Cassini beginnt die zweite Missionsverlängerung

Nach dem Beginn der zweiten Missionsverlängerung, der „Cassini Solstice Mission“ am 1. Juli 2010, nähert sich die Raumsonde Cassini gegenwärtig wieder dem Planeten Saturn. Im Rahmen dieser mittlerweile 135. Umrundung des Ringplaneten wird am 7. Juli 2010 erneut der größte der Saturnmonde, der Titan, untersucht werden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, CICLOPS. Vertont von Peter Rittinger.

NASA, JPL
Cassinis Flugplanung umfasst in den kommenden Jahren mehrere nahe Vorbeiflüge an verschiedenen Monden des Saturn. Das Hauptaugenmerk der beteiligten Wissenschaftler richtet sich dabei auf Titan.
(Bild: NASA, JPL)

Die Raumsonde Cassini begann während ihres 135. Orbits um den Planeten Saturn am 1. Juli 2010, sechs Jahre nach dem Einschwenken in eine Umlaufbahn um den Ringplaneten, ihre zweite Missionsverlängerung, welche auch als die „Cassini Solstice Mission“ bezeichnet wird. Bis zum Jahr 2017 sind bei weiteren 155 Umrundungen des Saturn neben den bisherigen 71 gezielten Begegnungen mit dem größten der Monde des Ringplaneten, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, weitere 56 Vorbeiflüge an diesem Mond vorgesehen. Des Weiteren werden 12 nahe Vorbeiflüge am Saturnmond Enceladus, vier Vorbeiflüge an Dione, je zwei Vorbeiflüge an Thetys und Rhea sowie jeweils ein Vorbeiflug an den Monden Methone, Telesto, Epimetheus, Helene und Aegeon erfolgen. Zudem sind diverse weitere Beobachtungen der verschiedenen Monde, der Ringe und der Atmosphäre des Saturn vorgesehen. Einige der wissenschaftlichen Hauptziele bestehen dabei in der Dokumentation der jahreszeitlich bedingten atmosphärischen Veränderungen auf Saturn und Titan, der Erkundung des Ringsystems und der Untersuchung des Saturn-Magnetfeldes. Gegen Ende der Mission wird sich die Raumsonde dann immer weiter an den Saturn annähern und dabei auch den F-Ring und den D-Ring näher untersuchen können.

Die Cassini-Mission wird im Verlauf dieser Missionsverlängerung in regelmäßigen Abständen von einer Expertenkommission bewertet werden, welche feststellen soll, ob sich der Betrieb der Raumsonde aus wissenschaftlicher Sicht auch weiterhin lohnt. Sollten bis zum Jahr 2017 keine wichtigen Instrumente oder für den Betrieb der Sonde notwendige technische Komponenten ausfallen, so wird die Sonde am 15. September 2017 kontrolliert über dem Saturn zum Absturz gebracht werden und in der Atmosphäre des Planeten verglühen, da zu diesem Zeitpunkt die von Cassini mitgeführten Treibstoffvorräte, welche zwingend für die Navigation der Raumsonde erforderlich sind, zur Neige gehen werden. Für diese Vorgehensweise hat man sich entschieden, um zu verhindern, dass durch einen unkontrollierten Absturz der Raumsonde eventuell ein Saturnmond durch irdische Bakterien kontaminiert wird und so die Messergebnisse zukünftiger Kundschafter der Menschheit verfälscht werden.

Cassini begann den 18 Tage dauernden 135. Orbit um Saturn, welcher auch als REV134 bezeichnet wird, bereits am 27. Juni 2010. An diesem Tag befand sich die Raumsonde rund 2,21 Millionen Kilometer von dem Ringplaneten entfernt und hatte damit den Punkt des größten Abstandes zum Planeten auf ihrer elliptischen Saturn-Umlaufbahn erreicht. In den folgenden Tagen erfolgte dann wieder eine Annäherung an den Planeten. Etwa 12 Stunden nach dem offiziellen Beginn dieses Orbits nahm die Raumsonde die wissenschaftlichen Arbeiten während des REV134 auf und fertigte eine Serie von Bildern des Sterns Spica im Sternbild Jungfrau an. Mit diesen Aufnahmen konnte die WAC-Kamera, eine der beiden Komponenten des ISS-Kamerasystems an Bord der Sonde, neu kalibriert werden.

NASA, JPL, SSI, Animation: Mike Malaska
Diese Speichenformationen im B-Ring des Saturn wurden im September 2009 durch die Raumsonde Cassini abgebildet.
(Bild: NASA, JPL, SSI, Animation: Mike Malaska)

Am 28. und 29. Juni stand der Südpol des Ringplaneten auf dem Beobachtungsprogramm, welcher durch die ISS-Kamera abgebildet wurde. Aus den dabei gewonnenen Aufnahmen der südlichen Polarlichtzone, welche durch die Interaktion zwischen der oberen Planetenatmosphäre und dem Magnetfeld des Saturn erzeugt wird, soll jetzt ein Video erstellt werden. Ebenfalls am 28. Juni wurde Titan aus einer Entfernung von etwa 3,17 Millionen Kilometern abgebildet. Mit diesen Aufnahmen soll im Bereich der am Titan-Äquator gelegenen Regionen Aztlan, Quivira und Fensal nach Wolkenformationen gesucht werden. Im Verlauf einer im vorherigen Orbit Nummer 134 durchgeführten vergleichbarer Beobachtungskampagne konnten Wolken im Bereich der Oberflächenstruktur Elba Facula in der südöstlichen Aztlan-Region beobachtet werden.

Am 30. Juni erfolgten astrometrische Beobachtungen von mehreren der kleinen Saturnmonden. Speziell konzentrierte man sich dabei auf Epimetheus, Prometheus, Janus, Anthe, Methone, Telesto und Helene. Ziel dieser ebenfalls ausschließlich aus großen Entfernungen angefertigten Aufnahmen war die Vermessung der exakten Positionen dieser inneren Eismonde innerhalb des Saturnsystems. Mit diesen Bildern sollen die Bahnparameter dieser Monde weiter verfeinert werden.

Zwischen dem 30. Juni und dem 3. Juli erfolgten fünf Beobachtungen des B-Ringes des Planeten. Mit Hilfe der dabei gewonnenen Bilder will man in diesem Ring nach Speichen-Formationen suchen. Erstmals wurden solche ungewöhnliche Formationen vor fast 30 Jahren durch die beiden Voyager-Sonden beobachtet. Man geht davon aus, dass diese Speichen durch elektrostatisch aufgeladene, sehr feine Ringteilchen gebildet werden, welche den Planeten etwas außerhalb der Ringebene umkreisen. Die elektrostatische Aufladung der Teilchen wird dabei durch Gewitter in der oberen Saturn-Atmosphäre verursacht. Durch die gegenwärtig vorherrschenden Beleuchtungsverhältnisse, die Sonne scheint immer noch fast genau auf die Kante des Ringsystems, erscheinen diese Teilchen jetzt besonders gut sichtbar. Am 4. Juli stehen dann zusätzlich auch der D-Ring und der A-Ring auf dem Beobachtungsprogramm der Wissenschaftler.

NASA, JPL, SSI
Die Raumsonde Cassini fertigte diese Aufnahme von Daphnis und den von diesem Mond verursachten vertikalen Strukturen in den Ringen des Saturn am 24. Mai 2009 aus einer Entfernung von 826.000 Kilometern an.
(Bild: NASA, JPL, SSI)

Am 5. Juli 2010 wird Cassini um 07:01 Uhr MESZ auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Planeten, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Raumsonde 118.720 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. In den Stunden vor diesem Ereignis wird sich Cassini dem Mond Daphnis bis auf eine Distanz von 72.816 Kilometern nähern. Die Entdeckung dieses lediglich etwa acht bis neun Kilometer großen Mini-Mondes auf Cassini-Aufnahmen vom 1. Mai 2005 wurde am 6. Mai 2005 durch das Cassini Imaging Science Team bekannt gegeben. Daphnis umkreist den Saturn in einer Entfernung von rund 136.500 Kilometern in einem Zeitraum von 14 Stunden und 15 Minuten innerhalb der 42 Kilometer großen Keeler-Lücke im äußeren A-Ring des Ringsystems und fungiert dabei als ein sogenannter Schäfermond. Mittels seiner Gravitationskraft verursacht der Mond dabei vertikale Strukturen in den angrenzenden Ringen, welche um 500 bis 1.500 Meter über die Ebene der im Durchschnitt lediglich etwa 10 Meter dicken Ringe hinausragen.

Auf den geplanten Aufnahmen der NAC-Kamera, der zweiten Komponente des ISS-Kamerasystems, wird der Mond eine Größe von 20 Pixeln erreichen. Dies werden die bisher besten Aufnahmen dieses Mondes sein, welche eventuell auch Rückschlüsse über dessen ungewöhnlich helle Oberfläche ermöglichen werden.

Bereits zwei Tage zuvor, am 3. Juli um 21:09 Uhr MESZ, führt die Raumsonde ein Kurskorrekturmanöver durch, welches den nächsten Titan-Vorbeiflug, von den Wissenschaftlern kurz als T-71 bezeichnet, einleitete. Am 7. Juli 2010 wird sich Cassini um 02:22 Uhr MESZ dem Titan dabei zum 72. Mal nähern. Dies ist der erste von insgesamt 56 geplanten nahen Vorbeiflügen an diesem Mond während der „Cassini Solstice Mission“ und der vorerst letzte Titan-Vorbeiflug bis zum 24. September 2010. Die Raumsonde wird sich der südlichen Hemisphäre des Titan dabei mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde bis auf eine Entfernung 1.005 Kilometern nähern. In der Annäherungsphase an Titan werden das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), das RADAR-Instrument und das Cassini Plasma Spectrometer (CAPS) der Sonde die wissenschaftlichen Aktivitäten der Sonde bestimmen, da sich Cassini in dieser Flugphase dem Titan auf der nicht vom Sonnenlicht angestrahlten Seite annähert und lediglich eine schmale Sichel des Mondes im sichtbaren Licht erkennbar sein wird.

NASA, JPL, SSI
Auf dieser Aufnahme vom 28. Dezember 2009 ist die Region Belet auf dem Titan zu erkennen. Aus einer Entfernung von 282.000 Kilometern beträgt die Auflösung 17 Kilometer pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL, SSI)

Zuerst wird dabei das CIRS eine Beobachtung des Mondes aus einer größeren Distanz durchführen. Wie bereits beim letzten Titan-Vorbeiflug am 21. Juni 2010 (Raumfahrer.net berichtete) sollen dabei die verschiedenen Schichten der Mondatmosphäre im Fern-Infrarot-Bereich abgebildet werden. Das RADAR-Instrument wird die von Saturn abgewandte Hemisphäre des Mondes abbilden, während CAPS die Interaktion zwischen Titan und der Magnetosphäre des Mondes untersuchen soll.

Zum Zeitpunkt der größten Annäherung an den Mond wird das Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS) der Raumsonde die Zusammensetzung der oberen Atmosphäre des Titan ermitteln. Diese Beobachtung ist Bestandteil einer auf derzeit für eine Dauer von zwei Jahren ausgelegten Messkampagne, mit der die Reaktionen der Titanatmosphäre auf eine veränderte Sonnenaktivität während des solaren Maximums beobachtet werden soll.

Etwa sechs Stunden nach der größten Annäherung an Titan wird das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) der Sonde die wissenschaftlichen Aktivitäten der Sonde bestimmen und drei Mosaik-Aufnahmen des Mondes anfertigen. Das erste Mosaik wird dabei aus einer Entfernung zwischen 119.000 und 175.000 Kilometern erstellt werden. Die Aufnahmen der zweiten und dritten Beobachtung werden auf die westliche Adiri-Region und die dortige Belet-Region zentriert sein. Mit diesen Aufnahmen soll der Wolkenzug über diesem Bereich der Mondoberfläche dokumentiert werden. Ergänzt werden diese durch zwei weitere Beobachtungen, welche am 8. und 9. Juli erfolgen sollen, und bei denen die ISS-Kamera eingesetzt werden wird. Am 9. Juli wird Cassini dabei bereits 1,24 Millionen Kilometer von Titan entfernt sein.

Das Ziel dieser ergänzenden Aufnahmen besteht darin, die im Verlauf des T-71-Manövers beobachteten Wolken in der Mondatmosphäre über eine Zeitspanne von mehreren Tagen optisch zu verfolgen. Durch diese Beobachtungen erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Erkenntnisse über die gegenwärtig auf Titan vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten in der mittleren und oberen Troposphäre sowie allgemeine Angaben über in diesem Zeitraum stattfindende Veränderungen in der Ausdehnung dieser Wolken. Das Verständnis der Entwicklungsgeschichte der Methanwolken des Titan, so die für Cassinis Aktivitäten verantwortlichen Wissenschaftler, ist eine Grundvoraussetzung, um einen Einblick in die globale Zirkulation der dortigen Atmosphäre zu gewinnen. Nur mit entsprechenden Daten kann man wissenschaftlich untermauerte Aussagen darüber tätigen, warum sich diese Wolken überhaupt bilden und ob die auf dem Titan vorherrschenden klimatischen Verhältnisse eventuell zu Methanniederschlägen in Form von „Regen“ führen können.
Zum Ende des Orbits Nummer 135 sind für den Zeitraum zwischen dem 9. und 13. Juli diverse Beobachtungen des Saturn vorgesehen. Auch hier soll in erster Linie der Wolkenzug dokumentiert werden, um im Rahmen längerfristiger Beobachtungen durch den stattfindenden Wechsel der Jahreszeiten bedingte Veränderungen nachvollziehen zu können. Unter anderem soll dabei mit den Aufnahmen die Windgeschwindigkeit in der Saturnatmosphäre in unterschiedlichen Höhen bestimmt werden. Am 15. Juli wird Cassini schließlich erneut den am weitesten vom Saturn entfernten Punkt der Umlaufbahn erreichen und den Orbit Nummer 135 beenden.

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