Io. Während man auf ersterem unter seiner Eiskruste ebenfalls einen globalen flüssigen Ozean aus Salzwasser vermutet, ließen sich zwischen den über 300 tätigen Vulkanen auf dem warmen Io geothermische Kraftwerke betreiben, von deren Effizienz wir hier auf der Erde nur träumen können! Die Beispiele ließen sich fortsetzen – selbst bei einigen natürlichen Satelliten der fernen Planten Uranus und Neptun. Allen diesen Monden ist gemeinsam, dass sie ausreichende Ressourcen zur Gründung menschlicher Basen bieten.

Natürlich wird das Leben in solchen Außenposten und Raumkolonien dann gänzlich anders ablaufen als auf der Erde. Aber auch das war schon immer so – Koloniegründer haben zwar stets einen Teil ihrer Heimatkultur in die Ferne exportiert, ansonsten aber ihre eigenen Kulturen entwickelt. Was soll daran schlimm sein? Im Gegenteil – es wird die menschliche Vielfalt weiter bereichern. Auf den Monden der fernen Planeten mit ihren völlig anderen Umweltbedingungen und ihrer deutlich geringeren Gravitation wird sich dies sogar direkt biologisch auf die Nachkommen der Raumfahrer auswirken. Vermutlich werden sie größer als heute lebende Menschen sein und sich möglicherweise weiter oder anders entwickeln.

Das trifft dann auch zu, wenn vielleicht gegen Ende des Jahrhunderts der Raumfahrt das erste Generationenschiff zu einer weiten, Jahrhunderte langen Reise zum – ja wohin eigentlich? – aufbricht. Das Ziel könnte natürlich ein lebensfreundlicher Planet eines anderen, nahen Sterns sein, den man im Verlaufe des 21. Jahrhunderts mit fortschreitender spektroskopischer Beobachtungstechnik aufgespürt hat. Wo man eine zweite Erde vermutet (derer ja mittlerweile bereits 3 in weiter Ferne entdeckt wurden – aber es gibt auch mögliche Kandidaten unter den Exoplaneten „in der Nähe“). Einen Planeten, den man dann – sofern er nicht bewohnt ist – in Besitz nehmen wird. Das es dabei auch aus heutiger Sicht schier unlösbare Probleme gibt (Dürfen wir das?)

Wird uns die fremde Biosphäre nicht schlagartig umbringen? Oder bringen unsere eingeschleppten Bakterien der fremden Biosphäre den Tod?), dürfte klar sein. Aber dafür wird man Lösungen entwickeln. Im 14. Jahrhundert starb noch eine große Zahl von Menschen an Pest und Pocken. Im 20. Jahrhundert bereits nicht mehr – die Pocken gelangten unter Kontrolle der WHO. In späteren Jahrhunderten wird es eine universelle Immunisierung geben, die in beide Richtungen wirkt. Auch auf anderen Planeten.

Jedoch muss nicht unbedingt ein solch ferner Planet das Ziel sein. Da das „Schiff“ ein gewaltiges, mehrere Kilometer großes, langsam rotierendes autarkes Habitat sein wird, dass seine eigene Schwerkraft durch Rotation erzeugt und sich auf seinem Weg durch die Oortsche Wolke von den dort vorhandenen Milliarden Kometen „ernährt“, kann es letztlich auch dort bleiben – wenn es seine Bewohner so wünschen oder es eine demokratische Abstimmung an Bord so festlegt (schließlich wurde es privat finanziert, die Plätze an Bord waren nicht billig und jede Stimme zählt). Genau so kann es aber sein, dass es zu einem interstellaren Langstreckenflug ans andere Ende der Galaxis aufbricht. Wer will sie aufhalten? Eine Rückkehr ist nicht vorgesehen und Flugzeit spielt in autarken Systemen ohnehin keine Rolle mehr.

Interstellare Flüge? Ja, auch dass wird passieren – wir wissen nur nicht wann. Denn dazu bedarf es weder einer Science-Fiction-Technologie wie Warp oder Schwarzen Löchern. Es genügen dafür relativ langsam fliegende sogenannte Generationenraumschiffe, die als Antriebstechnologie z.B. große einfache solare Segel aus Mylarfolie nutzen könnten und auf denen sich die Raumfahrer an Bord fortpflanzen. Deren autarke Umwelt wird vielleicht 10.000 Menschen Platz bieten, denn diese Zahl ist ein mutmaßlicher Mindestwert für die Gewährleistung einer gesunden genetischen Durchmischung und den Erhalt der menschlichen Population über Jahrhunderte hinweg. Faszinierende Aussichten für die Raumfahrt!

Doch die Ausbreitung der Menschheit ins All ist nicht nur eine Notwendigkeit. Sie kann auch aus ganz anderen Gründen nur begrüßt werden: Es sichert der menschlichen Spezies letztlich das Überleben. Ganz gleich, ob wir uns auf der Erde im religiösen Wahn oder finanzieller Gier zu Grunde richten, ganz gleich, ob vielleicht doch ein Asteroid unsere Biosphäre und unsere Zivilisation auslöscht – viele der im Weltraum gegründeten Außenposten und Kolonien werden danach weiter existieren und unserer Art somit das Überleben garantieren. Und kosmisches Unheil kommt in jedem Fall: Schon in weniger als einer Milliarde Jahre wird sich die Strahlung unserer Sonne auf Grund der sich verändernden nuklearen Prozesse in ihrem Innern verstärken. Auf der Erde wird es dann unerträglich heiß und alle Ozeane werden verdampfen. Spätestens dann sind wir zum Auswandern in den Kosmos gezwungen. 4 Milliarde Jahre später wird sich unsere Sonne zu einem roten Riesenstern aufblähen und die Erde ganz verschlucken. Zeit also, heute schon den Aufbruch der Menschheit ins All vorzubereiten.

Abschließend noch ein Blick in die nähere Zukunft. Welchen Nutzen wird uns die Raumfahrt in den nächsten Jahren bieten? Eine kleine Aufstellung zur freudigen Erwartung, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

Ab 2013: Galileo – ein europäisches und von den Militärs unabhängiges Navigationssystem mit Genauigkeiten im Zentimeterbereich! Zu spät abbiegen gehört dann endgültig der Vergangenheit an.

Ab 2016: Suborbitale Interkontinentalflüge – dafür notwendige Hyperschallflugzeuge (suborbitale Raumschiffe) befinden sich in der Entwicklung. Als Tourist in einer Stunde nach Südafrika – noch in dieser Dekade machbar. Ab 2020: Weltraumtourismus für alle. Zum faszinierenden Kurztrip ins All? Die Schönheit unserer irdischen Heimat mit eigenen Augen aus dem Weltraum zu betrachten oder schwerelos zu schweben, sind tiefgreifende und prägende Erlebnisse. Warum sollen sie nur Astronauten vergönnt sein? Der Weltraum ist für alle da und die Raumschiffe bald startbereit. Auch wenn die Preise noch exorbitant hoch sind – das waren sie zu Anbeginn der Luftfahrt auch. Übermorgen vielleicht zur aufblasbaren Raumstation und später dann ins Mondhotel? Bereits mehr als 25 Unternehmen weltweit arbeiten daran.

Ab 2025: Zum Mond und ab 2030 zum Mars. Auch wenn diesmal vielleicht ein Chinese der erste ist – der Mensch wird zum Mond zurück kehren und auch den Mars betreten. Zu verlockend sind die sich dort bietenden Möglichkeiten für Forschung, Rohstoffgewinnung und Exploration des Alls. Auch andere Himmelskörper warten auf uns: Bergbau auf Asteroiden, Ballonstädte auf der Venus und die Besiedlung der lunaren Welten von Jupiter und Saturn könnten zu Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – des Jahrhunderts der Raumfahrt – werden.

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