Cassinis Saturnorbit Nummer 157

Am 28. Oktober 2011 wird die Raumsonde Cassini ihren 157. Orbit um den Planeten Saturn beginnen. Auch diesmal bildet ein gesteuerter Überflug des Mondes Enceladus den Höhepunkt dieses erneut 18 Tage andauernden Umlaufs. Hierbei wird erstmals das RADAR-Instrument zur Untersuchung von Enceladus eingesetzt werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society.

NASA, JPL, Space Science Institute, Bearbeitung: Emily Lakdawalla (The Planetary Society)
Die Einzelaufnahmen für diese Mosaikaufnahme fertigte die Raumsonde Cassini am 22. August 2011 an.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute, Bearbeitung: Emily Lakdawalla (The Planetary Society))

Am morgigen 28. Oktober 2011 wird die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum Saturn, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Cassini in einer Entfernung von rund 2,37 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 157. Umlauf um den Ringplaneten. Die Raumsonde wird sich auch in den kommenden rund sieben Monaten weiterhin auf einer Orbitbahn bewegen, welche fast genau auf einer Ebene mit der Ringebene des Saturn sowie den Umlaufbahnen mehrerer größerer Saturnmonde verläuft.

Wie bereits die vorherigen Umläufe wird auch der jetzt beginnende Orbit, er trägt die Bezeichnung „Rev 156“, von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern in erster Linie dazu genutzt werden, den Ringplaneten und den größten seiner 62 bisher bekannten Monde, den etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, mit verschiedenen Instrumenten zu untersuchen und aus unterschiedlichen Entfernungen mit der ISS-Kamera der Raumsonde abzubilden. Den Höhepunkt des gegenwärtigen Orbits bildet allerdings ein am 6. November erfolgender dichter Vorbeiflug am Saturnmond Enceladus.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, eines von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des 18 Tage dauernden Orbits insgesamt 18 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Der überwiegende Teil dieser Beobachtungen wird dabei erneut das gewaltige Sturmgebiet zum Ziel haben, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnt (Raumfahrer.net berichtete).

Die erste ISS-Kampagne während des in wenigen Stunden beginnenden Orbits hat allerdings den Mond Titan zum Ziel. Am 30. Oktober soll dazu aus einer Entfernung von rund 1,6 Millionen Kilometern im Rahmen einer 13stündigen Beobachtung die Atmosphäre dieses Mondes näher studiert werden. Das zu beobachtenden Gebiet befindet sich in den Regionen Adiri, Senkyo und Belet. In diesem Gebiet konnten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler im September 2010 ein ausgedehntes Sturmgebiet beobachten. Dessen bisherige Studie erbrachte neue Erkenntnisse über die Dynamik der Titanatmosphäre (Raumfahrer.net berichtete). Bis zum 3. November sind drei weitere Beobachtungen dieser Region vorgesehen. Die Cassini-Wissenschaftler erhoffen sich dabei auch Erkenntnisse über eventuelle Veränderungen auf der Oberfläche des Mondes, welche durch das Wettergeschehen der letzten Monate verursacht wurden.

NASA, JPL, Space Science Institute
Der momentane Verlauf der Flugbahn von Cassini ermöglicht es, die Kanten der Saturnringe abzubilden und die vertikale Ausdehnung der Ringe zu ermitteln. Diese Aufnahme des Saturn wurde am 25. Februar 2011 aus einer Entfernung von 2,2 Millionen Kilometern angefertigt. Durch die Verwendung verschiedener Filter wird der Planet dabei in Echtfarben wiedergegeben. Gut erkennbar ist das Sturmgebiet über der nördlichen Planetenhemisphäre.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Am 4. November stehen sogenannte astrometrische Beobachtungen von mehreren kleineren Saturnmonden auf dem Arbeitsprogramm der Raumsonde. Das wissenschaftliche Ziel der dabei erfolgenden Abbildungen der Monde besteht darin, die bisher verfügbaren Daten über deren jeweilige Umlaufbahnen noch weiter zu verfeinern. Die entsprechenden Fotosequenzen werden allerdings durchweg aus größeren Distanzen angefertigt, so dass im Rahmen dieser Beobachtungen keine Oberflächendetails der jeweiligen Monde aufgelöst werden können.

Ebenfalls am 4. November ist zudem ein weiteres Mal die nördliche Hemisphäre des Saturn und das dort aktive Sturmgebiet das Ziel der ISS-Kamera. Bis zum 8. November sind insgesamt 6 Beobachtungskampagnen vorgesehen, welche die Ausdehnung und Bewegung der Wolken in dem anscheinend langsam an Stärke verlierenden Sturm dokumentieren sollen. Dabei wird der Ringplanet bei einer Belichtungszeit von jeweils mehreren Minuten mit verschiedenen Filtern abgebildet. Die anschließende Kombination der verschiedenen Aufnahmen ermöglicht unter anderem die Erstellung von Farbbildern des Planeten.

Am 6. November wird die Raumsonde schließlich um 08:58 Uhr MEZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn, während ihres 157. Orbits erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich Cassini 136.370 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Bereits drei Stunden vorher wird die Raumsonde um 05:59 Uhr MEZ einen gesteuerten Vorbeiflug an dem 504 Kilometer durchmessenden Mond Enceladus durchführen. Cassini wird sich der Mondoberfläche dabei mit einer Geschwindigkeit von 7,4 Kilometern pro Sekunde bis auf eine Entfernung von 496 Kilometern nähern. Bei diesem auch als „E-16“ bezeichneten Vorbeiflug handelt es sich um den letzten von insgesamt drei Enceladus-Vorbeiflügen, welche für den Oktober und November 2011 vorgesehen waren.

Während des Vorbeifluges am 6. November sind 3 Beobachtungskampagnen der ISS-Kamera geplant. In der ersten Bildsequenz, welche noch während der Anflugsphase der Raumsonde an den Mond angefertigt werden soll, wird sich Enceladus den Kameras der Raumsonde lediglich als eine schmale Sichel präsentieren. Die ISS-Kamera soll diese günstige Perspektive dazu nutzen, um speziell die von der Südpolregion ausgehenden Fontänen aus Gas und feinen Wassereiskristallen abzubilden. Neben der Suche nach weiteren Plumes soll dabei eine eventuell veränderte Aktivität der bisher bekannten Auswurfzonen untersucht werden. Diese Beobachtungskampagne endet um 01:15 Uhr MEZ. Anschließend wird eines der Spektrometer der Raumsonde, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), die zu diesem Zeitpunkt nicht von der Sonne beleuchteten Bereiche der Mondoberfläche abtasten. Zeitgleich soll die ISS-Kamera die schmale Mondsichel abbilden.

NASA, JPL, Space Science Institute, DLR
Der Saturnmond Enceladus: In der Großaufnahme ist am unteren Bildrand dessen Südpolregion mit den dort befindlichen „Tigerstreifen“ erkennbar. Diese geologisch aktive Region stellt den Ausgangspunkt für die Jets aus Wasserdampf und Eispartikeln dar, welche aus den dort befindlichen Kryovulkanen entweichen.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute, DLR)

Während der dichtesten Annäherung an den Mond steht eine erneute Premiere auf dem Programm der Raumsonde. In dieser Phase sollen nicht etwa die ISS-Kamera oder eines der verschiedenen Spektrometer, sondern vielmehr das RADAR-Instrument auf Enceladus ausgerichtet werden und dessen Oberfläche dabei unter anderem im Rahmen einer Scatterometrie-Beobachtung und im Synthetic Aperture Radar-Modus abbilden.

In der Vergangenheit wurde das RADAR-Instrument in der Regel lediglich für die Untersuchung der Oberfläche des Mondes Titan eingesetzt. Bei dieser ersten Radarabtastung der Oberfläche von Enceladus wird sich die südliche Hemisphäre des Mondes im Fokus des RADAR-Instrumentes befinden. Der Pfad des Radarsignals wird dabei die Grenzregion des südpolaren Gebietes streifen. Er verläuft allerdings leider zu weit nördlich, um dabei auch die sogenannten „Tigerstreifen“ zu erfassen. Diese vier parallel verlaufenden Bruchzonen, welche jeweils eine Länge von rund 130 Kilometern aufweisen, sind die eigentlichen Quellregionen der am Südpol auftretenden Eisgeysire, von denen die bereits erwähnten Plumes ausgehen. Allerdings dürften die Radarmessungen unter anderem die bisherigen Forschungen zur Bestimmung der Schneefall-Rate auf Enceladus unterstützen.

Die dritte ISS-Observation wird erst mehrere Stunden nach der dichtesten Annäherung erfolgen. Mit verschiedenen Filtern soll dabei ein aus drei Einzelaufnahmen bestehendes Farbmosaik des Mondes angefertigt werden.

Nach dem Enceladus-Vorbeiflug wird die ISS-Kamera auf den Saturnmond Dione ausgerichtet, welcher sich dann in einer Entfernung von 132.000 Kilometern zu Cassini befinden wird. Hierbei soll die WAC-Kamera eine nahe Begegnung mit dem Mond Titan dokumentieren. Titan wird sich dabei etwa 1,1 Millionen Kilometer von der Raumsonde entfernt befinden und aus diesen Grund auf den Aufnahmen kleiner als der 1.123 Kilometer durchmessende Mond Dione erscheinen. Mit den anschließend geplanten ISS-Aufnahmen soll auch Dione in Farbe abgebildet werden.

Am 7. und 8. November wird Cassini die Suche nach weiteren und bisher noch nicht entdeckten Saturnmonden fortsetzen. Zu diesem Zweck soll die ISS- Kamera die Regionen um die Lagrange-Punkte L5 der Monde Enceladus und Rhea sowie L4 des Mondes Titan abbilden.

Wikipedia
An den Lagrangepunkten L1 bis L5 heben sich die Gravitationskräfte benachbarter Himmelskörper und die Zentrifugalkraft der Bewegung gegenseitig auf. Nur die Punkte L4 und L5 sind jedoch stabil genug, um kleinere Objekte dauerhaft zu binden.
(Bild: Wikipedia)

An den fünf Lagrangepunkten heben sich die Gravitationskräfte benachbarter Himmelskörper und die Zentrifugalkraft der Bewegung gegenseitig auf. Dadurch entstehen an diesen Punkten Zonen mit einem niedrigen Gravitationspotenzial. Drei der Lagrange-Punkte, nämlich L1, L2 und L3, sind dabei relativ instabil, so dass bereits geringe gravitative Wechselwirkungen zu einem Entweichen von eventuell dort befindlichen Objekten führen können. Die Punkte L4 und L5, welche sich 60 Grad vor beziehungsweise hinter dem Himmelskörper befinden, sind dagegen stabil, so dass sich dort kleinere Objekte sammeln und anschließend über einen nahezu unbegrenzt langen Zeitraum aufhalten können.

Im Mondsystem des Saturn befindet sich so zum Beispiel der kleine Mond Telesto in der L4-Region des größeren Mondes Tethys, während der Mond Calypso sich in der Region von dessen L5-Punkt befindet. Der L5-Punkt von Dione wird dagegen von dem Mond Polydeuces eingenommen. Die geplante Beobachtung der Lagrange-Punkte L4 und L5 bei Enceladus, Rhea und Titan dient der Suche nach einem oder mehreren eventuell dort befindlichen und bisher noch unentdeckten weiteren Begleiter des Ringplaneten.

Am 15. November wird Cassini schließlich in einer Entfernung von rund 2,4 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und den 157. Orbit um den Ringplaneten beenden. Während des damit beginnenden Orbits Nummer 158 werden diesmal keine dichten Vorbeiflüge an den Monden des Saturn erfolgen. Vielmehr wird sich das Augenmerk von Cassini erneut hauptsächlich auf den Titan und den Saturn richten, welche dabei aus unterschiedlichen Entfernungen mit den verschiedenen Instrumenten untersucht werden sollen.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission für das Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.

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