Cluster klärt Rätsel um Protonen-Polarlicht

Wenn die Sonne auf Sturm steht, bombardieren atomare Teilchen die Erde. Die Auswirkungen können verheerend sein.

Ein Beitrag von meiklampmann. Quelle: ESA.

Diese und andere Wechselbeziehungen der Sonne mit unserem Heimatplaneten untersucht das Cluster-Satellitenquartett der Europäischen Weltraumorganisation ESA seit seinem Start im Sommer 2000. Jetzt gelang es, den Ursprung der rätselhaften Protonen-Polarlichter zu finden.
Bei diesen als „dayside proton aural spots“ bezeichneten Protonen-Polarlichtern handelt es sich um rot-violette Leuchterscheinungen in den oberen Schichten der Atmosphäre. Diese Polarlichter treten auf, wenn das Erdmagnetfeld, das uns gegen die anbrandenden Partikel des Sonnenwindes schützt, an bestimmten Stellen einbricht. Der solare Partikelschauer kann nun durch die Lücken im magnetischen Schutzschild bis in die niederen Schichten der Erdatmosphäre vordringen. Dort kollidieren die Teilchen aus dem All mit den Luftmolekülen. Die dabei freigesetzte Energie führt zu den himmlischen Leuchterscheinungen. Durch die Beobachtungen des Cluster-Quartetts konnte erstmals ein klarer und unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Aufklaffen des irdischen Magnetschildes und den Protonen-Polarlichtern hergestellt werden.
Hightech im Tetrapack
Um die von der Sonne auf das tägliche Leben der Erdbewohner ausgehenden Auswirkungen in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung exakt erfassen zu können, wurden vier baugleiche Cluster-Satelliten im Sommer 2000 ins All gebracht. Das Satellitenquartett agiert im erdnahen Raum im Formationsflug, der die Form einer Dreiecks-Pyramide bildet. Dadurch ist ein dreidimensionales Studium der solar-terrestrischen Wechselbeziehungen möglich. Damit die Daten miteinander verglichen werden können, verfügt jede Sonde über die gleichen Messinstrumente. Die vier Cluster-Satelliten Salsa, Samba, Tango und Rumba bilden mit dem in Sonnennähe operierenden ESA-NASA-Sonnenobservatorium SOHO einen wissenschaftlichen Verbund. SOHO registriert die Aktivitäten des Zentralgestirns, Cluster deren Auswirkungen auf die Erdmagnetosphäre. Seit dem 1. Februar 2001 läuft die routinemäßige Erfassung der Datenautobahn Sonne – Erde.

Erde unter Dauerfeuer
Unser Zentralgestirn schleudert in jeder Sekunde eine Million Tonnen elektrisch geladener Teilchen ins All, die das gesamte Sonnensystem durchfluten. Dieser größtenteils aus Elektronen und Protonen bestehende Sonnenwind trifft mit Geschwindigkeiten bis zu 750 km/s auf die Erde. Das energiereiche Partikelbombardement würde unseren Heimatplaneten tödlich verstrahlen, besäße er mit seinem Magnetfeld nicht einen unsichtbaren Käfig. Das Erdmagnetfeld wirkt wie ein schützender Kokon, der die gefährliche Teilchenstrahlung um die Erde herumlenkt. Immer wieder jedoch überwinden geladene Partikel aus dem Sonnenwind den magnetischen Schutzschild. In der Regel sind es Elektronen, die an den Feldlinien des Erdmagnetfeldes entlang wandern, in den Polregionen in die Ionosphäre vordringen und dort die typischen Polarlichter auslösen. Sehr viel seltener durchbrechen aber auch Protonen den Magnetkokon der Erde. Sie dringen in die Lufthülle ein und entziehen den Atomen in der Erdatmosphäre Elektronen. Die Folge sind ganz besondere Leuchterscheinungen, die so genannten Protonen-Polarlichter.

Polarlicht-Patrouille
Am 18. März 2002 drang ein derartiger Strom solarer Protonen in die Erdatmosphäre ein und löste ein Protonen-Polarlicht aus, das der NASA-Satellit IMAGE beobachtete. Zur selben Zeit befanden sich die vier Cluster-Satelliten der ESA über diesem Gebiet und durchquerten die Himmelsregion, aus der der Protonenstrom kam. Wie eine eingehende Analyse der Cluster-Daten nun ergab, wurde diese Region just zum Zeitpunkt des Protonen-Polarlichts von einer so genannten magnetischen Rekonnexion erschüttert. Ein solches Ereignis tritt auf, wenn das sonst undurchdringliche Erdmagnetfeld an einer Stelle instabil wird, die Magnetfeldlinien aufbrechen, sich reorganisieren und schließlich neu verbinden. Dabei werden gewaltige Energien aus dem Sonnenwind in die Magnetosphäre der Erde übertragen. „Dank der Cluster-Daten konnten Wissenschaftler nun zum ersten Mal einen engen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem Protonen-Polarlicht und einer magnetischen Rekonnexion herstellen“, so Philippe Escoubet, der bei der ESA als Projektwissenschaftler für die Cluster-Mission zuständig ist.
Durchbruch für die Forschung
Damit eröffnen sich völlig neue Wege zur Untersuchung des irdischen Magnetschildes. Der Wissenschaftler Tai Phan, der die Untersuchung an der University of California leitet, ist begeistert: „Dieses Ergebnis bedeutet einen Durchbruch für die Forschung. Wir können nun anhand der Beobachtung von Protonen-Polarlichtern feststellen, wo und wie sich Risse im Magnetfeld bilden und wie lange es dauert, bis diese sich wieder schließen. Uns steht jetzt also ein extrem leistungsfähiges Instrument zur Verfügung, mit dem wir das Eindringen des Sonnenwindes in die Erdmagnetosphäre künftig untersuchen können.“

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