Cassini beendet die erste Missionsverlängerung

Im Rahmen der mittlerweile 134. Umrundung des Planeten Saturn nähert sich die Raumsonde Cassini gegenwärtig erneut dem größten Saturnmond, dem Titan. Der gegenwärtige Saturn-Umlauf stellt dabei gleichzeitig den letzten kompletten Saturnorbit im Rahmen der „Cassini Equinox Mission“, der ersten Missionsverlängerung dieser Erkundungsmission, dar. Eine zweite Missionsverlängerung wird bis zum Herbst 2017 andauern.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, CICLOPS, Unmanned Spaceflight.

NASA, JPL, Space Science Institute
Der Mond Pan umkreist den Saturn innerhalb des A-Ringes und ist dabei für die Bildung der Encke-Teilung zuständig.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Die Raumsonde Cassini nähert sich gegenwärtig dem Höhepunkt ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten während der mittlerweile 134. Umkreisung des Planeten Saturn. Dieser 134. Umlauf um den Ringplaneten, welcher auch als REV133 bezeichnet wird, begann bereits am 11. Juni 2010. An diesem Tag befand sich die Raumsonde rund 2,23 Millionen Kilometer von dem Ringplaneten entfernt und hatte damit den Punkt des größten Abstandes zum Planeten auf ihrer elliptischen Saturn-Umlaufbahn erreicht. In den folgenden Tagen erfolgte dann wieder eine Annäherung an den Planeten.

Am 19. Juni 2010 näherte sich Cassini dabei um 09:02 Uhr MESZ der obersten Wolkenschicht des Saturn bis auf eine Distanz von 97.949 Kilometern. Das bisherige Hauptaugenmerk der Wissenschaftler lag bei der aktuellen Saturn-Umkreisung erneut auf der Beobachtung des größten Saturnmondes, des Titan. Im Rahmen mehrerer Beobachtungen wurde dabei aus Entfernungen von mehreren Millionen Kilometern nach Wolkenformationen in der Titan-Atmosphäre Ausschau gehalten.

Ebenfalls am 19. Juni 2010 näherte sich Cassini dem kleinen Saturnmond Pan bis auf eine Distanz von 29.333 Kilometern. Obwohl dies eine der bisher dichtesten Begegnungen zwischen diesem Schäfermond und der Raumsonde war, konnten leider keine wissenschaftlichen Beobachtungen durchgeführt werden. Pan umrundet Saturn auf einer kreisrunden Bahn in der Äquatorebene des Planeten in einer Entfernung von 133.583 Kilometern innerhalb von 13 Stunden und 48 Minuten. Er umläuft Saturn dabei innerhalb der Encke-Teilung des A-Rings und bewirkt mittels seiner Gravitationskraft, dass die Encke-Teilung nahezu frei von Ringpartikeln ist. Trotzdem besteht bei dem Passieren dieser Zone des Ringsystems die Gefahr, dass Cassini durch die Kollision mit Staubteilchen ernsthaft beschädigt wird.

NASA, JPL, DLR
Die vier Meter durchmessende Hauptantenne der Raumsonde kann auch als Schutzschild gegen Mikrometeoriten und Staubteilchen eingesetzt werden.
(Bild: NASA, JPL)

Aus diesem Grund wurde der Sondenkörper so gedreht, dass die vier Meter durchmessende HGA-Antenne in die Flugrichtung zeigt und dabei als eine Art „Schutzschild“ fungiert und den eigentlichen Sondenkörper und die wissenschaftlichen Instrumente vor Einschlägen von Mikrometeoriten schützt. Da die wissenschaftlichen Instrumente jedoch starr an der Sonde befestigt sind und nicht einzeln auf ein Ziel ausgerichtet werden können, befand sich Pan in dieser Flugphase nicht in deren Aufnahmebereich. Erst nach der Annäherung konnten Messungen mit dem Plasma-Spektrometer (CAPS) durchgeführt werden, welches dabei den Fluss der Ionen und Elektronen innerhalb der Ionosphäre des Saturn bestimmen sollte.

Am 21. Juni 2010 wird sich Cassini dann um 03:27 Uhr MESZ der Oberfläche des Titan mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde bis auf eine Entfernung von lediglich 880 Kilometern nähern. Dies ist die insgesamt 71. gezielte Annäherung an diesen 5.150 Kilometer durchmessenden Saturnmond und zugleich die letzte Passage an einem Mond während der derzeitigen „Cassini Equinox Mission“, welche am 1. Juli 2010 enden wird. In der Annäherungsphase an Titan werden das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) und das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) der Sonde die wissenschaftlichen Aktivitäten der Sonde bestimmen, da sich Cassini in dieser Flugphase dem Titan auf der nicht vom Sonnenlicht angestrahlten Seite annähert und lediglich eine schmale Sichel des Mondes im sichtbaren Licht erkennbar ist.

NASA, JPL, Space Science Institute
In diesem Bild ist die nicht von der Sonne beleuchtete Seite des Titan erkennbar. Die Raumsonde Cassini fertigte die Aufnahme am 16. März 2010 aus einer Distanz von 1,9 Millionen Kilometern an.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Zuerst wird dabei das CIRS eine Beobachtung des Mondes aus einer größeren Distanz durchführen. Dabei sollen die verschiedenen Schichten der Mondatmosphäre im Fern-Infrarot-Bereich abgebildet werden. Anschließend wird das aus zwei Einzelkomponenten bestehende ISS-Kamerasystem der Sonde den Mond über einen Zeitraum von etwa einer Stunde abbilden. Hierfür wird die Weitwinkelkamera (WAC) eingesetzt werden. Danach wird wieder das CIRS übernehmen und eine Serie von Messungen durchführen, um die Zusammensetzung der Titan-Atmosphäre zu bestimmen. Dazu wird man den Randbereich der erkennbaren Titansichel im mittleren und fernen Infrarot-Bereich abbilden. Zusätzlich wird der nicht vom Sonnenlicht bestrahlte Bereich des Mondes im Fern-Infrarot-Bereich abgetastet werden. VIMS wird zu diesem Zeitpunkt ein vertikales Temperaturprofil der Stratosphäre des Titan erstellen.

Im Bereich der größten Annäherung an die Mondoberfläche wird dann auch das Radio Science Subsystem (RSS) eingesetzt werden. Dafür wird die HGA-Antenne auf die Erde ausgerichtet. Durch Messungen des von Cassini ausgestrahlten Radiosignals sollen die gravitativen Einflüsse des Mondes auf die Raumsonde ermittelt werden. Aufgrund dieser nur minimalen Abweichungen in der Flugbahn wollen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler anhand der Dopplerverschiebung Informationen über die innere Struktur des Mondes gewinnen. Speziell erhofft man sich durch das RSS-Experiment Erkenntnisse über eine eventuell existierende Heterogenität innerhalb der Lithosphäre des Titan.

Nach der Beendigung des RSS-Experiments wird dann das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS) übernehmen. Mit einem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Scan soll die vom Saturn abgewandte Hemisphäre des Mondes östlich der Landestelle der Huygens-Landekapsel abgetastet werden. Anschließend wird das VIMS-Spektrometer zusammen mit der ISS-Kamera drei Mosaik-Aufnahmen anfertigen. Das erste Mosaik wird dabei die Regionen Ching-tu, Adiri und Dilmun in Süd-Nord-Richtung wiedergeben. Hierbei wird man eine Auflösung von bis zu 20 Kilometern pro Pixel erreichen. Das zweite Mosaik wird aus zehn Einzelaufnahmen bestehen und die sichtbare Mondoberfläche umfassen. Das letzte Mosaik wird dagegen mittels vier VIMS-Aufnahmen den gesamten Mond erfassen.

NASA, JPL, University of Arizona
Diese Aufnahme des Saturnmondes Titan wurde am 22. Juli 2006 mit dem VIMS-Spektrometer der Raumsonde Cassini aufgenommen. Cassini befand sich zum Aufnahmezeitpunkt in einer Entfernung von etwa 160.000 Kilometern zur Oberfläche des Mondes.
(Bild: NASA, JPL, University of Arizona)

Anschließend wird zuerst die WAC-Kamera weitere Aufnahmen anfertigen, bevor VIMS ein niedrig aufgelöstes globales Bild der Mondoberfläche erstellt. CIRS wird zudem dazu eingesetzt, um Zusammensetzung und Temperatur der Oberfläche innerhalb der mittleren nördlichen Breiten des Titan zu bestimmen. Das Magnetospheric Imaging Instrument (MIMI) wird die Zusammensetzung, den Ladezustand und die Verteilung von Ionen und Elektronen im Bereich des Titan erfassen und das RPWS-Instrument (Radio and Plasma Wave Science) Messungen der Ionosphäre des Titan durchführen, um dabei nach Anzeichen von Blitzen in der Atmosphäre zu suchen und die Interaktion des Mondes mit der Magnetosphäre des Saturn zu erfassen.

Während dieser Beobachtungsphase wird Cassini 48 Minuten nach der dichtesten Annäherung zudem beobachten können, wie Titan den Stern Alpha Virginis im Sternbild Jungfrau bedeckt. Diese Sternokkultation soll durch das UVIS dokumentiert werden, um dadurch weitere Daten über die Mondatmosphäre zu erhalten. Speziell erhofft sich das UVIS-Team neue Erkenntnisse über die Verteilung und den Anteil von Stickstoff, Kohlenwasserstoffen, Zyanwasserstoff und Aerosolen. Der im Verlauf der Sternokkultation untersuchte Bereich wird ein Höhenprofil der Atmosphäre zwischen 300 und 2.400 Kilometern abdecken und eine Datenlücke zwischen dem CIRS und einem weiteren Instrument, dem Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS), auffüllen.

Die größte Priorität dieses Titan-FlyBys ist jedoch auf die Messungen des Dual Technique Magnetometers (MAG) gerichtet. Die jetzt erreichte Überflughöhe von lediglich 880 Kilometern soll dazu genutzt werden, um festzustellen, ob der größte Saturnmond über ein eigenes Magnetfeld verfügt. Da ein solches Wissen für das Verständnis des inneren Aufbaus des Mondes und seiner geochemischen Entwicklung sehr wichtig ist, wird der gegenwärtige Vorbeiflug der Raumsonde von vielen an der Raummission beteiligten Wissenschaftlern als einer der am meisten erwarteten Vorbeiflüge an Titan betrachtet.

Frühere Messungen der beiden Voyager-Sonden und Cassinis haben gezeigt, dass Titan zumindestens oberhalb der Marke von 950 Kilometern kein eigenes messbares Magnetfeld besitzt. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass ein solches Feld nicht trotzdem vorhanden sein könnte. Es ist denkbar, dass ein entsprechendes Feld bei den bisherigen Messungen vom bedeutend stärkeren Magnetfeld des Saturn überdeckt wurde. Mit der jetzt erreichten Überflughöhe, niemals zuvor wurde eine geringere Höhe über der Mondoberfläche erreicht, wird sich Cassini erstmals während der Mission knapp unterhalb der Ionosphäre des Mondes bewegen. Aus diesem Grund wird sich die Raumsonde in einem Bereich befinden, welcher vom Magnetfeld des Saturn abgeschirmt ist und sollte somit in der Lage sein, entsprechende Signaturen eines Titan-Magnetfeldes zu messen.

NASA, JPL, SSI
Auf dieser Aufnahme vom 28. Dezember 2009 ist die Region Belet auf dem Titan zu erkennen. Aus einer Entfernung von 282.000 Kilometern beträgt die Auflösung 17 Kilometer pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL, SSI)

Insgesamt hat das Cassini-Team über 5.000 Stunden gearbeitet, um die einzelnen Flugmanöver und die Arbeitsabläufe der wissenschaftlichen Instrumente zu planen. Die bei diesem auch als T-70 bezeichneten Titan-Vorbeiflug gewonnenen und vorerst im Hauptcomputer der Raumsonde zwischengespeicherten Daten werden in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 2010 an das Deep-Space-Netzwerk der NASA übermittelt werden. Hierfür ist ein Zeitfenster von weniger als sechs Stunden vorgesehen, wobei zuerst die 70-Meter-Antenne in Madrid und anschließend die 35-Meter-Antenne in Goldstone eingesetzt wird. In der Folgezeit sind dann zwischen dem 22. und 25. Juni 2010 wieder diverse Beobachtungen des Titan vorgesehen. Der Großteil dieser Beobachtungen soll dabei am 22. und 23. Juni erfolgen und sich über Zeiträume von 10 bzw. 6,5 Stunden erstrecken.

Das Ziel dieser ergänzenden Aufnahmen besteht darin, die im Verlauf des T-70-Manövers beobachteten Wolken in der Mondatmosphäre über eine Zeitspanne von mehreren Tagen optisch zu verfolgen. Auf diese Weise erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Erkenntnisse über die auf Titan vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten in der mittleren und oberen Troposphäre sowie allgemeine Angaben über in diesem Zeitraum stattfindende Veränderungen in der Ausdehnung dieser Wolken. Das Verständnis der Entwicklungsgeschichte der Methanwolken des Titan, so die für Cassinis Aktivitäten verantwortlichen Wissenschaftler, ist eine Grundvoraussetzung, um letztendlich einen Einblick in die globale Zirkulation der dortigen Atmosphäre zu gewinnen. Nur mit entsprechenden Daten kann man wissenschaftlich untermauerte Aussagen darüber tätigen, warum sich diese Wolken überhaupt bilden und ob die auf dem Titan vorherrschenden klimatischen Verhältnisse eventuell zu Methanniederschlägen in Form von „Regen“ führen können.

Den Abschluss der wissenschaftlichen Tätigkeiten des 134. Saturnorbits der Raumsonde Cassini bildet eine am 26. Juni 2010 erfolgende Beobachtungskampagne der nördlichen Polarregion des Saturn. Aus den dabei gewonnenen Aufnahmen der Polarlichtzone, welche durch die Interaktion zwischen der oberen Planetenatmosphäre und dem Magnetfeld des Saturn erzeugt wird, soll anschließend ein Video erstellt werden. Außerdem ist für den 27. Juni 2010 die Beobachtung einer weiteren Sternokkultation vorgesehen. Die Bedeckung des 4,84 Magnitude hellen Sterns Kappa Ceti im Sternbild Walfisch soll dazu genutzt werden, um die beiden Kameras des ISS-Systems, die WAC-Weitwinkelkamera und die hochauflösende NAC-Kamera, neu zu kalibrieren.

NASA, JPL
Cassinis Flugplanung umfasst für die kommenden Jahre mehrere nahe Vorbeiflüge an verschiedenen Monden des Saturn. Das Hauptaugenmerk richten die beteiligten Wissenschaftler dabei auf Titan.
(Bild: NASA, JPL)

Am 27. Juni 2010 wird Cassini dann den am weitesten von Saturn entfernten Punkt der Umlaufbahn um den Ringplaneten erreichen und ihren Orbit Nummer 134 beenden. Am 30. Juni 2010 endet dann auch die erste Verlängerung dieser bislang äußerst erfolgreichen Erkundungsmission im Orbit um den Saturn und die gegenwärtige „Cassini Equinox Mission“ wird nahtlos in die zweite und letzte Verlängerung, die „Cassini Solstice Mission“, übergehen.

Bis zum 22. April 2017 sind neben den bisherigen 71 gezielten Begegnungen mit Titan weitere 56 Vorbeiflüge an diesem Mond vorgesehen. Des Weiteren werden 12 nahe Vorbeiflüge am Saturnmond Enceladus, vier Vorbeiflüge an Dione, zwei Vorbeiflüge an Thetys und Rhea und jeweils ein Vorbeiflug an Methone, Telesto, Epimetheus, Helene und Aegeon erfolgen. Zudem sind diverse weitere Beobachtungen der verschiedenen Monde, der Ringe und der Atmosphäre des Saturn vorgesehen. Eines der wissenschaftlichen Hauptziele besteht dabei in der Dokumentation der jahreszeitlich bedingten atmosphärischen Veränderungen auf Saturn und Titan. Gegen Ende der Mission wird sich die Raumsonde dann immer weiter an den Saturn annähern und dabei auch F- und D-Ring näher untersuchen können.

Aber alles hat einmal ein Ende – so auch die von Cassini mitgeführten Treibstoffvorräte, welche zwingend für die Navigation der Raumsonde erforderlich sind. Am 15. September 2017 wird Cassini deshalb kontrolliert über dem Saturn zum Absturz gebracht werden und in der Atmosphäre des Planeten verglühen. Für diese Vorgehensweise hat man sich entschieden, um zu verhindern, dass durch einen unkontrollierten Absturz der Raumsonde eventuell ein Saturnmond durch irdische Bakterien kontaminiert wird und so die Messergebnisse zukünftiger Kundschafter der Menschheit verfälscht werden. Bis dahin verbleibt jedoch noch viel Zeit und Raumfahrer.net wird Sie auch weiterhin über die einzelnen Schritte und Resultate der Cassini-Mission auf dem Laufenden halten.

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