CERN sperrt Antimaterie ein

Wissenschaftern am CERN ist es erstmals gelungen, neutrale Antimaterie in einem speziell dafür entwickelten Käfig einzufangen. Sie konnten Antiwasserstoffatome für etwa 170 Millisekunden (0,17 s) vor dem Zerfall bewahren.

Ein Beitrag von Hans J. Kemm und Günther Glatzel. Quelle: press.web.cern.ch, WiTec 1995. Vertont von Peter Rittinger.

DESY
Beim Zusammenprall von Teilchen und Antiteilchen entsteht aus beiden Energie. (Bild: DESY)

Antiwasserstoff ist das Antimaterie-Gegenstück zum Wasserstoff. Der Atomkern besteht aus einem Antiproton, die Atomhülle aus einem Positron. Antiteilchen treten in der normalen Natur selten auf, da sie sich beim Kontakt mit Teilchen in Energie umwandeln. Dieses exotische Element kann aber in Teilchenbeschleunigern künstlich unter sehr großem Aufwand hergestellt, bisher aber nicht gespeichert werden. Die erzeugten Teilchen waren aber zu heiß und sie bewegten sich so schnell, dass sie für weitere Untersuchungen ungeeignet waren.

Jetzt endlich ist es Wissenschaftlern am CERN gelungen Atome aus Antimaterie herzustellen und dann einzufangen. Für die Forscher ist dadurch ein wichtiger Schritt getan, denn es eröffnet sich damit die Möglichkeit, zu untersuchen, ob sich das Antimaterie-Gegenstück ebenso verhält wie ein Wasserstoffatom gewöhnlicher Materie.

Der Weg dahin war aber schwierig und langwierig. Es mussten die Antiprotonen in dem Speicherring bis auf ein halbes Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden, um sie dann mit Positronen zu Antiwasserstoff-Atomen zu vereinen. Dazu gibt es ein speziell entworfenes Magnetfeldsystem, das wie ein Spiegel reagiert. Sobald sich die Antiteilchen der Begrenzung nähern, werden sie in die Mitte des Magnetfeldes zurückgespiegelt. So wurden insgesamt 38 Antiwasserstoff-Atome eingefangen und für jeweils gut anderthalb Zehntelsekunden festgehalten. Bei diesem Prozedere sind mehrere Millionen Antiwasserstoff-Atome erzeugt und davon 80 eingefangen worden.

Bereits 1995 ist es es einer deutsch-italienischen Forschergruppe am europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf erstmals gelungen, 11 Antiwasserstoffatome herzustellen und nachzuweisen. Im Low Energy Antiproton Ring LEAR kreisten damals seit Jahren Antiprotonen mit 96% der Lichtgeschwindigkeit. Die Wissenschaftler brachten stark gekühlte Xenon-Kügelchen in die Flugbahn der Antiprotonen. Durch Ladungswechselwirkungen entstanden laufend Elektronen-Positronen-Paare. Falls eines der Positronen zufällig gleiche Richtung und Geschwindigkeit eines vorbeifliegenden Antiprotons hatte, konnte es von diesem eingefangen werden. Somit hatte sich ein Antiwasserstoffatom gebildet. Dieses war elektrisch neutral (negative Ladung des Antiprotons und positive Ladung des Positrons) und brach daher an der ersten Kurve nach der Kontaktstelle aus dem Speicherring aus. Dort ließ es sich durch einen entsprechenden Detektor nachweisen.

Antimaterie wird deshalb hergestellt, weil man untersuchen möchte, ob für sie die gleichen Naturgesetzte wie für Materie gelten. Die nur 0,000.000.037 Sekunden lang existierenden Antiatome von 1995 waren für solche Untersuchungen allerdings ungeeignet, da sie sich zu schnell bewegten. Bessere Ergebnisse erwartete man damals für die darauffolgenden Monate und sah sich kurz vor einem Erfolg.

Eine weitere sehr interessante Eigenschaft ist die Tatsache, dass sich Materie und Antimaterie, wenn sie miteinander in Kontakt kommen, vollständig in Energie umwandeln. Mit 1 Gramm Antimaterie kann man auf diese Weise genausoviel Energie gewinnen wie mit 5 Millionen Litern Benzin (200 Terajoule).

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