In Publikationen rund um den gegenwärtigen Flug dreier chinesischer Raumfahrer mit dem Raumschiff Shenzhou 10 und der Raumstation Tiangong 1 wurden verschiedene neue Fakten zur Zukunft der chinesischen Raumfahrt bekannt.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: Xinhua, KCAST, Sina, Dragon in Space, Raumcon. Vertont von Peter Rittinger.
So soll offenbar Tiangong 1 (sprich kurz: Tjen-gung) nach der aktuellen Mission noch etwa 1 Jahr autonom im All operieren und Messwerte vielfältiger Sensoren an Bord zur Erde übertragen. Die Technik arbeitet offenbar sehr zuverlässig, so dass man noch ausgiebiger testen kann. Zu den überprüften Systemen gehören Steuerung, Antrieb, Lageregelung, Lebenserhaltung, Kühlung, Navigation und Kommunikationssystem sowie die Energieversorgungseinrichtungen. Gegenwärtig verwendet Shenzhou 10 (sprich kurz: Schin-dschu) Solarzellen mit einem Wirkungsgrad von 26%, welcher der höchste in der aktuellen bemannten Raumfahrt weltweit ist.
Der Start des Nachfolgers Tiangong 2 wurde aufgrund der guten Resultate mit Tiangong 1 auf 2015 verschoben, wodurch man in einen Bereich kommt, in dem die neue Trägerrakete CZ 7 einsatzbereit wird. Diese hat eine höhere Nutzlast um 13,5 Tonnen, wodurch man die zweite Teststation größer bauen kann. Zudem entfällt damit die dritte Teststation, so dass man nach ausführlichen Tests mit Tiangong 2 in den Jahren 2015 bis 2019 anschließend gleich den Aufbau der modularen Raumstation in Angriff nehmen möchte.
Deren Grundaufbau soll 2022 zur Verfügung stehen und wohl aus drei großen Modulen bestehen. Das Kernmodul stellt Antrieb, Steuerung und mehrere Kopplungsstellen sowie Lebensraum für die Besatzungen bereit. Zwei Forschungsmodule sollen am Kopfteil seitlich angekoppelt werden und sowohl unter Druck stehenden Arbeitsraum als auch Platz für Außenlasten bieten. Geplant sind hier unter anderem eine Ausstiegsschleuse und ein Infrarot-Teleskop.
Weitere drei Kopplungsstellen stehen dann am Kopfteil und eine am Heck des Kernmoduls zur Verfügung. Hier sollen sowohl bemannte Shenzhou-Raumschiffe als auch unbemannte Transporter ankoppeln können. Letztere werden aus dem Design von Tiangong 1 abgeleitet und können bei einer Startmasse von 13,5 t maximal 6,5 t Nutzlast transportieren. Dabei teilt sich der Stauraum bei Bedarf in einen Part, der unter Druck steht, einen mit Flüssigkeiten oder Gasen unter definiertem Druck sowie einen weiteren für Außenlasten. In der zweiten Ausbaustufe nach 2022 könnten ein weiteres Kernmodul und seitlich zusätzliche Forschungsmodule angedockt werden.
Zum Entladen soll die modulare Station über einen Manipulatorarm verfügen. Ein weiterer dient möglicherweise zum Umsetzen der Module, die beim Eintreffen an der Längsachse ankoppeln. Das Nachtanken und die Verwendung eines Manipulatorarms ist bereits für Tiangong 2 vorgesehen. Die Station wird daher mit einem zweiten Kopplungsaggregat ausgerüstet sein.
Die gegenwärtige Besatzung der Station Tiangong 1, Nie Haisheng, Zhang Yiaoguang und Wang Yaping, verlebt mittlerweile ihren zweiten Tag an Bord der Station und ist vollauf beschäftigt. Insgesamt stehen 30 Experimente auf dem Programm, wovon die meisten den Gesundheitszustand der Besatzung bzw. Veränderungen im Organismus, welche durch die Schwerelosigkeit hervorgerufen werden, oder technische Erprobungen zum Gegenstand haben. Zweimal wird zudem eine Unterrichtsstunde aus dem All übertragen. Dabei soll u.a. gezeigt werden, wie sich Flüssigkeiten in der Schwerelosigkeit verhalten und wie man im All auf einem Ergometer trainiert.
Zunächst hatte man einige kleinere Umbauten in der Station vorgenommen. So wurde ein neuer Schlafsack mitgebracht und die bisher stoffartige, flexible Flurbespannung durch festere Auflagen aus einem speziellen Papiergeflecht ersetzt. Außerdem wurden erste medizinische Untersuchungen durchgeführt. Dazu verfügt die Station über Blutdruckmessgerät, EKG- und weitere Technik, darunter auch einen elektrischen neuromuskularen Stimulator, der die Muskeln mit Stromimpulsen zum Zucken bringt. Zur körperlichen Ertüchtigung gibt es auf der Station zudem ein Fahrrad-Ergometer und Expander. Wasser, Verpflegung und Bekleidung hatte man im Umfang von etwa 300 kg an Bord des Raumschiffes mitgebracht.
Beim Anflug an die Station sollte ein neuer Pfad versucht werden, wie er für die Kopplung eines kleinen Raumfahrzeugs mit einer größeren Station angewendet werden würde. Dabei sollte das Raumschiff bei der Annäherung nicht in gleicher Höhe sondern von unten anfliegen. Ob dieses Manöver auch so durchgeführt wurde, ist allerdings noch nicht bekannt gegeben worden.
Die Besatzung soll insgesamt 12 Tage an Bord der Station leben und arbeiten, dabei wird es erstmals ausgewiesene Freizeit zur Erholung geben. Nach insgesamt 15 Tagen im All soll die Landekapsel von Shenzhou 10 zur Erde zurückkehren.
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