Cassini – Der Saturnumlauf Nummer 219 hat begonnen

Vor wenigen Stunden begann für die Raumsonde Cassini der Saturnumlauf Nummer 219. Am 7. Juli 2015 wird Cassini dabei den Saturnmond Titan passieren. Die damit verbundenen wissenschaftlichen Untersuchungen werden sich in erster Linie auf dessen Atmosphäre konzentrieren.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Am 25. März 2015 bildete die Telekamera des ISS-Kameraexperiments der Raumsonde Cassini die drei Saturnmonde Titan, Rhea (oben links) und Mimas (unterhalb der Bildmitte) ab. Aufgrund der dabei gegebenen Beleuchtungsverhältnisse präsentierten sich diese drei Monde dabei als Sichelmonde . Trotz der großen Entfernungen – zwei Millionen Kilometern zum Titan, etwa 3,1 Millionen Kilometer zu Mimas und 3,5 Millionen Kilometer zu Rhea – sind auf dieser Aufnahme mehrere für diese Monde markante Eigenschaften zu erkennen. Der Mond Titan ist von einer dichten Atmosphäre umgeben, welche das Sonnenlicht streut und ablenkt. Aus diesem Grund erstreckt sich die ‚Sichel‘ etwas weiter um den Mond, als dies bei einem atmosphärenlosen Objekt der Fall wäre. Rhea erscheint dagegen auffallend rau, da dessen eisige Oberfläche mit einer Vielzahl an Impaktkratern überzogen ist. Auch die Oberfläche von Mimas zeigt viele Irregularitäten, welche von der von Impaktereignissen dominierten Geschichte dieses 396 Kilometer durchmessenden Mondes zeugen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

In den frühen Morgenstunden des 26. Juni 2015 erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 01:56 MESZ erneut die Apoapsis – den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 2,43 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren bereits 219. Umlauf um den Ringplaneten.

Aktuell weist die Flugbahn von Cassini eine Inklination von lediglich 0,4 Grad auf. Aufgrund dieser geringen Neigung der Flugbahn der Raumsonde gegenüber der Ringebene kann gegenwärtig unter anderem das vertikale Strukturprofil der verschiedenen Ringe des Saturn eingehender untersucht werden. Außerdem passiert die Raumsonde auf dieser in der Äquatorebene des Saturn verlaufenden Flugbahn regelmäßig mehrere der inneren Saturnmonde in verhältnismäßig geringen Entfernungen. Zudem ergibt sich durch diesen Flugverlauf gelegentlich auch die Möglichkeit, mehrere der insgesamt 62 Monde gleichzeitig abzubilden.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumente an Bord von Cassini, sind während dieses 20 Tage andauernden Umlaufs, dessen offizielle Bezeichnung „Rev 218“ lautet, insgesamt 27 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Wie üblich wird ein Teil dieser Kampagnen erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Zusätzlich stehen zudem auch mehrere Saturnmonde auf dem Beobachtungsprogramm der an dieser Mission beteiligten Wissenschaftler. Den Höhepunkt des jetzigen Saturnumlaufs stellt dabei ein für den 7. Juli 2015 vorgesehener Vorbeiflug an dem Mond Titan dar.
Zwecks der Vorbereitung auf diesen gesteuerten Vorbeiflug sind für den heutigen Tag sowie für den 3. Juli zwei kurze Aktivierungen der Triebwerke der Raumsonde vorgesehen, mit denen Cassini auf die für die Passage des Titan notwendige Flugbahn dirigiert werden soll.

Das erste Beobachtungsziel: Der Mond Kiviuq
Die erste Beobachtungskampagne der ISS-Kamera während des neuen Saturnumlaufs wird am 29. und 30. Juni einen der kleineren, äußeren Saturnmonde – den Mond Kiviuq – zum Ziel haben. Mit einer scheinbaren Helligkeit von lediglich 22,0 mag handelt es sich bei diesem rund 16 Kilometer durchmessenden und erst im Jahr 2000 entdeckten Mond um ein äußerst lichtschwaches Objekt, welches von der Erde aus nur extrem schwierig zu beobachten ist.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Das Ringsystem des Saturn setzt sich aus mehr als 100.000 einzelnen Ringen zusammen, welche durch scharf umrissene Lücken voneinander abgegrenzt sind. Das hier gezeigte Bild wurde am 8. Januar 2015 angefertigt. Dabei wies die Flugbahn der Raumsonde noch eine Inklination von 19,1 Grad auf, was einen Blick von ’schräg oben‘ beziehungsweise ‚unten‘ auf die Ringe erlaubte. Aufgrund der gegenwärtig wieder gegebenen geringen Neigung der Flugbahn der Raumsonde Cassini gegenüber der Ringebene des Saturn von lediglich 0,4 Grad kann zur Zeit speziell das vertikale Strukturprofil der diversen Saturnringe näher untersucht werden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Im Rahmen dieser insgesamt mehr als 30 Stunden andauernden Kampagne soll Kiviuq aus einer Entfernung von etwa 11,4 Millionen Kilometern mehrfach mit der ISS-Kamera abgebildet werden. Anhand der Variationen in der sich bei dieser Beobachtungssequenz ergebenden Lichtkurve und einem Abgleich mit früheren Beobachtungen wollen die beteiligten Wissenschaftler die Helligkeitsvariationen auf dessen Oberfläche und die daraus abzuleitende Rotationsperiode dieses Mondes sowie die Ausrichtung von dessen Rotationsachse noch besser als bisher bekannt bestimmen. Zwei weitere Kiviuq-Beobachtungssequenzen sind für den 1. und den 2. Juli vorgesehen.

Der Mond Titan aus der Ferne
Am 3. Juli wird die ISS-Kamera auf den größten der Saturnmonde, den 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, gerichtet sein und diesen aus einer Entfernung von etwa 2,43 Millionen Kilometern abbilden. Durch die regelmäßig erfolgende Dokumentation von Wolkenstrukturen und kleineren Sturmgebieten und deren Positionsveränderungen lassen sich zum Beispiel Aussagen über die gegenwärtig in der Titanatmosphäre vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen. In Kombination mit früheren und zukünftigen Beobachtungen dieser langfristig angelegten ‚Sturmbeobachtungskampagne‘ lässt sich durch derartige Aufnahmen die allgemeine ‚Großwetterlage‘ auf dem Titan dokumentieren, welche sich aufgrund der Bewegung des Saturn um die Sonne und der dabei auftretenden Jahreszeiten in einem etwa 30 Jahre dauernden Rhythmus kontinuierlich verändert (Raumfahrer.net berichtete).

Suche nach Polarlichtern auf dem Saturn
Im Anschluss an die Titan-Kampagne wird die ISS-Kamera auf den Saturn gerichtet sein und in Zusammenarbeit mit einem weiteren Instrument, dem Ultraviolet Imaging Spectrograph (kurz „UVIS“), im Bereich des dortigen Südpols nach dort eventuell gerade auftretenden Polarlichtern Ausschau halten. Die Untersuchung solcher durch die Aktivität der Sonne verursachten Leuchterscheinungen innerhalb der Atmosphäre eines von einem Magnetfeld umgebenen Planeten im äußeren Sonnensystem erlaubt Rückschlüsse auf die dort auftretenden Auswirkungen der Sonnenaktivität und ist zugleich von Bedeutung für die zukünftig zu erstellenden Vorhersagen des in der Umgebung unseres Heimatplaneten zu erwartenden Weltraumwetters. Eine ähnliche Beobachtung ist für den 13. Juli vorgesehen.

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Erst am 16. Juni 2015 passierte Cassini den Saturnmond Dione in einer Entfernung von 516 Kilometern ( Raumfahrer.net berichtete ). Dabei entstand auch die hier gezeigte Aufnahme, welche die Telekamera des ISS-Kameraexperiments am selben Tag aus einer Entfernung von etwa 77.000 Kilometern anfertigte. Einige weitere Aufnahmen von diesem Vorbeiflug finden Sie auf dieser Internetseite .
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Periapsis
Am 5. Juli 2015 wird Cassini schließlich um 13:14 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 219, erreichen und die obersten Wolkenschichten des Ringplaneten dabei in einer Entfernung von 187.830 Kilometern nahe der Umlaufbahn des Mondes Mimas passieren. Diese Gelegenheit soll genutzt werden, um am 4. und 5. Juli mit einem weiteren Instrument, dem Magnetospheric Imaging Instrument (kurz „MIMI“), das innere Magnetfeld des Saturn zu vermessen.

Der Titan-Vorbeiflug T-112
Am 7. Juli steht dann der Höhepunkt dieses 219. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 10:10 MESZ wird die Raumsonde den Mond Titan im Rahmen eines zielgerichteten Vorbeifluges mit einer Geschwindigkeit von 5,6 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von 10.953 Kilometern passieren. Die mit diesem mittlerweile 113. Vorbeiflug der Raumsonde am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung „T-112“ – assoziierten Beobachtungen beginnen bereits mehrere Stunden vor der dichtesten Annäherung.

Hierbei soll zunächst ein weiteres Spektrometer – das Composite Infrared Spectrometer (kurz „CIRS“) – genutzt werden, um ein grobes Temperaturprofil der Atmosphäre zu erstellen und deren Zusammensetzung zu untersuchen. Zugleich wird die ISS-Kamera Teilbereiche der Titanoberfläche abbilden. Die anzufertigenden Aufnahmen werden verschiedene markante Regionen wie zum Beispiel die Dünenlandschaften von Xanadu sowie die Gebiete Fensal, Aztlan und Quivira und den etwa 80 Kilometer durchmessenden Sinlap-Impaktkrater in der östlichen Fensal-Region zeigen.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Der Titan ist von einer dichten Atmosphäre umgeben, welche im Bereich des sichtbaren Lichts keinen Blick auf dessen Oberfläche zulässt (Aufnahme links). Durch die Verwendung verschiedener Filtersysteme kann diese Atmosphäre jedoch „durchdrungen“ werden. Die hier gezeigte linke Aufnahme gibt den Mond in den Farben wieder, wie sie auch ein im Saturnsystem befindlicher menschlicher Betrachter wahrnehmen würde. Die mittlere Aufnahme wurde im nahen Infrarotbereich bei 938 Nanometern erstellt und ermöglicht einen Blick auf verschiedene Oberflächenstrukturen. Bei der rechten Aufnahme handelt es sich um ein Falschfarbenkomposit. Zwei Infrarotaufnahmen (erstellt bei 938 und 889 Nanometern) wurden hierzu mit einer im sichtbaren Lichtbereich erstellten Aufnahme kombiniert. Alle verwendeten Aufnahmen wurden am 16. April 2005 mit der WAC-Kamera aus Entfernungen zwischen 173.000 bis 168.200 Kilometern angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Während der Phase der dichtesten Annäherung von Cassini an den Titan wird erneut das CIRS-Spektrometer die wissenschaftlichen Aktivitäten dominieren. Aufgrund der diesmal gegebenen relativ großen Entfernung zum Titan – frühere Vorbeiflüge verliefen mehrfach in Entfernungen von weniger als 1.000 Kilometern – wird es dem Instrument am 7. Juli möglich sein, sowohl die Nordpolregion als auch den Südpol des Titan eingehender zu untersuchen. Auch hierbei konzentriert sich das Interesse der beteiligten Wissenschaftler auf die Erstellung von aktuellen Temperaturkarten und die Untersuchung der Atmosphärenzusammensetzung. Durch diese Daten erhoffen sich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über eventuelle Unterschiede in der Titanatmosphäre, welche durch die unterschiedlichen Jahreszeiten auf den beiden Hemisphären bedingt sind.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Die derzeit bekannten 62 Monde des Saturn werden von der ISS-Kamera auch immer wieder aus größeren Entfernungen abgebildet. Die hier gezeigte Aufnahme zeigt den zweitgrößten Begleiter des Saturn – den 1.527 Kilometer durchmessenden Mond Rhea. Die Aufnahme wurde am 10. September 2013 aus einer Entfernung von etwa 1,6 Millionen Kilometern angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Auch nach der Phase der dichtesten Annäherung wird das CIRS weitere Temperaturdaten, diesmal aber von der ‚Nachtseite‘ des Mondes, sammeln. Unterstützt wird das Instrument dabei von einem weiteren Spektrometer, dem Visual and Infrared Mapping Spectrometer (kurz „VIMS“).

Der Abschluss des Orbits Nummer 218
Nach dem Abschluss des Titan-Vorbeifluges wird die ISS-Kamera in den folgenden Tagen zunächst mehrfach einzelne Ringe des Saturn abbilden. Weitere Beobachtungen haben den Saturn zum Ziel und dienen – wie bereits zuvor beim Titan – auch dort der Dokumentation der aktuellen Wetterlage. Eine weitere Beobachtungskampagne hat den Mond Enceladus zum Ziel, wo die von der Südpolregion dieses Mondes ausgehenden feinen Jets aus Wasserdampf und Eispartikeln dokumentiert werden sollen.

Am 11. und am 16. Juli stehen zudem zwei weitere der kleineren, äußeren Saturnmonde – die nur wenige Kilometer großen Monde Ymir und Bestla – auf dem Beobachtungsprogramm. Auch bei diesen beiden Monden wollen die beteiligten Wissenschaftler durch die zu erstellenden Aufnahmen die Rotationsperioden sowie die Ausrichtung der jeweiligen Rotationsachsen bestimmen.

Ebenfalls am 16. Juli 2015 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 10:20 MESZ in einer Entfernung von rund 2,7 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 219. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 220 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen. Den Höhepunkt dieses nächsten Orbits bildet ein nicht gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Dione, welcher dabei am 27. Juli in einer Entfernung von etwa 60.500 Kilometern passiert werden soll.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Diese am 11. April 2015 angefertigte Aufnahme zeigt dagegen den 1.062 Kilometer durchmessenden Mond Tethys. Am rechten Bildrand ist der etwa 445 Kilometer durchmessende Impaktkrater Odysseus erkennbar. Aus einer Entfernung von 190.000 Kilometern zu ihrem Ziel erreichte die Telekamera hierbei eine Auflösung von etwa einem Kilometer pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden (Raumfahrer.net berichtete).

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