Die überaus erfolgreiche europäische Kometenmission Rosetta ging am gestrigen 30. September 2016 nach über 12 Jahren im All und mehr als zwei Jahren aktiver Forschung am Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko zuende. Raumfahrer Net war am Europäischen Satelliten Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt und hat die letzten Momente der Mission einfangen.
Quelle: ESOC, Raumfahrer Net .
Eine Rückschau
Eine lange Reise lag hinter der Kometensonde Rosetta. Gestartet am 2. März 2004 mit einer Ariane 5 Trägerrakete flog sie auf ihrem Weg zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko drei Mal an der Erde und einmal am Mars vorbei, passierte die Asteroiden Šteins und Lutetia und verbrachte schließlich 957 Tage in einem Winterschlafmodus, um die Passage durch das Aphel, dem sonnenfernsten Punkt, ihres Orbits zu 67P weit entfernt von der Sonne zu überstehen. Am 10. September 2014 schließlich erreichte Rosetta das Ziel ihrer Reise und schwenkte in einen aktiv gesteuerten Orbit in etwa 30 km Höhe um 67P ein. Innerhalb der nächsten etwa zwei Jahre umkreiste Rosetta den Kometenkern in verschiedenen Höhen zur Oberfläche und begleitete diesen durch den sonnennächsten Punkt des Orbits, um die aktive Phase des Kometen studieren zu können. Mit den zahlreichen Instrumenten wurde die Oberfläche, die Beschaffenheit des Kerninneren analysiert sowie die Zusammensetzung der Koma und der Schweife studiert.
Um ein möglichst genaues Bild des Nukleus zu erhalten, wurde am 12. November 2014 der Lander Philae von seiner Muttersonde Rosetta in Richtung Kometenoberfläche entsandt. Nach der ersten Landung vollführte Philae zwei Sprünge und kam schließlich außerhalb der geplanten Landezone zu liegen. Nach zwei Tagen mit wissenschaftlichen Messungen schaltet sich der Lander, nachdem die Energie aus der Primärbatterie verbraucht war, wie geplant in einen Standby-Modus.
Rosetta umkreiste seitdem den Kometenkern und führte das wissenschaftliche Programm unermüdlich fort. Während der aktiven Phase von 67P mit Ausbildung der Koma und seiner beiden Schweife durch die erhöhte Temperatur in Sonnennähe wurde der Orbit angehoben, um die Störeinflüsse auf die Trajektorie so gering wie möglich zu halten. Nach dem Durchgang durch den sonnennächsten Punkt nahm die Aktivität wieder ab und der Orbit konnte wieder abgesenkt werden. Aus wenigen Kilometern Entfernung wurden tausende Detailaufnahmen der Oberfläche angefertigt. Am 2. September 2016 wurde auf einer der Aufnahmen der Osiris-Kamera auch der Lander Philae entdeckt.
Die Sonde selber befand sich bis zuletzt in einem technisch ausgezeichneten Zustand. Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko entfernt sich auf seinem Orbit jedoch immer weiter von der Sonne und damit verringert sich die von Rosettas Solarzellen erzeugte Energie, die für den Betrieb von Rosetta notwendig ist. Zudem geht die Hydrazinreserve zur aktiven Steuerung des Orbits zur Neige. Daher wurde Rosettas Flugbahn in Richtung der Kometenoberfläche geändert und hat dort gestern ihre mehr als 12 Jahre währende Mission beendet.
Wissenschaft im Anflug auf 67P
Die Kommandosequenz für den Abstieg in die geplante Landezone und zur Passivierung des Orbiters wurde bereits am Tag zuvor, am 29. September, zum Orbiter übertragen. Die letzte Triebwerkszündung zur Änderung der Flugbahn wurde in den frühen Morgenstunden des 30. September durchgeführt und die Landezeit auf 13:20 Uhr +/- 2 Minuten (MESZ) berechnet bei einer Geschwindigkeit von etwa 0.9 m/s. Nun auf direktem Kurs zur Oberfläche sammelten sieben der insgesamt elf Instrumente weiterhin wertvolle Daten. Das Massenspektrometer ROSINA „erschnüffelte bis zum letzten Kontakt mit Rosetta die Zusammensetzung der unmittelbaren Umgebung über der Oberfläche, wobei wir einen kontinuierlichen Druckanstieg beobachtet haben“, erläutert Prof. Kathrin Altwegg von der Universität Bern und Projektleiterin des ROSINA-Instruments im Gespräch mit Raumfahrer Net. „Pro Masse dauerte ein Scan 28 Sekunden, sodass wir uns im Vorfeld die für uns interessanten heraussuchen mussten.“, erläutert Altwegg weiter. Nun mit dem Ende der Mission können die Daten in Ruhe analysiert werden. „Vielleicht finden wir dabei noch eine Überraschung“, gibt Prof. Altwegg einen kleinen Hinweis auf mögliche neue Erkenntnisse aus der unmittelbaren Nähe zum Kometen.
Neben Kathrin Altwegg erlebte auch das OSIRIS-Team um Holger Sierks aufregende und arbeitsintensive letzte Stunden der Mission. Die hochauflösende Weitwinkel- und Telekamera (Beschreibung des OSIRIS-Kamerasystems) erstellten während des gesamten Abstiegs Fotos, ab einer Höhe über Grund von etwa 100 m im fünf Sekunden Takt, um die Annäherungssequenz möglichst genau rekonstruieren zu können. Um diese Wiederholrate zu erreichen, wurden nur noch 480×480 Pixel des Kamerasensors ausgewertet, die Bildinformation stark komprimiert und dann zur Erde gesendet. Um auch unterhalb von 300 m über Grund mit der Weitwinkeloptik noch ein hinreichend scharfes Bild zu erhalten, wurden sämtliche Filterelemente aus dem Strahlengang entfernt. „Die beste Fokussierung liegt dann bei 15 m Entfernung über Grund, allerdings mit sehr geringer Schärfentiefe.“, erläutert Holger Sierks, Projektleiter des OSIRIS Teams vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Bei einer kurzen Präsentation einige Zeit nach der Landung im Pressezentrum des ESOC zeigte Sierks die ersten, meist noch unbearbeiteten Aufnahmen der Landesequenz. Die letzte übermittelte Aufnahme ist tatsächlich auch die schärfste der gesamten Reihe, jedoch nicht im Fokus der Kamera. „Die letzte Aufnahme stammt aus einer Höhe von etwa 20 m“, gibt Sierks nach einer ersten Analyse des OSIRIS-Teams bekannt. „Mit weiteren Bildbearbeitungsprozeduren sollten sich aus diesen Bildern noch zahlreiche Erkenntnisse gewinnen lassen“, ist er sich sicher.
„Die letzte von Rosetta übertragene Information war die Bestätigung der Übertragung eines Bildes und die Freigabe des Speichers für die nächste Aufnahme“, gibt Amelle Hubault, Rosetta Flight Controller, einen Einblick in die letzten Momente der Mission. Dann brach um 11:19:19 UTC (13:19:19 MESZ) das Signal ab. Spacecraft Operations Manager Sylvain Lodiot bestätigte den Verlust des Kontakts (LOS, loss of signal) und zeigt damit wieder einmal die ausgezeichnete Leistung der Flugdynamiker. Applaus im Pressezentrum, im Konferenzraum sowie im Kontrollraum, verhalten und angemessen, über das, was mit Rosetta vollbracht wurde. Eine außergewöhnliche Mission ist zu Ende gegangen, eine Mission mit vielen „Firsts“, die bravourös gemeistert wurden, eine Mission, die großartige Erkenntnisse über Kometen ans Licht gefördert hat und unsere Sichtweise über die Entstehung von kleinen planetaren Körpern und die Evolution des Sonnensystems ändern wird.
In die Freude über das Vollbrachte mischt sich bei allen Beteiligten jedoch etwas Wehmut darüber, dass die operationelle Phase der Rosetta-Mission nun vorüber ist. Die nun folgende weitere Analyse der gewonnenen Daten wird noch viele Jahre einige Generationen an Wissenschaftlern beschäftigen. Ob und wann eine weitere Mission zu einem Kometen aufbrechen wird, ist noch ungewiss. Raumfahrer Net wird dies und die weitere Bekanntgabe von Ergebnissen der Rosetta-Mission weiterhin verfolgen und darüber berichten.
Farewell Rosetta und Philae! Danke für zweieinhalb Jahre spannende Forschung und aufregende Flugdynamik im interplanetaren Raum!
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