Bereits am 22. September 2011 begann der 155. Orbit der Raumsonde Cassini um den Saturn. Während des 17 Tage dauernden Umlaufs sollen sowohl die Atmosphäre des Saturn als auch der Mond Titan näher untersucht werden. Den Höhepunkt bildet allerdings ein am 1. Oktober erfolgender Überflug des Mondes Enceladus.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society.
Bereits am 22. September erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum Saturn. Dabei befand sich Cassini in einer Entfernung von etwa 2,37 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 155. Umlauf um den Ringplaneten. Die Raumsonde wird sich auch in den kommenden acht Monaten weiterhin auf einer Orbitbahn bewegen, welche fast genau auf einer Ebene mit der Ringebene des Saturn sowie den Umlaufbahnen mehrerer größerer Saturnmonde verläuft.
Diese gegenwärtige äquatoriale Flugbahn der Raumsonde ermöglicht es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern unter anderem, die Kanten der Saturnringe abzubilden. Durch die Auswertung dieser Bilder ist es somit zum Beispiel möglich, deren vertikale Ausdehnung zu bestimmen. Zudem ist aus dieser Perspektive ein Blick auf die Wolkenschichten in der Saturnatmosphäre gegeben, welcher nur minimal durch das Ringsystem des Planeten oder einen von den Ringen auf den Saturn geworfenen Schatten beeinträchtigt ist. Außerdem ergibt sich bei dieser Bahn die Möglichkeit, im Rahmen eines einzigen Orbits mehrere Monde zu überfliegen, deren Bahnen ebenfalls in der Äquatorebene liegen.
Wie bereits die vorherigen Umläufe wird auch der vor einer Woche begonnene Orbit, er trägt die Bezeichnung „Rev 154“, von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern dazu genutzt werden, den Ringplaneten und den größten seiner 62 bisher bekannten Monde, den etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, mit verschiedenen Instrumenten zu untersuchen und aus unterschiedlichen Entfernungen mit der ISS-Kamera der Raumsonde abzubilden. Den Höhepunkt des gegenwärtigen Orbits bildet aber ein am 1. Oktober erfolgender dichter Vorbeiflug am Saturnmond Enceladus.
Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, eines von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des 17 Tage dauernden Orbits insgesamt 63 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Der überwiegende Teil dieser Beobachtungen wird dabei erneut das gewaltige Sturmgebiet zum Ziel haben, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnt (Raumfahrer.net berichtete).
Zwischen dem 23. und dem 30. September sowie zwischen dem 3. und dem 10. Oktober sind so zum Beispiel insgesamt 22 entsprechende Aufnahmesequenzen vorgesehen. Durch den Vergleich der mit verschiedenen Filtern angefertigten Aufnahmen wollen die Cassini-Wissenschaftler den Zug dieses Sturmgebietes und Veränderungen in dessen Ausdehnung dokumentieren.
Am 26. September stand zudem der Mond Titan im Fokus der an der Cassini-Mission beteiligten Forscher. Aus einer Entfernung von rund 875.000 Kilometern wurde der Mond über einen Zeitraum von 5 Stunden und 15 Minuten mit der ISS-Kamera unter Verwendung verschiedener Filter abgebildet. Das Ziel dieser Beobachtung bestand darin, eventuell gerade über der am Titan-Äquator gelegenen Shangri-La-Region sichtbare Wolken abzubilden und deren Bewegungsrichtung zu dokumentieren.
Bei der Region Shangri-La handelt es sich um eine dunkle Oberflächenformation, welche sich westlich des Gebietes befindet, in dem am 15. Januar 2005 die Sonde Huygens auf der Titanoberfläche landete. Anschließend wurde eines der Spektrometer der Raumsonde, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), auf den Titan ausgerichtet, um weitere Daten zu sammeln.
Am darauf folgenden Tag erfolgte eine 15stündige Beobachtung des kleinen, äußeren Saturnmondes Skoll. Über diesen erst im Jahr 2006 entdeckten und etwa sechs Kilometer durchmessenden Mond ist bisher außer den Daten seiner Umlaufbahn nur sehr wenig bekannt. Aus den Variationen in der sich bei der Beobachtung ergebenden Lichtkurve soll dessen Rotationsperiode näher bestimmt werden. Diese Beobachtung ist Bestandteil einer langfristig angelegten Kampagne, in deren Verlauf mehrere der kleinen, äußeren Saturnmonde unter verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abgebildet werden. Trotz der großen Distanz zwischen den Monden und der Raumsonde kann Cassini bei derartigen Beobachtungen neben der Rotationsgeschwindigkeit wertvolle Daten über deren Ausdehnung, die sich daraus ergebende Gestalt und die Neigung der Rotationsachsen gewinnen.
Am 1. Oktober wird die Raumsonde schließlich um 18:57 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn, während ihres 155. Orbits erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich Cassini 135.850 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Bereits rund drei Stunden vorher wird die Raumsonde um 15:52 MESZ einen gesteuerten Vorbeiflug an dem 504 Kilometer durchmessenden Mond Enceladus durchführen. Cassini wird sich der Mondoberfläche dabei mit einer Geschwindigkeit von 7,4 Kilometern pro Sekunde bis auf eine Entfernung von 99 Kilometern nähern und dessen zu diesem Zeitpunkt nicht von der Sonne beschienenen Südpol überfliegen. Bei diesem auch als „E-14“ bezeichnete Vorbeiflug handelt es sich um den ersten von insgesamt drei Enceladus-Vorbeiflügen, welche bis zum 6. November 2011 vorgesehen sind.
Im Rahmen des E-14-Vorbeifluges sind drei Beobachtungskampagnen durch die ISS-Kamera eingeplant. In der ersten Bildsequenz, die während der Anflugsphase der Raumsonde an den Mond angefertigt und bis 14:00 MESZ andauern soll, wird sich Enceladus lediglich als eine schmale Sichel präsentieren. Die ISS-Kamera soll diese günstige Perspektive dazu nutzen, um speziell die von der Südpolregion ausgehenden Fontänen aus Gas und feinen Wassereiskristallen abzubilden. Neben der Suche nach weiteren Plumes soll dabei eine eventuell veränderte Aktivität der bisher bekannten Auswurfzonen untersucht werden. Als zusätzlicher Bonus wird sich während dieser Sequenz der kleinere Mond Epimetheus ins Bild schieben und schließlich vom Enceladus-Nordpol verdeckt werden.
Während der Phase der dichtesten Annäherung wird sich Cassini dann direkt über den Südpol des Mondes hinweg bewegen und mit zwei weiteren Instrumenten, dem „Ion and Neutral Mass Spectrometer“ (INMS) und dem „Radio and Plasma Wave Science“-Instrument (RPWS) Daten sammeln. Diese beiden Geräte sollen dabei die Zusammensetzung des von den Kryovulkanen ausgeworfenen Materials ermitteln. Ursprünglich war vorgesehen, bei dieser Gelegenheit noch ein weiteres Instrument einzusetzen. Allerdings konnte das Cassini Plasma Spectrometer (CAPS) nach dessen vorsorglichen Deaktivierung im Juni 2011 (Raumfahrer.net berichtete) noch nicht wieder in Betrieb genommen werden.
Im Rahmen ihrer zweiten Aufnahmesequenz wird die ISS-Kamera mit dem CIRS-Spektrometer zusammenarbeiten. Das CIRS soll dabei die Temperatur in der Äquatorregion des Mondes ermitteln, während dieser sich im Schatten des Saturn befindet. Die Kamera dagegen soll dokumentieren, wie Enceladus wieder aus dem Saturnschatten austritt und zudem einzelne Bereiche der nördlichen Mondhemisphäre im Detail abbilden. Bei der dritten Sequenz soll schließlich die gesamte zu diesem Zeitpunkt sichtbare Oberfläche von Enceladus aus einer Entfernung von rund 125.000 Kilometern abgebildet werden. Aus den einzelnen und mit unterschiedlichen Farbfiltern angefertigten Aufnahmen kann später ein Farbbild des Mondes erzeugt werden.
Am 3. Oktober wird die Kamera ihre Suche nach weiteren und bisher noch nicht entdeckten Saturnmonden fortsetzen. Zu diesem Zweck soll die Kamera die Region um den Lagrange-Punkt L4 des Mondes Titan abbilden. An den fünf Lagrangepunkten heben sich die Gravitationskräfte benachbarter Himmelskörper und die Zentrifugalkraft der Bewegung gegenseitig auf. Dadurch entstehen an diesen Punkten Zonen mit einem niedrigen Gravitationspotenzial. Drei der Lagrange-Punkte, nämlich L1, L2 und L3, sind dabei relativ instabil, so dass bereits leichte gravitative Wechselwirkungen zu einem Entweichen von eventuell dort befindlichen Objekten führen können. Die Punkte L4 und L5, welche sich 60 Grad vor beziehungsweise hinter dem Himmelskörper befinden, sind dagegen stabil, so dass sich dort kleinere Objekte sammeln und anschließend über einen nahezu unbegrenzt langen Zeitraum aufhalten können.
Im Mondsystem des Saturn befindet sich so zum Beispiel der kleine Mond Telesto in der L4-Region des größeren Mondes Tethys, während der Mond Calypso sich in der Region von dessen L5-Punkt befindet. Der L5-Punkt von Dione wird dagegen von dem Mond Polydeuces eingenommen. Die geplante Beobachtung des L4-Punktes von Titan dient der Suche nach einem eventuell dort befindlichen und bisher noch unentdeckten weiteren Begleiter des Ringplaneten. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler sollte es möglich sein, eventuelle dort befindliche Monde mit einer Größe von bis zu 80 Metern Durchmesser zu entdecken.
Am 10. Oktober wird Cassini schließlich in einer Entfernung von rund 2,4 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und den 155. Orbit um den Ringplaneten beenden. Während des damit beginnenden Orbits Nummer 156 wird am 19. Oktober ein erneuter zielgerichteter Vorbeiflug an dem Mond Enceladus erfolgen. Cassini wird diesen geologisch aktiven Mond dabei in einer Höhe von 1.231 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 7,5 Kilometern pro Sekunde passieren. Zuvor wird jedoch die Kommunikation mit der Raumsonde zwischen dem 11. und dem 16. Oktober erst einmal stark eingeschränkt sein. Der Grund hierfür ist die diesjährige Sonnenkonjunktion. Hierbei handelt es sich um eine Himmelskonstellation, bei der sich der Saturn von der Erde aus gesehen in einem Abstand von nur wenigen Grad zu der Sonne befindet. Aufgrund dieser Planetenstellung ist die Datenübertragung zwischen der Erde und der in der Saturnumlaufbahn befindlichen Raumsonde für einen Zeitraum von einigen Tagen nicht möglich, da die von der Sonne ausgehende Strahlung die Funksignale, welche zwischen den beiden Planeten hin und her gesandt werden, zu sehr stören würde.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission für das Direktorat für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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