Columbia – eine Woche danach

Eine Woche nach dem Verlust der Columbia verschwindet das Thema langsam aus der aktuellen Berichterstattung. Wer – vor allem hierzulande – mit schnellen Schlussfolgerungen zur Hand war, sieht sich enttäuscht: Außer dem Verlust der Columbia, und ihrer jungen Besatzung ist nur eines sicher – es wird eine lange, mühsame Fehlersuche werden und es bleibt uns derzeit nur zu hoffen, dass die Fehlerursache überhaupt gefunden werden kann.

Ein Beitrag von Lutz Growalt.

STS-107-Wiedereintritt im Blick eines hochauflösenden Kamerasystems der US-amerikanischen Luftwaffe. (Bild: USAF)
STS-107-Wiedereintritt im Blick eines hochauflösenden Kamerasystems der US-amerikanischen Luftwaffe. (Bild: USAF)

Nach einer Woche mit stundenlangen, sehr technisch geprägten Pressekonferenzen, mit anrührenden Trauerfeiern und einem in dieser Sache sehr einfühlsam agierenden George W. Bush erscheint es sinnvoll, das Wenige, was gesichert bekannt ist, nochmals zusammenzutragen.

Wie allerorten gemeldet, löste sich beim Start der Columbia am 16. Januar 2003 ein Stück Schaumstoffisolierung von dem großen Außentank und traf, vom Luftstrom beschleunigt, auf die Außenkante der linken Tragfläche. In dem darauffolgenden Tagen untersuchten mehrere Ingenieurteams der NASA diesen Vorgang. Nach Analysen und Beratungen kommt man zu dem Schluss, dass dies keine Gefahr für die Sicherheit von Besatzung, Orbiter und Mission darstellt. Grundlage dafür ist – neben einigen Videobildern mit geringer Auflösung – der Vergleich mit einer vorangegangen Mission, bei der dies ebenfalls passierte und drei Untersuchungen über mögliche Beschädigungen des Hitzeschilds des Shuttles aus den 1990er Jahren.

Beim Wiedereintritt der Columbia am 1. Februar 2003 kommt es dann zur Katastrophe. Der Orbiter bricht am wolkenlos blauen Himmel über Texas auseinander. Was am ersten Tag nach dem Unglück gesagt wurde, gilt auch noch heute: Es gab bis siebeneinhalb Minuten vor dem Auseinanderbrechen so gut wie keine Anzeichen über die bevorstehenden Ereignisse. Eine Analyse der im Flugkontrollzentrum überwachten Daten erlaubt die Rekonstruktion dieser letzten Minuten – inwiefern diese direkt an den Anzeigen ablesbaren Hinweise für das Unglück relevant sind, ist nicht klar.

Bei der NASA hat sich inzwischen ein Berg von Foto- und Filmaufnahmen angesammelt, der zur Zeit noch ausgewertet wird. Dabei gilt es vor allem, den Schrott auszusortieren – wir erinnern uns an die vor einigen Tagen aufgetauchten, angeblichen Aufnahmen des israelischen Fernsehens, die „meterlange Risse“ in den Tragflächen zeigen sollten. Neu hinzugekommen ist in den letzten beiden Tagen eine Aufnahme von einem hochauflösenden Kamerasystem der amerikanischen Luftwaffe. Dieses Bild zeigt möglicherweise eine Beschädigung an der Vorderkante des linken Flügels der Columbia und eine Rauchspur an der Hinterkante der Tragfläche.

In den Computersystemen stecken noch insgesamt 32 Sekunden Daten aus der Zeit nach dem Abbruch der Verbindung zur Missionskontrolle – 32 Sekunden. Dies sind Daten, die wegen möglicher enthaltener Fehler automatisch von Software ausgefiltert wurden und die Monitore der Flight Controller in Houston nie erreichten. Inwiefern es überhaupt möglich ist, diese Daten zu extrahieren und ob diese Informationen dann bei der Suche nach Hinweisen auf die Ursache des Unglücks eine Rolle spielen, ist ebenfalls unklar.

Was bleibt, ist das mühselige Zusammensuchen der Trümmer. Der größte Teil ist über ein Gelände im westlichen Texas verteilt. Zwar wurden bisher über 1.000 Trümmerteile geborgen – ein zwingender Hinweis auf die Ursache der Tragödie war bislang nicht dabei.


Am Ende der ersten Woche wird klar, daß wir in keinem Fall die Lösung – und die möglichen Schuldigen – eindeutig auf dem Silbertablett serviert bekommen werden. Was die Schuldigen anbelangt, so stehen die Chancen gut, daß Columbia das war, was Apollo 1 und Challenger niemals waren: ein Unfall, wie sie in unserer Welt eben geschehen, ohne daß jemanden die Schuld trifft, ohne dass es Versäumnisse gegeben hätte, ohne daß „die Technik“ schuld war. Vielleicht war es das Schaumstoffstück. Es ging bei einem Flug gut, bei der Columbia nicht. Vielleicht war es Weltraumschrott, vielleicht verlorene Kacheln.

Wir werden uns noch ein wenig gedulden müssen, soviel ist sicher.

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