Curiosity: Wasser formte den Gale-Krater auf dem Mars

Bereits seit mehreren Monaten erkundet der Marsrover Curiosity Gesteinsformationen am Fuße des Zentralberges im Inneren des Gale-Kraters. Die beteiligten Wissenschaftler haben jetzt Hinweise darauf gefunden, dass sich dieser Berg aus Sedimenten gebildet hat, welche zuvor über mehrere Millionen Jahre hinweg in einem großen See ablagert wurden. Dies deutet darauf hin, dass auf dem Mars einstmals erheblich längere Perioden mit einem feuchten Klima aufgetreten sein könnten als bisher angenommen wurde.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, USGS.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Die Gesteine in der Region „Pahrump Hills“ weisen einen ausgeprägten Schichtaufbau auf. Dieses Foto der Gesteinsformation „Whale Rock“ wurde am 2. November 2014 mit der MastCam angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Seit seiner am 6. August 2012 erfolgten Landung auf unserem Nachbarplaneten erforscht der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Marsrover Curiosity das Innere des 154 Kilometer durchmessenden Gale-Kraters. Neben den anderen wissenschaftlichen Zielen, welche die NASA mit dieser ambitionierten Mission verbindet, richtet sich das Interesse der Marsforscher dabei besonders auf die Untersuchung der klimatologischen und geologischen Bedingungen, welche einstmals in dieser Region des Mars vorgeherrscht haben. Ganz speziell steht dabei der im Inneren des Gale-Krater gelegene Zentralberg „Aeolis Mons“ im Fokus der Wissenschaftler.

Diverse Aufnahmen von verschiedenen Marsorbitern zeigten bereits im Vorfeld der Curiosity-Mission, dass dieser bis zu 5.500 Meter über den Boden des Kraters hinausragende Berg an seinen Flanken über einen ausgeprägten Schichtaufbau verfügt. In den einzelnen Schichten ist – vergleichbar mit den Steilwänden des Grand Canyon im US-Bundesstaat Arizona – die langfristige klimatologische und geologische Geschichte dieser Region der Marsoberfläche enthalten. Anders als in den auf der Erde gewonnenen Bohrkernen liegen diese Informationen dabei mehr oder weniger offen zutage und sind für Curiosity somit relativ leicht einsehbar.

Bereits am 18. September 2014, dem Sol 753 seiner Mission, erreichte der Rover eine mit dem Namen „Pahrump Hills“ belegte Region, welche sich etwa 150 Meter über den tiefsten Punkten des Gale-Kraters befindet und die nach der Meinung der an der Curiosity-Mission beteiligten Geologen ein Bestandteil der untersten Gesteinsschicht darstellt, aus der sich der Zentralberg Aeolis Mons zusammensetzt. Durch die intensive Untersuchung der hier befindlichen Gesteine ergeben sich jetzt neue Einblicke, welche einen Hinweis darauf liefern könnten, dass auf dem Mars einstmals viel länger wärmere und zugleich auch ‚feuchtere‘ Umweltbedingungen anzutreffen waren als bisher angenommen wurde.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Im April 2014 untersuchte der Rover diese in der Region Kimberley gelegenen Schichten aus Sandstein, bei denen es sich um die Überreste von Sedimentablagerungen handelt. Dabei wurde eine fortschreitende Anhäufung dieser Strukturen in Richtung des Zentralberges registriert.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Der Schichtaufbau des Aeolis Mons
Im bisherigen Missionsverlauf zeigten die Daten von Curiosity bereits mehrfach, dass der Gale-Krater in der Frühzeit des Mars dem Einfluss von flüssigem Wasser ausgesetzt war. Unter anderem konnte im September 2012 ein uraltes, mittlerweile aber bereits seit mehreren Milliarden Jahren ausgetrocknetes Flussbett identifiziert werden. Unklar war dabei, wie lange dieser von Norden aus in den Gale-Krater mündende Fluss einstmals Wasser führte. War das ein einmaliges und eventuell nur kurzzeitig auftretendes Phänomen, dauerte es – in geologischen Zeitspannen betrachtet – länger an oder hat sich dieser Prozess im Verlauf der Jahrtausende und Jahrmillionen vielleicht sogar mehrfach wiederholt?

Auf den Fotos, welche der Rover in den letzten Monaten von seiner unmittelbaren Umgebung angefertigt hat, sind eine Vielzahl von dünnen Gesteinsschichten erkennbar, die sich offenbar aus unterschiedlich erosionsresistenten Materialien zusammensetzen. Derartige Strukturen, so die allgemeine Ansicht der Geologen, können sich jedoch nur unter der langfristigen Einwirkung von flüssigem Wasser bilden. Die Mitarbeiter der Curiosity-Mission interpretieren diese Strukturen aufgrund der in den letzte Monaten gewonnenen Daten als einen Hinweis darauf, dass das Innere des Gale-Kraters einstmals von einem großflächigen, eventuell sogar mehrere hundert Meter tiefen See bedeckt war.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Diese Aufnahme der MastCam dokumentiert ein ehemaliges Flussbett. Die hier erkennbaren geologischen Strukturen sind charakteristisch für die Überreste eines Flussdeltas, welches in einen See mündet und das dabei in mehreren Schritten ‚anwuchs‘. Das hier gezeigte „Zabriskie Plateau“ befindet sich etwa 500 Meter nordöstlich der „Pahrump Hills“.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Die in den Gale-Krater mündenden Flüsse haben demnach Sedimentpartikel mit sich geführt und diese an ihren Mündungen zunächst in Schwemmfächern abgelagert. Dieser Prozess wiederholte sich über einen Zeitraum von vermutlich mehreren zehn Millionen Jahren immer wieder. Durch diese stetig erfolgenden Überlagerungen mit nachfolgenden Sedimenten verdichteten sich die einzelnen Sedimentschichten – bedingt durch das auf ihnen lastende Gewicht – immer mehr. Infolge von chemischen Reaktionen kam es schließlich zu einer Zementation der einzelnen Schichten.

Nach einer dramatischen Veränderung der atmosphärischen Bedingungen, welche vor mehr als 3,7 Milliarden Jahren erfolgte, ‚verlor‘ der Mars neben einem Großteil seiner Atmosphäre auch sein flüssiges Wasser. In der Folgezeit waren die einzelnen Sedimentschichten einer permanenten Erosion ausgesetzt, wobei die auf dem Mars wehenden Winde eine entscheidende Rolle spielten. ‚Weichere‘ Schichten der zuvor abgelagerten Sedimente wurden durch den Wind teilweise abgetragen, wobei der von dem Wind transportierte Sand und Staub im Verlauf der Jahrmilliarden wie ein Sandstrahlgebläse fungierte. Gegen diese Winderosion widerstandsfähigere Sedimentschichten blieben dagegen erhalten und sind in der Gegenwart als aus dem Gestein herausragende Strukturen erkennbar.

NASA, JPL-Caltech, Imperial College
Dieses Diagramm veranschaulicht die Verlagerung von Sedimenten in einem flüssigen Medium. An der Stelle wo ein Fluss in einen See mündet, verlangsamt sich die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers. Mitgeführte Sedimente werden dabei in einem bestimmten Muster am Grund abgelagert. Im Laufe der Zeit werden diese Sedimente immer weiter in Richtung des Zentrums des Sees verfrachtet.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Imperial College)

Anzeichen für einen früheren See
Die schräge Ausrichtung dieser feinen, teilweise nur wenige Millimeter dicken Sedimentschichten, welche in die südöstliche Richtung zeigt, legt zudem nahe, dass sich das von den Flüssen transportierte Lockermaterial vor seiner Zementation von dem Delta weg bewegt hat. Dabei wurde das Lockermaterial in die Richtung des jetzigen Zentralberges transportiert, wo sich demzufolge einstmals ein tieferes Gewässer befunden haben muss. Durch diesen Prozess wurden im Laufe von Jahrmillionen immer neue Sedimente am Grund dieses Sees abgelagert. Selbst in zwischenzeitlichen Trockenperioden wäre das Wasser aus diesem See laut den an der Curiosity-Mission beteiligten Wissenschaftlern in Form von Grundwasser erhalten geblieben. Somit hätte sich auch über lange Zeiträume hinweg eine prinzipiell lebensfreundliche Umweltsituation ergeben.
Der Mars – früher noch ‚lebensfreundlicher‘ als bisher gedacht?
Bereits nach weniger als einem Jahr haben die Daten des Rovers Curiosity gezeigt, dass auf unserem Nachbarplaneten einstmals Bedingungen herrschten, welche prinzipiell die Entstehung und Weiterentwicklung von primitiven Lebensformen begünstigt haben könnten. Die jetzt gewonnenen Daten liefern Hinweise darauf, dass es auf dem Mars zudem einstmals deutlich längere Perioden mit wärmeren und somit auch ‚feuchteren‘ Umweltbedingungen gegeben haben könnte, als bisher angenommen wurde. Allerdings müssen die Planetologen jetzt eine Antwort auf die Frage finden, welche exakten atmosphärischen Bedingungen die Existenz von Wasser auf dessen Oberfläche einstmals über einen längeren Zeitraum möglich gemacht haben könnten.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Feine, nur wenige Millimeter dicke Schichten aus Sedimenten bildeten diesen Felsen in der Region „Pahrump Hills“. Diese Aufnahme wurde am 28. Oktober 2014 angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

„Sofern sich unsere Hypothese über den Mount Sharp [so der NASA-interne, allerdings nicht offizielle Name für den Aeolis Mons] bestätigen sollte, stellt das die bisherigen Ansichten über den Mars infrage, laut denen warme und feuchtere Bedingungen lediglich kurzzeitig, lokal begrenzt oder sogar nur unterhalb der Planetenoberfläche aufgetreten sind“, so Dr. Ashwin Vasavada, der stellvertretende Projektwissenschaftler der Curiosity-Mission am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien. „Eine radikale Annahme wäre dabei, dass durch eine einstmals dichte Atmosphäre die Temperaturen auf dem urzeitlichen Mars planetenweit über den Gefrierpunkt gestiegen sind. Allerdings wissen wir bislang nicht, wie das geschehen sein könnte.“
Durch seine weiteren Untersuchungen, so die Erwartung der beteiligten Wissenschaftler, wird der Marsrover Curiosity dazu beitragen, dieses bisherige Geheimnis zu lösen und die Mysterien zu entschlüsseln, welche sich im Laufe der Zeit durch die Wechselwirkung zwischen dem Wasser, den Sedimentgesteinen und der Atmosphäre ergeben haben.

„Wir sind auf einem guten Weg, das Geheimnis des Mount Sharp zu entschlüsseln“, so John Grotzinger, der Projektwissenschaftler der Curiosity-Mission vom California Institute of Technology (CIT) in Pasadena. „Wo sich heute ein Berg befindet, könnten sich früher einmal Seen befunden haben.“

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Seit dem gestrigen Tag ist Curiosity wieder mit der Untersuchung der Gesteinsformation „Whale Rock“ beschäftigt. Die hier gezeigte Aufnahme wurde am 2. November 2014 angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Die weitere Vorgehensweise
Auf seinem Weg durch die Region „Pahrump Hills“ erreichte Curiosity am gestrigen Tag – dem Sol 835 – nach einer Fahrt über eine Distanz von etwa 32 Metern erneut eine mit dem Namen „Whale Rock“ belegte Gesteinsformation, welche bereits Anfang November 2014 erstmals untersucht wurde. In den kommenden Tagen sollen im Rahmen einer weiteren und diesmal ausführlicheren Untersuchungskampagne die dort entdeckten feinen Strukturen der einzelnen Gesteinsschichten sowie die chemische und mineralogische Zusammensetzung des Gesteins analysiert werden.

Um die an seinem Instrumentenarm montierten Instrumente – es handelt sich um ein Alphapartikel-Röntgenspektrometer und um eine Mikroskopkamera – erfolgreich einsetzen zu können muss der Rover jedoch sehr nahe an diese Formation herandirigiert werden. Dies könnte sich aufgrund der Unwegsamkeit des Geländes allerdings als kompliziert gestalten. Die für die Steuerung von Curiosity verantwortlichen ‚Roverdriver‘ des JPL gehen davon aus, dass sie mehrere Anläufe benötigen werden, um eine optimale Position für diese In-situ-Untersuchungen einzunehmen.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Ein weiteres Beispiel für geschichtete Sedimentablagerungen in der Region Pahrump Hills.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Nach dem Abschluss seiner Analysen in der Region „Pahrump Hills“ soll der Rover dann weiter in Richtung des Zentralberges dirigiert werden und dabei noch höher gelegene Regionen ansteuern. Durch eine langsame ‚Besteigung‘ des Berges, welche mit weiteren ausführlichen Analysen von aus geologischer Sicht interessant erscheinenden Ablagerungen verbunden sein wird, soll diese Entwicklungsgeschichte im weiteren Verlauf der Mission Schritt für Schritt erforscht und entschlüsselt werden. Auf diese Weise erhoffen sich die auf die Erforschung des Mars spezialisierten Wissenschaftler weitere Erkenntnisse darüber, wann, wie, warum und in welchen Zeiträumen sich das Klima und die Umweltbedingungen auf dem Mars einstmals so dramatisch verändert haben.

„Sobald Curiosity in höher gelegene Regionen fährt werden wir eine Reihe von Untersuchungen durchführen, die uns zeigen sollen, auf welche Weise die Atmosphäre, das Wasser und die Sedimente interagiert haben“, so John Grotzinger weiter. „Dabei werden wir auch sehen, wie sich die dortigen chemischen Bedingungen im Laufe der Zeit verändert haben.“

Bis zum heutigen Tag, dem gerade anbrechenden Sol 837 seiner Mission, hat der Marsrover Curiosity fast zehn Kilometer auf der Marsoberfläche zurückgelegt. Dabei hat der Rover mit seinen Kamerasystemen inzwischen 206.348 Bilder aufgenommen und an das Roverkontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien übermittelt. Diese Aufnahmen sind für die interessierte Öffentlichkeit auf einer speziellen Internetseite des JPL einsehbar.

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