China: Jilin 1 Satellitengruppe gestartet

Am 7. Oktober 2015 brachte ein Rakete vom Typ Langer Marsch 2D vom Raumfahrtzentrum Jiuquan in der inneren Mongolei aus eine Gruppe Erdbeobachtungssatelliten in den Weltraum.

Quelle: CAS, CAST, CASTC, charmingglobe.com, Chinadaily, China.org.cn, CIOMP, jilin.sbsm.gov.cn .

LM-2D-Start am 7. Oktober 2015
(Bild: CASTC / Spacechina)
LM-2D-Start am 7. Oktober 2015
(Bild: CASTC / Spacechina)

Der Start erfolgte um 12:13 Uhr Ortszeit, das ist 6:13 Uhr MESZ, von der Rampe 603. Als exakter Startzeitpunkt wird 12:13:04.760 Uhr Pekinger Zeit genannt.

An Bord der zweistufigen Trägerrakete befanden sich vier Satelliten unterschiedlicher Bauart, die sämtlich auf annähernd kreisförmigen Erdumlaufbahnen mit Höhen zwischen 639 und 664 Kilometern über der Erde und Bahnneigungen zwischen 98,039 und 98,052 Grad ausgesetzt wurden.

Zum Transport der Satelliten kam eine Tragestruktur für Mehrfachstarts zum Einsatz, an deren oberen Ende der schwerste der Passagiere saß. Die leichteren waren seitlich an der Struktur untergebracht, wobei laut chinesischer Quellen auf den Seitenpostionen zum ersten Mal Objekte der 100-Kilo-Klasse positioniert waren.

Nach Angaben aus China handelt es sich bei den neuen Erdtrabanten um die ersten in China entwickelten Fernerkundungssatelliten für einen kommerziellen Einsatz.

Nutzlast- und Tragstrukturkonfiguration
(Bild: charmingglobe.com)
Nutzlast- und Tragstrukturkonfiguration
(Bild: charmingglobe.com)

Die Jilin 1 genannte Satellitengruppe entstand in der nordostchinesischen Provinz Jilin, wo man der eigenen Satellitenindustrie eine neue Dynamik geben möchte. Die Provinz übernahm dann auch einen nicht unerheblichen Anteil an der Finanzierung.

Eine maßgebliche Rolle spielt auch das Unternehmen Chang Guang Satellite Technology Co., Ltd., ein Spinoff des Institutes für Optik, Feinmechanik und Physik Changchun (Changchun Institute for Optics, Fine Mechanics and Physics, CIOMP), welches zur Chinesischen Akademie der Wissenschaften (Chinese Academy of Sciences, CAS) gehört.

Nach eigener Darstellung produziert das Unternehmen aus Changchun hauptsächlich Sternen- und Sonnensensoren, Reaktionsräder und Gyroskope, Satelliten, Bodensysteme und unbemannte atmosphärische Flugkörper.

Nutzlast- und Tragstrukturkonfiguration
(Bild: charmingglobe.com)
Nutzlast- und Tragstrukturkonfiguration
(Bild: charmingglobe.com)

Der größte der am 7. Oktober 2015 gestarteten Satelliten, ebenfalls Jilin 1 oder auch Jilin-1 Optic A Satellite (吉林一号光学A星) genannt, ist ein Erzeugnis der Chang Guang Satellite Technology Co..

Die Masse von Jilin 1 liegt bei rund 420 Kilogramm. Sein Hauptkörper hat sechs Seitenflächen, der Boden ist ein Sechseck, ein Design, das sich bei Erdbobachtungssatelliten anderer Nationen bewährt hat.

Bei panchromatischer Bilderfassung mit dem dafür vorgesehenen System soll Jilin 1 eine Bodenauflösung im Bereich von 72 Zentimetern erreichen. Im Multispektral-Betrieb mit einer Kamera für Farb- und Infrarot-Bilder erwartet man eine Bodenauflösung von rund 2,88 Metern.

Die Abtastung des Erdbodens soll mit einer Schwadbreite von mehr als 11,6 Kilometern erfolgen. Jilin 1 ist für einen Beobachtungsbetrieb auch abseits von der exakt vertikalen Sichtlinie nach unten ausgelegt. Möglich sind abweichende Blickwinkel bis +/- 45 Grad.

Jilin 1 beim Hersteller
(Bild: charmingglobe.com)
Jilin 1 beim Hersteller
(Bild: charmingglobe.com)

Im Sinne einer hohen Agilität beim Abarbeiten von Beobachtungsaufgaben hat man dem Satellit die Fähigkeit zur schnellen Änderung seiner Ausrichtung gegeben. Für eine Blickwinkeländerung von + 30 auf – 30 Grad Abweichung von der Vertikalen wird laut Plan eine Zeit von unter zwei Minuten benötigt.

Mit elektrischer Energie versorgt wird der dreiachsstabilisierte Satellit von drei ausklappbaren, jedoch nicht drehbaren Solarzellenauslegern.

Bei Lingqiao A und B handelt es sich um kleinere Erdbeobachtungssatelliten mit einer Masse von jeweils rund 95 Kilogramm. Die von der Chang Guang Satellite Technology Co. gebauten Geräte besitzen einen Durchmesser von jeweils rund 1,1 Metern und eine Höhe von jeweils etwa 1,2 Metern.

Lingqiao-Satellit beim Hersteller
(Bild: charmingglobe.com)
Lingqiao-Satellit beim Hersteller
(Bild: charmingglobe.com)

Ausgestattet sind die beiden identisch aufgebauten Raumfahrzeuge mit 4K-HD-Videokamerasystemen. Aus der vorgesehenen Flughöhe heraus können damit Bilder mit einer erfassten Bodenfläche von etwa 2,4 auf 4,3 Kilometern aufgenommen werden. Die Bodenauflösung soll sich dabei im Bereich von circa 112 Zentimetern bewegen.

Die Stromversorgung von Lingqiao A und B erfolgt über auf einer ebenen Fläche auf der Satellitenstruktur montierte Solarzellen.

LQSat, der vierte am 7. Oktober 2015 gestartete Satellit, ist ein Technologiedemonstrator des CIOMP. Sein Hauptkörper ist 0,40 x 0,40 x 0,60 Meter groß, seine Masse beträgt rund 54 Kilogramm.

Rund ein Jahr lang möchte man LQSat im All stabil betreiben. Auf dem Satellitenrücken verteilte Solarzellen sollen ihn mit Strom versorgen. Sie werden dabei durch zwei links und rechts aufklappbare Solarpanele unterstützt. Zusammen können rund 35 Watt elektrischer Leistung generiert werden.

LQSat
(Bild: charmingglobe.com)
LQSat
(Bild: charmingglobe.com)

Die Beobachtungsnutzlast von LQSat umfasst Stereo- und Video-Kameras. Als mögliche Bodenauflösung werden rund fünf Meter angegeben, als Schwadbreite werden 10 Kilometer genannt.

Die Vermarktung und Bereitstellung der von den vier Erdbeobachtungssatelliten erfassten Daten erfolgt durch die Chang Guang Satellite Technology Co..

Die vom Unternehmen entwickelten Produkte sollen sich unter anderem in den Bereichen der Überwachung und Erkundung von Ressourcen und der Erfassung und Bewältigung von Unglücken und Katastrophen verwenden lassen. Die Angebote des Unternehmens richten sich an Kunden aus China und aus aller Welt.

Der Ausbau der Jilin-Satellitenkonstellation dürfte mit großen Schritten vorangehen, geht es nach den Vorstellungen aus China. Seitens der Beteiligten heißt es, dass zwischen 2016 und 2019 ein Ausbau auf 16 Satelliten im All erfolgen soll. Mit 16 Satelliten könnte eine Wiederholrate zwischen drei und vier Stunden für jeden am Boden zu beobachtenden Punkt weltweit realisiert werden.

Ab 2020 möchte man über eine Konstellation aus 60 Raumfahrzeugen verfügen. Mit dieser soll dann alle 30 Minuten eine Datenaktualisierung zu jedem Punkt am Erdboden möglich sein.

2030 schließlich will man eine Konstellation mit 138 Satelliten betreiben. Sie soll alle 10 Minuten tageszeit- und wetterunabhängig zu jedem Punkt am Erdboden eine Vielzahl von Daten liefern.

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