Boeing für Industriespionage bestraft

Die amerikanische Luftwaffe sanktioniert Industriespionage von Boeing gegen seinen Konkurrenten Lockheed Martin mit dem Entzug mehrerer Aufträge für die neue Delta IV-Trägerrakete.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: US Air Force.

Die Delta IV -Raketenfamilie.
(Grafik: Boeing)

Die US-Luftwaffe hatte 1995 vier Unternehmen mit der Entwicklung modularer Trägersysteme für mittlere und schwere Satelliten beauftragt, die auf bestehenden Systemen aufbauen und mindestens 25 Prozent geringere Kosten für einen Satellitenstart ermöglichen sollten. Im Rahmen dieses so genannten „Evolved Expendable Launch Vehicle (EELV)“-Programms blieben schließlich die beiden Unternehmen Boeing und Lockheed Martin übrig, und ihre aus dem EELV-Programm resultierenden Neuentwicklungen Delta IV beziehungsweise Atlas V haben beide im letzten Jahr erfolgreich ihre Jungfernflüge absolviert.

Bestandteil des Entwicklungsprogramms war die gleichzeitige Vergabe von insgesamt 26 Aufträgen für Starts von staatlichen (meist militärischen) Satelliten. Hiervon erhielt Boeing 19 und Lockheed Martin sieben Aufträge.

Nun hat die amerikanische Luftwaffe in einer Pressemeldung bekanntgegeben, dass Boeing ein Teil dieser Aufträge für Satellitenstarts als Sanktion für die Industriespionage gegen Lockheed Martin entzogen worden sind. Offensichtlich hatte sich Boeing im Vorfeld der Entscheidung über die Auftragnehmer des EELV-Programms 1998 illegal Unterlagen des Konkurrenten Lockheed Martin verschafft, was von Boeing auch eingestanden worden ist.

Die Sanktion für dieses Fehlverhalten besteht in dem Entzug von sieben Startaufträgen, so dass Boeing nun nur noch 12, Lockheed Martin hingegen 14 Satelliten der ersten Auftragstranche starten wird. Weiterhin wird Boeing auch bei der Vergabe von drei Satellitenstarts der zweiten Tranche keine Berücksichtigung finden.

Die Sanktionen gegen Boeing beinhalten noch eine weitere Entscheidung. Während ursprünglich nur Boeing die Errichtung einer zweiten Startanlage für ihre Delta IV-Trägersysteme auf dem Gelände des Luftwaffenstützpunkts Vandenberg in Kalifornien genehmigt worden war (während sowohl Boeing wie auch Lockheed Martin neue Startanlagen in Cape Canaveral errichten konnten), wird dies nun auch Lockheed Martin ermöglicht. Da nur von Vandenberg aus Satelliten mit polaren Umlaufbahnen gestartet werden können entfällt durch diese Entscheidung auch das Monopol der Delta IV für solche Missionen.

Insgesamt also ein herber Schlag für Boeing, der sicherlich den durch die Auftraggeber gewünschten „Lerneffekt“ für das Unternehmen zur Folge haben dürfte. Der Vorstandsvorsitzende von Boeing, Phil Condit, kommentierte die Entscheidung der US-Luftwaffe wie folgt: „Wir sind sehr enttäuscht über die Umstände, die die Entscheidung unseres Kunden herbeigeführt haben, doch wir verstehen die Position der US-Air Force, dass unethisches Verhalten nicht toleriert wird. Wir bedauern unsere Aktionen.“

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