Diese Woche zog das Commercial Crew and Cargo Program Office (C3PO) der NASA öffentlich Bilanz über die Fortschritte im vergangenen Jahr. Gleichzeitig wurde der Entwicklungsfahrplan für 2014 vorgezeichnet.
Ein Beitrag von Michael Clormann. Quelle: NASA, Raumcon.
Tatsächlich dürften die nächsten zwölf Monate für den Auswahlprozess einer US-amerikanischen Kapazität für den erdnahen Astronautentransport einige richtungsweisende Entscheidungen bereithalten. Die vorerst letzte bereits klar definierte Stufe des Programms, Commercial Crew Transportation Capability (CCtCap), soll noch im Sommer mit neuen Fördermitteln für die teilnehmenden Privatanbieter an Fahrt gewinnen. Bisher wetteifern in erster Linie die Sierra Nevada Corporation (SNC) mit ihrem Raumgleiter-Konzept Dream Chaser, Boeing mit der Kapsel CST-100 und SpaceX mit einer bemannten Version ihrer Dragon-Kapsel samt Falcon 9-Träger, um zukünftige Aufträge zur Personalversorgung der ISS.
Meilensteine und Jahresausblick
SNC konnte mit Dream Chaser zuletzt im Oktober 2013 einen spektakulären Meilenstein erreichen: Ein Testmodell der Raumfähre führte erstmals, abgeworfen aus mehreren Kilometern Höhe, einen selbstständigen Gleitflug samt Landung durch. Das Versagen eines der beiden Fahrwerke führte allerdings zur „Bruchlandung“ und trübte die kalkulierte Erfolgsmeldung. Wie sich letztlich herausstellte, wurde das Versuchsmodell jedoch nur leicht beschädigt und der Zeitplan wohl nicht entscheidend zurückgeworfen. Im August war zuvor der letzte captive-carry-Test des „Traumjägers“, angehängt an einen Transporthubschrauber, erfolgreich verlaufen.
Für 2014 will man sich in Nevada weitere Gleittests, umfangreiche Windkanal-Versuche und die Weiterentwicklung des Antriebssystems für die Fähre auf die Fahnen schreiben. Weiterhin soll in enger Kooperation mit der NASA vor allem am Sicherheitskonzept des Gleiters weiter gefeilt werden.
Von Boeings Mannschaftskapsel CST-100 waren im vergangenen Jahr vergleichsweise wenige Fortschrittsmeldungen an die Öffentlichkeit gelangt. Im Sommer konnte jedoch immerhin ein provisorisch eingerichtetes Demonstrationsmodell des Raumfahrzeugs von Astronauten auf seine Bedienbarkeit und Praxistauglichkeit hin beurteilt werden. Zeitlich präsentierte Boeing die Grundzüge der vorgesehenen Innenraumgestaltung der Kapsel. Auch auf anderem Gebiet erreichte man ein gestecktes Zwischenziel: Für die Antriebskomponenten von CST-100 ist nach übereinstimmender Einschätzung der NASA die Entwicklungsphase abgeschlossen. In nächster Zeit gilt es nun vor allem, ihre Integration in das Raumschiff erfolgreich technisch zu bewerkstelligen.
Auch SpaceX konnte im vergangenen Jahr einige Schritte in Richtung bemannter Transportfähigkeit gehen. Ende September absolvierte die modifizierte Version Falcon 9 v1.1 des hauseigenen Trägersystems ihren Erstflug weitgehend erfolgreich. Ihre, im Vergleich zur Vorgängerversion, gesteigerte Leistungsfähigkeit sollte die zukünftige Dragon-Besatzung zu ihrem Einsatzort im niedrigen Erdorbit bringen können. Zu den bisher insgesamt drei geglückten Starts des Typs 1.1 werden, so hofft man, 2014 einige weitere hinzukommen. Eine fortgesetzte Erfolgsserie, so sie den eintritt, dürfte im Auswahlverfahren der NASA für das CCP sicherlich registriert werden. Gleiches gilt für die Bewährungsproben, denen sich das Startabbruch-System in den kommenden Monaten stellen muss. Nur wenn die neu entwickelten SuperDraco-Triebwerke sich als geeignet erweisen, Dragon samt Crew bei Start-Komplikationen in Sicherheit zu bringen, kann SpaceX sein CCP-Konzept wie geplant weiterführen.
Blue Origin, das Raumfahrtunternehmen des Amazon-Gründers Jeff Bezos, befindet sich offenbar ebenfalls noch im erweiterten Kreis möglicher Teilnehmer. Von dort waren allerdings im abgelaufenen Jahr, außer einem planmäßig durchgeführten Brennversuch des BE-3 Raketenmotors, kaum handfeste Ergebnisse an die Öffentlichkeit gelangt. Es bleibt wahrscheinlich, dass Blue Origin sich auf dem Gebiet ausgereifter Träger- und Kapsel-Konzepte gegenüber den Mitbewerbern deutlich im Hintertreffen befindet.
Rahmenbedingungen für 2014
Insgesamt wird das Jahr 2014 für die bisher am CCP beteiligten privaten Unternehmen erhebliche Herausforderungen bereithalten. Erstens: Man nähert sich mit schnellen Schritten den letzten Phasen der technischen Entwicklung und dem Ende des aktuellen NASA-Zeitplans. Zweitens: Eine weitere Selektion unter den vier bemannten Raumfahrzeug-Konzepten wird unausweichlich sein. Nicht zuletzt das jüngst genehmigte NASA-Budget für das kommende Jahr legt dies nahe: Der Kostenbereich Commercial Spaceflight wird mit deutlich weniger Mitteln (gut 15% Kürzung) auskommen müssen als bisher im Haushaltsentwurf vorgesehen. Höchstens einer oder zwei der kommerziellen Anbieter wird weiterhin mit substanzieller Förderung rechnen können.
Einen neue Perspektiven für das Programm hat sich in den letzten Wochen allerdings herauskristallisiert: Sollte die ISS, wie nun offenbar geplant, tatsächlich bis 2024 in Betrieb bleiben, käme der Sicherstellung einer von Russland unabhängigen, amerikanischen Mannschaftsversorgung neue Bedeutung zu. Was dies für die Weiterführung des Commercial Crew Program bedeuten mag, bleibt abzuwarten.
Verwandte Meldungen:
- NASA-Budget 2014 – der Kahlschlag bleibt aus
- ISS bleibt vielleicht bis mindestens 2024 in Betrieb
- US-Crewtransport: Boeing, SpaceX und SNC ausgewählt
- Dream Chaser mit europäischer Beteiligung?
- Dream-Chaser-Modell bei Test beschädigt – Update
- CCDev: Boeings CST 100
- SpaceX bekräftigt bemannte Dragon-Kapsel
Diskutieren Sie mit: