Bereits am 11. Juli 2012 begann der 170. Umlauf der Raumsonde Cassini um den Planeten Saturn. Neben der Untersuchung der Saturnatmosphäre und des Ringsystems gilt das wissenschaftliche Interesse diesmal wieder speziell dem Saturnmond Titan, welcher am 24. Juli von der Raumsonde passiert werden wird.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society.
Bereits am 11. Juli 2012 erreichte die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 01:45 MESZ erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Cassini in einer Entfernung von rund 2,84 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 170. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell verfügt die Raumsonde auf ihrer Saturnumlaufbahn über eine Inklination von 21,2 Grad. Bis Mitte 2013 soll die Neigung der Umlaufbahn im Rahmen verschiedener Passagen an dem Saturnmond Titan in mehreren Schritten auf fast 62 Grad erhöht werden. Dieser Flugverlauf ermöglicht den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern bis zum März 2015 eine detaillierte Untersuchung der Polarregionen des Saturn. Zusätzlich wird auch das Ringsystem des Saturn von den abbildenden wissenschaftlichen Instrumenten der Raumsonde zukünftig auch wieder in seiner „Gesamtheit“ besser erfasst werden können als dies seit dem Oktober 2009 möglich war.
Diese erneute Veränderung der Inklination, welche die Raumsonde am 22. Mai 2012 im Rahmen eines dichten Vorbeifluges an dem Mond Titan begann (Raumfahrer.net berichtete) zeigt bereits jetzt erste für die Wissenschaftler verwertbare Resultate. Am 5. Juni 2012 konnten die Planetenforscher auf den Aufnahmen der Cassini-Kamera innerhalb des A-Ringes des Saturn eine propellerförmige Struktur ausmachen, welche durch die Anwesenheit eines vermutlich lediglich etwa 50 Kilometer durchmessenden Mini-Mondes – eines so genannten Moonlets – verursacht wird (Raumfahrer.net berichtete über den bei der Entstehung solcher „Propellerstrukturen“ zugrunde liegenden Prozess).
Der für die Entstehung der beobachteten Struktur verantwortliche „Propellermond“ ist für die Wissenschaftler vermutlich nicht unbekannt. Der auf den Aufnahmen nicht direkt zu erkennende Minimond „Sikorsky“ – so sein inoffizieller Name – wurde bereits vor mehreren Jahren beobachtet. Er befindet sich fast genau an der Stelle, an der er sich laut einem aktuellen Bewegungsmodell seiner Umlaufbewegung aufhalten sollte. Weitere Beobachtungen nicht nur dieses Minimondes werden den Wissenschaftlern dabei helfen, die bisher bestehenden Theorien bezüglich der innerhalb des Ringsystems ablaufenden Vorgänge und Interaktionen noch weiter zu verfeinern.
Das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, eines der insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, nahm den Betrieb während des 23 Tage dauernden Orbits Nummer 170, er trägt die Bezeichnung „Rev 169“, bereits wenige Stunden nach dem Beginn des neuen Saturnumlaufs auf.
Hierfür wurde die Kamera auf den kleinen, äußeren Saturnmond Ymir ausgerichtet, um diesen aus einer Entfernung von rund 15,6 Millionen Kilometern über einen Zeitraum von acht Stunden mehrfach abzubilden. Außer den Daten von dessen Umlaufbahn um den Saturn, seinem Durchmesser von etwa 18 Kilometern und seiner relativ hohen mittleren Dichte von 2,3 Gramm pro Kubikzentimeter, welche auf eine Zusammensetzung aus Wassereis mit einem hohen Anteil an Silikatgestein hindeutet, ist über diesem erst im Jahr 2000 entdeckten Saturnmond bisher nur sehr wenig bekannt.
Anhand der Variationen in der sich bei der Beobachtung ergebenden Lichtkurve und einem Abgleich mit vorherigen Beobachtungen sollen dessen Helligkeitsvariationen und die sich daraus ergebende Rotationsperiode näher bestimmt werden. Diese Beobachtungssequenz ist ein Bestandteil einer langfristig angelegten Kampagne, in deren Verlauf mehrere der kleinen, äußeren Saturnmonde unter verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abgebildet werden sollen.
Für den 13., 15. und 17. Juli sind verschiedene Beobachtungssequenzen vorgesehen, bei denen die ISS-Kamera zusammen mit einem der Spektrometer der Raumsonde, dem Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), die Südpolregion des Saturn abbilden soll. Das Ziel dieser Beobachtungssequenz ist die Erstellung eines Videos, mit dem die eventuell zu diesen Zeitpunkten aktiven Polarlichter dokumentiert werden sollen. Jede der drei Einzelbeobachtungen wird dabei über einen Zeitraum von 12 bis 17 Stunden andauern.
Zwischenzeitlich wird die ISS-Kamera am 16. Juli auf den größten der bisher 62 bekannten Saturnmonde, den 5.150 Kilometer durchessenden Mond Titan, ausgerichtet. Aus einer Entfernung von knapp drei Millionen Kilometern soll das Kamera-Experiment dabei im Rahmen der ebenfalls über einen längeren Zeitraum angelegten „Titan Monitoring Campaign“ (kurz „TCM“) die Wolkenstrukturen in der Titanatmosphäre abbilden. Das dabei angepeilte Zielgebiet der Kamera befindet sich im Bereich der Senkyo-Region – einer ausgedehnten Dünenformation in der Äquatorregion des Titan. Außerdem sind Aufnahmen vorgesehen, welche die oberen Schichten der Titanatmosphäre in kürzeren Wellenlängenbereichen des Lichtes wiedergeben sollen. Diese Aufnahmen dienen dem Studium der verschiedenen Atmosphärenschichten des Titan.
Am 23. Juli wird Cassini um 01:03 MESZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während des 170. Orbits, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Raumsonde 245.240 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Während dieser Phase gilt das spezielle Interesse dem so genannten „C-Ring“ des Saturn-Ringsystems. Dieser soll dabei sowohl mit der ISS-Kamera als auch mit dem Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), einem weiteren Spektrometer der Raumsonde, abgebildet werden. Aufgrund des sich bei dieser Observation ergebenden hohen Phasenwinkels hoffen die an dem Experiment beteiligten Wissenschaftler, einzelne Kollisionen von Meteoriten mit den Bestandteilen des A-Ringes beobachten zu können.
Nur wenige Stunden später werden die Instrumente der Raumsonde Cassini zwei Sternokkultationen beobachten. Hierbei werden die im Sternbild Großer Hund (lat. „Canis Major“) gelegenen Sterne Sirius und Zeta Canis Majoris verschiedenen Einzelringe des F-Ringes bedecken. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in den Lichtkurven der Sterne erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau und die Struktur der einzelnen Ringe. Durch die zeitliche Abfolge der auftretenden Helligkeitsschwankungen und deren Intensität können so zum Beispiel Rückschlüsse über die Lichtdurchlässigkeit und somit auch über die Materialdichte der einzelnen Ringstrukturen gewonnen werden.
Kurz darauf werden die ISS-Kamera und das UVIS-Spektrometer eine weitere Sternbedeckung verfolgen. Der im Sternbild Jungfrau (lat. „Virgo“) gelegene Stern Spica wird dabei von dem Mond Dione bedeckt. Diese Gelegenheit soll genutzt werden, um die extrem dünne Sauerstoffatmosphäre dieses 1.123 Kilometer durchmessenden Saturnmondes näher zu analysieren. Anschließend setzt die ISS-Kamera eine Suchkampagne nach bisher unentdeckten Minimonden in der Cassini-Teilung des Saturn-Ringsystems fort.
Fast zwei Tage nach dem Passieren der Periapsis wird sich Cassini am 24. Juli um 22:03 MESZ dem Saturnmond Titan im Rahmen eines gesteuerten Vorbeifluges, er trägt die Bezeichnung „T-85“, bis auf eine Entfernung von 1.012 Kilometern nähern. Während der Anflugphase werden das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) und das VIMS-Spektrometer die zu diesem Zeitpunkt nicht von der Sonne beleuchtete Nachtseite des Mondes ins Visier nehmen. VIMS wird dabei speziell auf die nördliche Hemisphäre des Mondes ausgerichtet, um eventuelle Lichtreflexionen der dort befindlichen Seen aus flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen einzufangen. Das CIRS soll dagegen im fernen und mittleren Infrarotbereich die Übergangszone zwischen der Tag- und der Nachtseite des Mondes abtasten und dabei speziell die oberen Atmosphärenschichten des Titan abbilden. Die Arbeiten der beiden Instrumente werden dabei durch dokumentierende Aufnahmen mit dem ISS-Kamerasystem unterstützt.
Zum Zeitpunkt der dichtesten Annäherung wird die Arbeit der Raumsonde durch die Aktivitäten des VIMS-Spektrometers dominiert. Das Instrument soll dabei verschiedenen Oberflächenstrukturen mit einer hohen Auflösung im infraroten Wellenbereich des Lichtes abbilden. Neben verschiedenen Methan-Seen und dem Selk-Krater, einem der lediglich acht bisher zweifelfrei nachgewiesenen Impaktkrater auf der Oberfläche des Titan, wird dabei auch das Landegebiet der Landekapsel Huygens in das Aufnahmefeld des VIMS rücken.
Während der Abflugphase soll das CIRS die Temperaturen auf der Tagseite des Mondes aufzeichnen. Die Wissenschaftler wollen die dabei zu gewinnenden Daten in einen Kontext mit den zuvor registrierten Oberflächenformationen setzen. Außerdem soll die ISS-Kamera eingesetzt werden, um die erkennbaren Wolkenformationen in der Titan-Atmosphäre aufzuzeichnen.
Am 2. August 2012 wird Cassini um 12:52 MESZ in einer Entfernung von rund 2,6 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und diesen 170. Orbit um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 171 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems des Saturn vorgesehen.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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