Cygnus OA-5: Feuriger Start, feuriges Ende

Ein mit Nachschub und neuen Experimenten beladener US-amerikanischer unbemannter Raumtransporter vom Typ Cygnus (dt. Schwan) wurde am 18. Oktober 2016 beim Jungfernflug der Antares-230-Rakete auf den Weg zur Internationalen Raumstation (International Space Station, ISS) gebracht. Zwischenzeitlich wurde der Transporter von der ISS-Besatzung mit der Station verbunden.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: NanoRacks, NASA, Orbital ATK, Spire Global, Thales Alenia Space, ZARM.

Antares-230-Start mit Cygnus OA-5
(Bild: NASA / Bill Ingalls)
Antares-230-Start mit Cygnus OA-5
(Bild: NASA / Bill Ingalls)

Die von Orbital ATK zusammengebaute 42,5 Meter hohe Rakete mit dem ebenfalls von Orbital ATK gebauten Transporter mit einer Startmasse von 6.173 Kilogramm an der Spitze begann ihren Flug von der Rampe 0A der Wallops Flight Facility auf Wallops Island im US-amerikanischen Bundesstaat Virginia. Sie hob um 1:45 Uhr MESZ am 18. Oktober 2016 (23:45 Uhr UTC 17. Oktober) ab.

RD-181-Triebwerke für Antares 230
(Bild: NASA)
RD-181-Triebwerke für Antares 230
(Bild: NASA)

Mix and match
Die Antares 230 nutzte in der ersten Stufe zwei Kerosin mit flüssigem Sauerstoff verbrennende RD-181-Triebwerke von NPO Energomash (НПО Энергомаш) aus Russland, deren Grundkonstruktion auf einen Entwurf von Juschnoje in der Ukraine zurückgeht, der einstmals für einen Flüssigkeitsbooster für die sowjetische Schwerlastrakete Energija entwickelt worden war. Die Triebwerke lieferten einen nominalen Startschub von zusammen rund 392 Tonnen. In der zweiten Stufe kam ein Feststoffmotor des Typs Castor 30XL zum Einsatz, den Orbital ATK in seinem Werk in Magna im US-Bundesstaat Utah gebaut hatte. Er lieferte rund 30 Tonnen Schub und verbrannte modifiziertes TP-H8299, das Hydroxyl-terminiertes Polybutadien (HTPB) enthält und 20 Prozent Aluminium.

Triebwerksmontage im Integrationsgebäude HIF
(Bild: NASA)
Triebwerksmontage im Integrationsgebäude HIF
(Bild: NASA)

Zum ersten Mal saß ein Cygnus-Transporter auf einer Antares-230-Rakete. Ursprünglich hätte Orbital ATK den Orbit-Einschuss der Cygnus-Transporter ausschließlich mit Hilfe eigener Raketen vornehmen wollen, musste sich nach einem kapitalen Fehlstart seiner Antares-130-Rakete am 28. Oktober 2014 jedoch nach einem Transportdienstleister umsehen, um den von der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur (NASA) erhaltenen Auftrag mit dem Titel Commercial Resupply Services-1 (CRS-1) weiter umsetzen zu können.

Bevor Orbital ATK den jetzt erfolgreichen Flug absolvieren konnte, griff man im Dezember 2015 (Cygnus OA-4) und März 2016 (Cygnus OA-6) zweimal auf Raketen des US-amerikanischen Startanbieters United Launch Alliance (ULA) zurück. Die entsprechenden Atlas-Projektile benutzen in ihren ersten Stufen übrigens ebenfalls Triebwerke aus Russland (RD-180) und flogen von der Luftwaffenbasis Cape Canaveral aus.

Startvorbereitung im HIF auf Wallops Island
(Bild: NASA Wallops / Patrick Black)
Startvorbereitung im HIF auf Wallops Island
(Bild: NASA Wallops / Patrick Black)

Der jetzt gestartete Transporter wird auch als Raumschiff Alan Poindexter (S.S. Alan Poindexter) bezeichnet. Damit soll an den 2012 verstorbenen US-amerikanischen Astronauten Alan Goodwin Poindexter erinnert werden, der als Pilot und Kommandant Missionen im Space Shuttle (STS-122 – Anlieferung Columbus und STS-131 – Flug mit Logistkmodul Leonardo) absolviert und an Bord der ISS gearbeitet hatte.

Mehr Platz, mehr Leistung
Der Transporter fliegt zum dritten Mal in seiner vergrößerten und verbesserten Variante. Er ermöglichte eine größere Zuladung von Transportgut, weist ein gegenüber der kleineren Bauform um rund 25 Prozent größeres Volumen seines druckbeaufschlagten, von der ISS nach dem Ankoppeln zugänglichen Frachtraums auf. Der druckbeaufschlagte Frachtraum, Pressurized Cargo Module (PCM) genannt, wurde vom französisch-italienischen Luft- und Raumfahrtkonzern Thales Alenia Space in Turin in Italien hergestellt. Die verbesserte Transportervariante besitzt außerdem neu-konstruierte Treibstofftanks und Solarzellenausleger.

Aufrichten der Antares 230 auf der Rampe 0A
(Bild: NASA / Bill Ingalls)
Aufrichten der Antares 230 auf der Rampe 0A
(Bild: NASA / Bill Ingalls)

Laut Orbital ATK hatte der Cygnus-Frachter den Start sehr gut überstanden und gelangte rund neun Minuten nach dem Abheben auf einen rund 51,6 Grad gegen den Erdäquator geneigten Orbit in Höhen zwischen 214 und 368 Kilometern über der Erde, was auf eine mehr als ausreichende Leistung der neuen Rakete hindeutet. Es bestand eine stabile Kommunikationsverbindung, die beiden Orbital ATK UltraFlex-Solarzellenausleger wurden erfolgreich entfaltet.

Nach Herstellung der Betriebsbereitschaft musste der Transporter eine Reihe von Bahnanpassungsmanövern durchführen. Dafür wurde ein Teil der 800 Kilogramm umfassenden Treibstoffvorräte an Bord verbraucht. Nach einigen Einsätzen des von IHI mit Sitz in Tokio, Japan, gebauten Haupttriebwerks vom Typ BT-4 erreichte Cygnus OA-5 am 20. Oktober einen 392 x 402 Kilometer Orbit. Vor einem Aufschließen zur ISS war für den Zeitraum der Ankunft der Sojus-MS 02 ein Sicherheitsabstand einzuhalten. Nach der Ankunft der Besatzungsmitglieder Sergei Nikolajewitsch Ryschikow, Andrei Iwanowitsch Borissenko und Robert Shane Kimbrough der Expedition 49 bzw. 50 konnte der Transporter den Anflug auf die Station fortsetzen.

Mond über Antares und Schwan
(Bild: NASA / Bill Ingalls)
Mond über Antares und Schwan
(Bild: NASA / Bill Ingalls)

Angeflogen, angepackt und angekoppelt
Aus etwa 4.000 Kilometer Entfernung wurde der Abstand des Transporters zur ISS zunächst auf 1.600 Kilometer am 21. Oktober und dann etwa 550 Kilometer am 22. Oktober verringert. Am 23. Oktober schließlich begann der Endanflug, nachdem in einem Abstand von 28 Kilometern zur Station eine spezielle Kommunikationsverbindung zwischen Cygnus OA-5 und der ISS hergestellt worden war. Über Positionen in 1,4 Kilometern, 1000 und 250 Metern erreichte der Transporter eine in rund 30 Metern Abstand.

Cygnus OA-5 (links) am SSRMS von der Beobachtungskuppel der ISS Cupola aus gesehen
(Bild: NASA)
Cygnus OA-5 (links) am SSRMS von der
Beobachtungskuppel der ISS Cupola aus
gesehen
(Bild: NASA)

Um 13:07 Uhr MESZ am 23. Oktober 2016 (11:07 Uhr UTC) erfolgte die Freigabe zur Einnahme einer Position neben der Station in Reichweite des rund 18 Meter langen Canadarm 2 genannten Roboterarms. Die NASA-Astonautin Kate Rubins steuerte dann den auch als SSRMS für Space Station Remote Manipulator System bezeichneten Roboterarm aus der Station und führte ihn behutsam an den Transporter heran. Um 13:28 Uhr MESZ (11:28 Uhr UTC) konnte sie den Kontakt zwischen dem Arm und dem entsprechenden Interface an Cygnus OA-5 herstellen.

Der Nadir-Andockport am Modul Unity (alias Node 1), bezeichnungsgerecht Richtung Erde zeigend, war der für Cygnus OA-5 vorgesehene. Mit dem Roboterarm wurde der Transporter also in die entsprechende Lage bugsiert und an die Kopplungsschnittstelle des Andockports herangeführt. Um 16:53 Uhr MESZ am 23. Oktober 2016 (13:53 Uhr UTC) waren Transporter und Station schließlich fest verbunden.

ISS-Konfiguration ab dem 23. Obtober 2016
(Bild: NASA)
ISS-Konfiguration ab dem 23. Obtober 2016
(Bild: NASA)

Unter den vom Transporter angelieferten Gütern befinden sich 498 Kilogramm Material für wissenschaftliche Experimente, 585 Kilogramm Nachschub zur Versorgung der Besatzung der ISS, 1.023 Kilogramm Ausrüstung zur Verwendung bei Außeneinsätzen, 5 Kilogramm Computertechnik sowie 42 Kilogramm Hardware aus Russland.

Schwan mit Mitfliegern
Außen an Cygnus OA-5 montiert ist eine Vorrichtung von der NanoRacks LLC aus Webster im US-Bundesstaat Texas zum Aussetzen von Kleinsatelliten. Die NanoRacks CubeSat Deployer – External (NRCSD-E) genannte Vorrichtung sitzt am Segment 5 des Cygnus-Servicemoduls (SM). In ihr befördert werden vier drei Standard-Cubesat-Einheiten (3U) große Kleinsatelliten für eine Satellitenkonstellation namens Lemur 2. Laut Orbital ATK beträgt die Gesamtmasse der außen transportierten Hardware mit Deployer und Satelliten 83 Kilogramm.

Lemur-2-Satellit wird in Deployer eingeführt
(Bild: Spire)
Lemur-2-Satellit wird in Deployer eingeführt
(Bild: Spire)

Die für Spire Global aus San Francisco in Florida in den USA gebauten Satelliten Lemur 2 Nr. 14 bis Lemur 2 Nr. 17 sollen der Überwachung des Schiffsverkehrs auf den Weltmeeren und der Wetterbeobachtung unter Nutzung von GPS-Signalen dienen und besitzen eines Masse von jeweils rund 4 Kilogramm. STRATOS heißen die Systeme zur Analyse der Veränderungen von GPS-Signalen beim Gang durch die Erdatmosphäre zum Zwecke der Wettervorhersage an Bord der Kleinstsatelliten. SENSE ist der Name der Technik zur Beobachtung des Schiffsverkehrs.

Die NanoRacks LLC hat außerdem eine interne Nutzlast an Bord von Cygnus OA-5. Das Blackbox genannte spindformatige Rack ist als Experimentierplattform gedacht und bietet Platz für Einbauten im Format von maximal 18 Standard-Cubesat-Einheiten (18U).

Arbeiten an Saffire-2 (Saffire-1 im Hintergrund)
(Bild: NASA Glenn)
Arbeiten an Saffire-2 (Saffire-1 im Hintergrund)
(Bild: NASA Glenn)

Feuer an Bord vor feurigem Wiedereintritt
Die aktuelle Planung sieht vor, dass Cygnus OA-5 bis zum 18. November 2016 mit der ISS verbunden sein soll. Nach der Abkopplung des dann unter anderem mit voraussichtlich 1.687 Kilogramm Material und Stationsabfällen beladenen Transporter will man das Spacecraft Fire Experiment 2 (Saffire-2) abwickeln.

Aufbau von Saffire - Illustration
(Bild: NASA)
Aufbau von Saffire – Illustration
(Bild: NASA)

Saffire-2 dient der Erforschung von Verlauf und Folgen eines Brandes an Bord eines Raumfahrzeugs. Dabei will man mit dem etwa 53 auf 90 auf 133 Zentimeter großen Versuchsaufbau Tests vornehmen, die man auf Grund des Risikos nicht an Bord eines bemannten Fahrzeugs ausführen möchte. An Bord von Raumfahrzeugen verlaufen Brände anders als auf der Erdoberfläche. Bei der typischen Zusammensetzung und Umwälzung der Atmosphäre in einem Raumfahrzeug oder einer Raumstation können Brände langsamer verlaufen, aber gleichzeitig höhere Temperaturen erreichen.

Die bei Saffire-2 bei rund 21 Volumenprozent Sauerstoff zu entzündenden Materialproben messen rund 5 auf 29 Zentimeter. Neun verschiedene Proben will man testen. Zwei von ihnen bestehen aus Acrylglas (Polymethylmethacrylat, PMMA). Zwei weitere setzen sich aus einer Mischung aus Baumwolle und Glasfasern zusammen. Vier Proben bestehen aus unterschiedlich dickem polyaramidverstärkten Gummi. Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen steuerte eine Acrylglasprobe mit strukturierter Oberfläche bei.

Saffire-2 wird erst zum Einsatz kommen, wenn der Cygnus-Transporter die ISS wieder verlassen hat und sich in einem sicheren Abstand zur Station befindet. Später erfolgt dann der laut Plan zerstörerische Wiedereintritt in die Erdatmosphäre über dem Pazifik.

Cygnus OA-5 ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.818 und als COSPAR-Objekt 2016-062A.

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