Mit seiner Wetterstation gewinnt der Marsrover Curiosity regelmäßig Daten über die Temperaturen, den Luftdruck und die Windgeschwindigkeiten in seinem Operationsgebiet. Diese Daten legen nahe, dass sich anscheinend auch im Inneren des Gale-Kraters Staubteufel bilden. Entsprechende Ergebnisse wurden jetzt von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern vorgestellt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.
Bereits am 9. November 2012, dem Sol 93, entnahm die am Instrumentenarm des Marsrovers Curiosity befindliche Baggerschaufel eine fünfte Bodenprobe von der Marsoberfläche, von welcher Teile nach einer entsprechenden Aufbereitung durch das CHIMRA-Probenentnahmesystem zu den im Inneren des Rovers befindlichen Instrumenten SAM und CheMin befördert wurden (Raumfahrer.net berichtete). Während der beiden folgenden Tage wurden die drei Einzelinstrumente, aus denen sich der SAM-Komplex zusammensetzt, dazu genutzt, um die chemische Zusammensetzung dieser Bodenprobe zu ermitteln.
Paul Mahaffy vom Goddard Space Flight Center, der für das SAM-Instrument hauptverantwortliche Wissenschaftler, äußerte sich bereits am 13. November im Rahmen einer Pressemitteilung folgendermaßen zu den vorläufigen Ergebnissen: „Wir haben im Rahmen unserer Untersuchungen dieser ersten Bodenprobe aussagekräftige Daten erhalten, welche jetzt allerdings erst einmal analysiert werden müssen. Außerdem planen wir weitere Proben von Rocknest [so der Name der Stelle, an der die Probe entnommen wurde] zu analysieren, um diese Daten zu bestätigen.“ Mittlerweile wurde ein weiterer Teil der fünften Bodenprobe an das SAM-Instrument weitergeleitet und von diesem untersucht.
Aber nicht nur das SAM und das Chemin-Spektrometer haben während der letzten Tage Analysen durchgeführt. Auch die Wetterstation REMS und der Strahlungsdetektor RAD waren in regelmäßigen Zeitabständen aktiviert und ermittelten dabei die im Inneren des Gale-Kraters – dem Operationsgebiet von Curiosity – vorherrschenden Wetterbedingungen und die dort auftretende Strahlungsbelastung. Am gestrigen Tag wurde vom Jet Propulsion Laboratory (JPL), der für den Betrieb des Rovers zuständigen Einrichtung, eine weitere Pressekonferenz abgehalten, in deren Verlauf erste Details dieser Untersuchungsergebnisse präsentiert wurden.
Während der ersten drei Monate der Mission registrierten die für die REMS-Station zuständigen Wissenschaftler insgesamt 21 atmosphärische Ereignisse in der unmittelbaren Umgebung des Rovers, welche jeweils mindestens ein charakteristisches Merkmal eines Wirbelwindes aufwiesen. Hierzu zählen ein kurzzeitiger Abfall des Luftdrucks, ein plötzlicher Wechsel der vorherrschenden Windrichtung, eine Veränderung der Windgeschwindigkeit, ein kurzfristiger Anstieg der Lufttemperatur oder ein Nachlassen der auf die Oberfläche einfallenden UV-Strahlung. Zwei der registrierten Ereignisse wiesen dabei sogar alle fünf dieser Merkmale auf. Diese Beobachtung wird von den Wissenschaftlern dahingehend interpretiert, dass auch in der Region des Gale-Kraters kleine Minitornados, sogenannte Staubteufel, auftreten.
Die verschiedenen Marsmissionen der NASA haben in der Vergangenheit immer wieder Hinweise darauf gefunden, dass diese auch auf der Erde zu beobachtenden atmosphärischen Phänomene auch auf dem Mars auftreten. Sowohl den Marsorbitern als auch den beiden Marsrovern Spirit und Opportunity gelang dabei auch die direkte fotografische Dokumentation dieser spektakulären Erscheinungen (Raumfahrer.net berichtete).
„Der durch Staubteufel und Staubstürme in die Atmosphäre des Mars transportierte Staub spielt eine wichtige Rolle für das dortige Klima, da er zu einer Erwärmung der Atmosphäre führt“, so Manuel de la Torre Juarez vom JPL, einer der an der Wetterstation REMS beteiligten Wissenschaftler.
Die auf dem Mars zu beobachtenden Staubteufel bilden sich auf die gleiche Art und Weise wie auch auf der Erde. Durch die einfallende Sonneneinstrahlung wird die Planetenoberfläche auf einen Temperaturwert aufgeheizt, welcher über der Temperatur der bodennahen Luftschicht liegt. Dadurch bedingt gibt der Boden thermale Energie an die direkt über der Oberfläche befindliche Luftschicht ab, welche aufgrund dieser Aufwärmung anschließend in größere Höhen aufsteigt. Dabei durchdringt die aufsteigende Luft weiter oberhalb der Oberfläche befindliche Zonen kühlerer Luftschichten, welche zum selben Zeitpunkt wiederum in Richtung Planetenoberfläche absinkt. Die verschiedenen Luftströmungen bilden im Rahmen dieser gegensätzlichen Bewegungen Konvektionszellen und werden dabei in eine Rotationsbewegung versetzt.
Die so entstehende Luftzirkulation verfügt ab einem gewissen Punkt über genügend Kraft, um den auf der Marsoberfläche abgelagerten Sand in Bewegung zu versetzen. Kleine Sandpartikel, welche dabei über den Boden scheuern, wirbeln nur wenige Mikrometer durchmessende Staubpartikel auf und die zentrale Säule der warmen, aufsteigenden Luftmassen hebt diesen Staub in die Höhe. Durch horizontale, oberflächennahe Winde wird die so entstandene Staubsäule in eine Vorwärtsbewegung versetzt. Fotoaufnahmen, welche aus von verschiedenen Orbiter- und Oberflächenmissionen durchgeführten Untersuchungen resultieren, haben ergeben, dass sich die Staubteufel auf dem Mars bis zu Höhen von über 20 Kilometern erheben können und sich dabei zum Teil mit Geschwindigkeiten von teilweise deutlich mehr als 100 Kilometern pro Stunde fortbewegen.
Im Bereich des Gale-Kraters konnten die Marsorbiter der NASA in der Vergangenheit allerdings keine Anzeichen für dort auftretende Staubteufel registrieren. Eine mögliche Erklärung hierfür, so die beteiligten Wissenschaftler, wäre, dass die Wirbelwinde in dieser Region nicht so viel Staub in die Höhe befördern wie an anderen Orten und somit aus dem Orbit heraus nicht abgebildet werden können.
Die im Gale-Krater vorherrschenden Bedingungen scheinen zudem dazu zu führen, dass die unmittelbar am Standort des Rovers vorherrschenden oberflächennahen Winde vornehmlich in Ost-West-Richtung wehen. Dies ist eine für einige der beteiligten Wissenschaftler überraschende Entdeckung. Erwartet wurde vielmehr, dass der im Inneren des Kraters gelegene und fast sechs Kilometer hohe Zentralberg für die Entstehung von Hangwinden verantwortlich sein sollte, welche sich dann in einer Nord-Süd-Richtung über den nördlich des Zentralberges befindlichen Rover hinweg bewegen. Vielleicht, so ein erster Erklärungsversuch, spielt bei der jetzt gemessenen vorherrschenden Windrichtung der den Gale-Krater umgebende Kraterwall eine wichtige Rolle.
„Mit den Hängen des Kraterrandes im Norden und dem Zentralberg im Süden könnten wir es hier mit Winden zu tun haben, welche entlang der zwischen den beiden Erhebungen gelegenen Senke wehen“, so Claire Newman vom Ashima Research in Pasadena/Kalifornien, eine weitere Mitarbeiterin des REMS-Teams. Für die Zukunft ist geplant, dass sich Curiosity dem Zentralberg nähert und diesen auch „besteigt“. Spätestens dann sollte auch eine Veränderung der vorherrschenden Windrichtung erfolgen. „Sollten wir keine Veränderungen registrieren, sobald Curiosity den Hang hinauffährt, so wäre das eine echte Überraschung“, so Claire Newman weiter.
Bei den Messungen des Luftdrucks zeigen sich, wie von den Wissenschaftlern bereits im Vorfeld der Mission angenommen, sowohl regelmäßige tägliche als auch saisonale Schwankungen. Die saisonale Luftdruckschwankungen erklären sich durch die Freisetzung von großen Mengen an Kohlendioxid, welches in den vergangenen Monaten während des Winters auf der Südhemisphäre des Mars in der dortigen Polarregion in Form von Trockeneis gebunden war.
Neben verschiedenen Spurengasen wie zum Beispiel Sauerstoff, Kohlenmonoxid, Wasserdampf oder auch Methan besteht die Lufthülle unseres Nachbarplaneten zum überwiegenden Teil aus Kohlendioxid, welches dabei mit einen Anteil von 95,32 Prozent vertreten ist. Zwei weitere bedeutende Bestandteile der Marsatmosphäre sind Stickstoff (2,7 Prozent) sowie das mit einem Mengenanteil von 1,6 Prozent vorhandene Edelgas Argon. Diese Mengenanteile sind jedoch nicht konstant, sondern sie verändern sich vielmehr in einem bestimmten, jahreszeitlich bedingten Rhythmus.
Auf seiner sehr exzentrischen Umlaufbahn um die Sonne – der Wert der Exzentrizität der Marsbahn beträgt 0,0935 und weist nach der Umlaufbahn des Planeten Merkur die größte aus dem Sonnensystem bekannte Abweichung einer Planetenbahn von der idealen Kreisbahn auf – durchlebt der Mars eine regelmäßig erfolgende Veränderung in der Dichte und Zusammensetzung seiner Atmosphäre. Sobald auf einer der beiden Hemisphären des Mars der Winter einsetzt, friert das über dem betroffenen Pol in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid aufgrund der damit verbundenen tieferen Lufttemperaturen im großen Umfang aus der Atmosphäre aus und schlägt sich in Form von Trockeneisablagerungen auf der Oberfläche nieder. Im Rahmen dieses Prozesses bildet sich über dem jeweiligen Polargebiet ein ausgedehntes atmosphärisches Tiefdruckgebiet, welches die Luft des Planeten regelrecht in die Richtung des betroffenen Pols zieht.
Mit dem einsetzenden Frühling erhöht sich die Lufttemperatur wieder und das zuvor im festen Zustand auf der Polarkappe abgelagerte Kohlendioxid geht erneut in den gasförmigen Zustand über, was zu einer erneut erfolgenden Verdichtung der Atmosphäre führt. Dadurch bildet sich jetzt über dem betroffenen Pol ein Hochdruckgebiet, welches die Luftmassen wieder in Richtung des Marsäquators schiebt. Hierdurch werden in den oberen Atmosphärenschichten des Mars unter bestimmten Bedingungen Windgeschwindigkeiten von bis zu 650 Kilometern pro Stunde erzeugt. Die jetzt gewonnenen Daten der REMS-Station sollen genutzt werden, um die bisher zur Verfügung stehenden Modelle der Marsatmosphäre zu verbessern.
Die täglichen Luftdruckschwankungen entstehen dagegen durch eine Erwärmung der Atmosphäre infolge der direkt einfallenden Sonneneinstrahlung. Dieser Effekt wird von den Wissenschaftlern auch als atmosphärischen Gezeiten bezeichnet und hat dabei auch einen direkten Einfluss auf die hochenergetische Stahlung, welche die Marsoberfläche erreicht und die zum Beispiel die Gesundheit von Astronauten bei zukünftigen Marsmissionen gefährden könnte. Für die Ermittlung dieser Strahlungswerte steht das RAD-Instrument zur Verfügung.
„Wir erkennen ein Muster, welches mit den täglichen atmosphärischen Gezeiten in Zusammenhang steht“, so Don Hassler vom Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder/Colorado, der für das RAD-Instrument verantwortliche Wissenschaftler. „Die Marsatmosphäre sorgt für eine gewisse Abschirmung. Dies hat zur Folge, dass die geladene Teilchenstrahlung geringer ausfällt, wenn die Atmosphäre dichter ist. Insgesamt betrachtet wird die Strahlenbelastung durch die Marsatmosphäre deutlich reduziert, wenn wir sie mit den Werten vergleichen, welche während des Fluges zum Mars gesammelt wurden.“ Ein Astronaut wäre durchaus in der Lage, diese täglich auf der Marsoberfläche auftretende Strahlenbelastung zu überstehen. Das Problem besteht vielmehr in der Gesamtbelastung, welche im Rahmen einer insgesamt über zweijährigen Missionszeit zu erwartenden ist.
Bis zum heutigen Tag, dem Sol 100 der Mission, hat der Marsrover Curiosity eine Distanz von über 480 Metern auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurückgelegt. Dabei haben die Kamerasysteme des Rovers mittlerweile über 24.000 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des JPL übermittelt. Diese Bilder sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.
Nach dem jetzt erfolgten Abschluss der Analysen der ersten Bodenproben durch das SAM-Instrument soll Curiosity seine Fahrt noch an diesem Wochenende fortsetzen. Im Rahmen dieser kurz ausfallenden Fahrt über eine Distanz von wenigen Metern soll sich der Rover der Region Glenelg nähern, wo dann auch erstmals das Bohrsystem getestet werden soll.
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