Am heutigen Tag beginnt der mittlerweile 152. Orbit der Raumsonde Cassini um den Planeten Saturn. Während dieses drei Wochen dauernden Umlaufs wird sich das Hauptaugenmerk der Raumsonde fast ausschließlich auf den Saturn richten. Zusätzlich wird sich Cassini in den kommenden Tagen erstmals als Exoplanetenjäger betätigen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS.
Am heutigen Tag erreicht die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum Saturn. Dabei befindet sich Cassini in einer Entfernung von etwa 2,69 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 152. Umlauf um den Ringplaneten. Die Raumsonde wird sich auch in den kommenden zehn Monaten auf einer Orbitbahn bewegen, welche fast genau auf einer Ebene mit der Ringebene des Saturn sowie den Umlaufbahnen mehrerer größerer Saturnmonde verläuft.
Diese äquatoriale Umlaufbahn der Raumsonde ermöglicht es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern, speziell die Äquatorregion des Titan eingehend zu untersuchen. Auch wird gegenwärtig ein Blick auf die Wolkenschichten in der Saturnatmosphäre ermöglicht, welcher nicht durch das Ringsystem des Planeten oder einen von den Ringen auf Saturn geworfenen Schatten eingeschränkt ist.
Wie bereits die vorherigen Umläufe wird auch der in diesen Stunden beginnende Orbit, er trägt die Bezeichnung „Rev 151“, deshalb von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern überwiegend dazu genutzt werden, den Ringplaneten und den größten seiner 62 bisher bekannten Monde, den etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, mit verschiedenen Instrumenten zu untersuchen und aus unterschiedlichen Entfernungen mit der ISS-Kamera der Raumsonde abzubilden. Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, eines von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während der kommenden 22 Tage insgesamt 38 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Der überwiegende Teil dieser Beobachtungen wird ein gewaltiges Sturmgebiet zum Ziel haben, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnt (Raumfahrer.net berichtete).
Zusätzlich ist für den 23. und 24. Juli 2011 ein bisher einzigartiges Experiment geplant. An diesen beiden Tagen wird sich Cassini erstmals als „Exoplanetenjäger“ betätigen. Zu diesem Zweck wird die ISS-Kamera zusammen mit einem der Spektrometer an Bord der Raumsonde, dem Visual Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), den im Sternbild Füchslein (lateinischer Name Vulpecula) gelegenen Stern HD 189733 ins Visier nehmen. Das Ziel dieser Beobachtungssequenz besteht darin, zwei Transits des dort befindlichen Exoplaneten HD 189733b zu beobachten.
HD 189733b wurde am 11. Oktober 2005 mit Hilfe des Astrometriesatelliten Hipparcos entdeckt. Mittels erdgestützter spektroskopischer Untersuchungen konnten Astronomen Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid und Methan in der Atmosphäre des Planeten nachweisen. Durch Beobachtungsdaten, welche durch das Spitzer Space Telescope gewonnen wurden, konnte außerdem eine grobe Karte der dort befindlichen Wolkenformationen erstellt werden. HD 189733b verfügt über eine Masse von etwa 1,14 Jupiter-Massen. Für eine vollständige Umrundung seines Zentralstern benötigt er eine Zeitdauer von lediglich 2,22 Tagen.
Im Rahmen der ersten Beobachtung wollen die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler versuchen, den Transit des Exoplaneten vor seinem Zentralstern zu beobachten. Mit der zweiten Beobachtungssequenz soll dokumentiert werden, wie der Planet auf seinem Orbit hinter dem Stern verschwindet. Der Stern HD 189733, welcher über eine visuellen Helligkeit von 7,67 mag verfügt, wird in den Aufnahmen der ISS-Kamera lediglich als ein relativ unscheinbarer Lichtpunkt sichtbar sein. Der Exoplanet kann dagegen nicht direkt beobachtet werden. Allerdings erhoffen sich die Wissenschaftler, im Rahmen der Beobachtungen eine minimale Abschwächung des von HD 189733 ausgehenden Lichts registrieren zu können.
Diese Vorgehensweise ist eine der üblichen Methoden, welche Astronomen bei der Suche nach Exoplaneten anwenden. Sie wird als Transitmethode bezeichnet. Sobald ein Exoplanet von der Erde aus gesehen direkt vor seinem Mutterstern vorbeizieht, nimmt die Helligkeit des beobachteten Sterns um einen winzigen Bruchteil ab, da der Planet einen Teil des von seinem Zentralgestirn ausgehenden Lichts abschirmt. Sollte das Experiment erfolgreich verlaufen, so wäre dies eine mehr als nur beeindruckende Demonstration der Leistungsfähigkeit dieser beiden Instrumente. Immerhin liegt zwischen dem Sternsystem von HD 189733 und unserem Sonnensystem eine Distanz von rund 63 Lichtjahren.
Am 24. Juli steht außerdem der Mond Titan auf dem Beobachtungsprogramm der Raumsonde. Titan wird sich zum Zeitpunkt dieser Beobachtungen in einer Entfernung von rund 1,38 Millionen Kilometern zu Cassini befinden. Mit den geplanten Aufnahmen des dabei etwa zur Hälfte von der Sonne beschienenen Mondes sollen Wolkenformationen und Oberflächenmerkmale im Bereich der Shangri-La-Region dokumentiert werden.
Für den 26. und 29. Juli sind verschiedene astrometrische Beobachtungen von mehreren kleineren Saturnmonden vorgesehen. Das wissenschaftliche Ziel der dabei erfolgenden Abbildungen der Monde Atlas, Prometheus, Janus, Calypso, Polydeuces, Epimetheus, Telesto, Methone und Pandora besteht darin, die bisher verfügbaren Daten über deren jeweilige Umlaufbahnen noch weiter zu verfeinern. Die entsprechenden Fotosequenzen werden allerdings durchweg aus größeren Distanzen angefertigt, so dass im Rahmen dieser Beobachtungen keine Oberflächendetails der jeweiligen Monde aufgelöst werden können.
Am 30. Juli erfolgt schließlich eine mehrstündige Beobachtung des Saturn. Die ISS-Kamera wird dabei im Zusammenspiel mit einem weiteren Spektrometer, dem Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), die nördliche Planetenhemisphäre und das dort befindliche Sturmgebiet im Rahmen einer 16-stündigen Observation abbilden.
Am 1. August wird Cassini um 10:02 Uhr MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses 152. Orbits, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde 183.740 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn. Während der Periapsis sind drei Beobachtungskampagnen vorgesehen. Im Rahmen der ersten Kampagne werden sich die ISS-Kamera und das UVIS auf den Saturn richten und dessen Äquatorregion und die nördlichen mittleren Breiten abbilden. Aus den dabei angefertigten Fotos sollen sieben Mosaik-Aufnahmen erstellt werden.
Anschließend werden die abbildenden Instrumente der Raumsonde auf den Saturnmond Rhea gerichtet. Cassini wird diesen Mond am 1. August um 23:02 MESZ im Rahmen eines nicht zielgerichteten Vorbeifluges in einer Höhe von lediglich 5.862 Kilometern überfliegen. Diese Gelegenheit soll unter anderem dazu genutzt werden, um die extrem dünne Atmosphäre des Mondes näher zu untersuchen. Auch bei diesen Untersuchungen wird ein viele Lichtjahre entfernter Fixstern eine wichtige Rolle spielen.
Aus der Sicht der Raumsonde wird sich der Stern Epsilon Orionis, der mittlere Gürtelstern im Sternbild Orion, während der dichtesten Annäherung unmittelbar neben dem Mond befinden und schließlich von diesem bedeckt werden. Durch die dünne Atmosphäre des Mondes wird das von dem Stern ausgehende Licht leicht abgeschwächt. Durch die Messung der sich daraus ergebenden Helligkeitsveränderung können Rückschlüsse über die Ausdehnung und Dichte der Mondatmosphäre gezogen werden.
Das UVIS-Spektrometer soll zudem für die Suche nach Staubpartikeln in der Umgebung von Rhea eingesetzt werden. Durch die Gewinnung von Atmosphärendaten über der Tag- und der Nachtseite des Mondes erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Erkenntnisse über die Atmosphäre und deren Interaktion mit der Sonne. Zusätzlich sind diverse Aufnahmen der Mondoberfläche vorgesehen.
Bei der dritten Kampagne während der Periapsis werden sich die ISS-Kamera und das VIMS-Spektrometer nach dem Ende der Rhea-Beobachtungen erneut dem Saturn zuwenden. Das Ziel dieser Beobachtungen ist die sogenannte „Perlenkette“ über der nördlichen Saturnatmosphäre. Dieser Perlenstrang, welcher sich gegenwärtig unmittelbar nördlich des aktuellen Sturmgebietes befindet, konnte erstmals im Frühjahr 2006 durch das VIMS beobachtet werden.
Es handelt sich hierbei um Lücken in der obersten Wolkenschicht der Saturnatmosphäre. Besonders auffällig ist die regelmäßige Anordnung dieser mehr als zwei Dutzend Einzelformationen. Zwischen den einzelnen Wolkenlücken liegen Abstände von jeweils 3,5 Längengraden. Die Untersuchung dieses Phänomens wird der Wissenschaft neue Erkenntnisse über die Windsysteme und den Thermalhaushalt sowie die Dynamik innerhalb der Saturnatmosphäre liefern.
Ab dem 5. August steht die Untersuchung der Windsysteme in der obersten Wolkenschicht des Saturn auf dem Arbeitsprogramm. Zu diesem Zweck wird die ISS-Kamera mehrmals die dortigen Wolkenformationen abbilden. Aus deren Positionsveränderungen lassen sich anschließend die zu diesen Zeitpunkten vorherrschenden Windrichtungen und -geschwindigkeiten ableiten.
Zwei Tage später rückt auch wieder der Titan in den Fokus der anstehenden Untersuchungen. Im Rahmen von drei Beobachtungskampagnen soll auch in der dortigen Atmosphäre der Zug der Wolken dokumentiert werden, um die Windgeschwindigkeiten zu ermitteln. Die entsprechenden Abbildungen werden am 7., am 9. und am 10. August aus Entfernungen zwischen 1,41 Millionen Kilometern und 1,78 Millionen Kilometern erfolgen.
Um den 12. August herum sind zwei weitere Saturnbeobachtungen angesetzt, welche über jeweils einen kompletten Saturntag – dieser dauert 10 Stunden und 47 Minuten – andauern werden. Die ISS-Kamera wird dabei in regelmäßigen Abständen mehrere Aufnahmen der obersten Atmosphärenschicht anfertigen. Diese mit verschiedenen Filtern erzeugten Aufnahmen sollen später zu zwei kurzen Videos verarbeitet werden.
Ebenfalls für den 12. August ist eine Beobachtung des kleinen, irregulär geformten Saturnmondes Tarqeq vorgesehen. Aus den Variationen in der sich dabei ergebenden Lichtkurve soll dessen Rotationsperiode näher bestimmt werden. Diese Beobachtung ist Bestandteil einer langfristig angelegten Kampagne, in deren Verlauf mehrere der kleinen, äußeren Saturnmonde unter verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abgebildet werden. Trotz der großen Distanz zwischen den Monden und der Raumsonde kann Cassini bei derartigen Beobachtungen wertvolle Daten über deren Ausdehnung, die sich daraus ergebende Gestalt und die Neigung der Rotationsachsen gewinnen.
An diesem Tag wird Cassini außerdem in einer Entfernung von rund 2,7 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und den 152. Orbit um den Ringplaneten beenden. Während des damit beginnenden Orbits Nummer 153 wird sich das Hauptaugenmerk der Raumsonde erneut in erster Linie direkt auf den Saturn richten. Erneut wird eine Vielzahl der dabei vorgesehenen Observationen speziell das ausgedehnte Sturmgebiet über der nördlichen Hemisphäre des Planeten zum Ziel haben.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/ Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission für das Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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