Bessere Klimadaten durch zehnmal genauere Satellitennavigation

Satelliten liefern tagtäglich wichtige Daten über Klima und Umwelt. Laut ersten Tests kann eine neue Software von RUAG Space die Echtzeit-Position eines Satelliten im All zehnmal genauer bestimmen als bisher möglich. Genauere Positionsdaten führen zu präziseren Satellitendaten und helfen, Weltraummüll zu vermeiden. Eine Medienmitteilung von RUAG Space.

Quelle: RUAG Space.

Der Umweltsatellit Sentinel 6 von ESA und NASA. (Bild: ESA/ATG Medialab)

Zürich/Wien, 27. Oktober 2021 – Tagtäglich liefern Satelliten wichtige Daten für die Klima- und Umweltforschung, etwa wie hoch der Meeresspiegel steigt oder welche Auswirkungen die globale Erwärmung auf den Gletscherschwund in den Alpen oder auf Flüsse wie die Donau hat. Je präziser die Satellitendaten, umso genauer die Vorhersagen der Wissenschaftler. Daher arbeitet RUAG Space im Rahmen einer Studie für die Europäische Union an einer genaueren Positionsbestimmung von Satelliten, die wiederum bessere Satellitendaten etwa über Klimaveränderungen ermöglicht.

Tests übertrafen Erwartungen: Position auf 10 Zentimeter genau
RUAG Space führte kürzlich erste Tests auf der Erde durch. Dabei wurde eine neue Software mit einem bestehenden Navigationsempfänger für Satelliten von RUAG Space unter simulierten Weltraumbedingungen getestet. „Das Ergebnis war beeindruckend“, berichtete Heinz Reichinger, leitender Ingenieur für Navigationsempfänger und Signalverarbeitung am Wiener Standort von RUAG Space. „Wir konnten die Position des Satelliten zehnmal genauer bestimmen als bisher möglich.“ Die Positionsgenauigkeit verbesserte sich von etwa 100 Zentimeter auf 10 Zentimeter. „Das ist ein Quantensprung in der hochgenauen Positionsbestimmung von Satelliten.“ Mit 10 Zentimetern Genauigkeit übertrafen die Testresultate sogar die ursprünglichen Erwartungen einer Genauigkeit von 20 Zentimetern deutlich.

Neue Software verarbeitet neues Galileo-Signal
Erreicht wurde die höhere Genauigkeit mit einem neuen Softwareprogramm. Die Software kann neben den herkömmlichen Signalen auch ein zusätzliches Positionssignal der europäischen Navigationssatelliten Galileo verarbeiten. Um die genaue Position von Satelliten zu bestimmen, kombinieren die aktuellsten Navigationsempfänger von RUAG Space die Signale der europäischen Galileo-Navigationssatelliten und des amerikanischen GPS Systems. Diese Signale werden genutzt, um die Position des Satelliten im All zu bestimmen. „In den Galileo-Satelliten steckt derzeit noch ungenutztes Potenzial. Sie senden mehrere Signale aus in verschiedenen Frequenzbändern“, erklärte Martin Auer, der die Studie bei RUAG Space leitet. Mit dem Galileo High Accuracy Service (HAS) wird Galileo einen weltweiten, kostenlosen und hochgenauen Ortungsdienst für Anwendungen anbieten, die eine höhere Leistung erfordern, wie Drohnen oder autonome Fahrzeuge. Dieser Dienst sollte 2022 verfügbar sein.

Eine neue Software von RUAG Space ermöglicht es, die Echtzeit-Position eines Satelliten im All zehnmal genauer zu bestimmen. (Bild: RUAG Space)

„Ein Softwareupdate kann auf bereits im All befindliche Navigationsempfänger ebenso gespielt werden wie auf Empfänger, die wir bereits an Kunden geliefert haben und noch auf der Erde sind.“ Die Hardware der Geräte bleibt unverändert. Die ESA etwa lässt den bereits an sie ausgelieferten RUAG Space Navigationsempfänger „PODRIX“ für den Umweltsatelliten Sentinel 1C mit dieser neuen Software für die In-Orbit Validation des Satelliten aufrüsten. Der von Thales Alenia Space gebaute Satellit Sentinel 1C wird 2022 ins All starten.

Für eine präzise Positionierung sorgen aber schon heute Navigationsempfänger von RUAG Space, die Galileo-Signale verarbeiten. Dazu gehört derjenige für den „Sentinel 6 Copernicus“ Satelliten, der seit November 2020 im All ist. Er misst das Ausmaß der Meeresspiegelveränderung und liefert wichtige Daten über Küstengebiete, die durch den Meeresspiegelanstieg gefährdet sind. Je genauer die Position des Satelliten bestimmt werden kann, desto präziser sind die Umweltdaten, die er sammelt und liefert. Dies ermöglicht neue Beobachtungen und Vorhersagen, die für die Bewältigung der Auswirkungen der Klimakrise, zum Beispiel in exponierten Küstenstädten wie Venedig, unerlässlich sind“, erklärte Fiammetta Diani, Leiterin der Abteilung Marktentwicklung bei der Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm.

Genauere Positionsdaten vermeiden Satellitenunfälle und Weltraummüll
Genauere Daten über die Position eines Satelliten helfen außerdem dabei, eine Kollision von Satelliten im All zu vermeiden und tragen damit zur Vermeidung von Weltraummüll bei. Prallen Satelliten im Orbit aufeinander, entstehen zahlreiche Satellitentrümmer. Durch die hohe Geschwindigkeit im Orbit sind selbst kleinste Trümmerteilchen eine enorme Gefahr für andere Satelliten. „Je genauer die Position eines Satelliten bekannt ist, desto besser kann ein potenzieller Unfall vorhergesagt und beispielsweise Ausweichmanöver durchgeführt werden. Unsere genaueren Positionsdaten von Satelliten helfen, Weltraummüll zu vermeiden“, betonte Heinz Reichinger von RUAG Space.

Neues Navigationssystem für Satellitenschwärme
In den kommenden Jahren ist der Start vieler Satellitenschwärme von hunderten bis tausenden Kleinsatelliten im erdnahen Orbit geplant. Für solche Schwärme baugleicher Satelliten entwickelt RUAG Space einen kostengünstigen Navigationsempfänger, der leichter und kleiner als herkömmliche Geräte ist und die neue Software zur Verarbeitung der zusätzlichen Galileo HAS-Signale bereits standardmäßig enthält. Die neuen Empfänger namens „NavRix PinPoint“ sind durch die Verwendung standardisierter Elektronikbauteile (Commercial Off the Shelf) kostengünstiger.

Über die Studie: Forschungsauftrag im Wert von einer Million Euro
Anfang 2021 vergab die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA) einen Forschungsauftrag in Höhe von einer Million Euro an RUAG Space. Ziel der Studie ist es, die Positionsgenauigkeit von Satelliten zu erhöhen. Die Studie wird 2022 abgeschlossen werden.

Über RUAG Space
RUAG Space, mit Hauptsitz in Zürich, ist der führende Zulieferer der Raumfahrtindustrie in Europa mit einer wachsenden Präsenz in den USA. Rund 1.300 Mitarbeiter in sechs Ländern (Schweiz, Schweden, Österreich, Deutschland, USA und Finnland) entwickeln und fertigen Produkte für Satelliten und Trägerraketen – sowohl für den institutionellen als auch den kommerziellen Raumfahrtmarkt.

In Österreich ist RUAG Space Austria mit Sitz in Wien und rund 250 Mitarbeitern das grösste österreichische Raumfahrtunternehmen, das Satelliten und Trägerraketen weltweit mit Elektronik, Mechanik und Wärmedämmung ausstattet. Als Spin-off der Raumfahrtaktivitäten produziert das Unternehmen in Berndorf, Niederösterreich, auch Thermalisolation, zum Beispiel für den medizinischen Bereich (Magnetresonanztomographen).

RUAG Space ist Teil von RUAG International, einem Schweizer Technologiekonzern mit Produktionsstandorten in 14 Ländern, der in vier Divisionen unterteilt ist: Space, Aerostructures, MRO International und Ammotec. RUAG International beschäftigt rund 6.500 Mitarbeiter, von denen etwa zwei Drittel außerhalb der Schweiz arbeiten. www.ruag.com

Über die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA)
Die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA) erbringt zuverlässige und sichere europäische Satellitennavigationsdienste, fördert die Vermarktung von Galileo-, EGNOS- und Copernicus-Daten und -diensten und koordiniert das künftige staatliche Satellitenkommunikationsprogramm GOVSATCOM. Die EUSPA ist für die Sicherheitsakkreditierung sämtlicher Komponenten des EU-Weltraumprogramms zuständig. Durch die Förderung der Entwicklung eines innovativen und wettbewerbsfähigen Raumfahrtsektors und die Zusammenarbeit mit der gesamten Weltraumszene der EU leistet die EUSPA einen Beitrag zum europäischen Green Deal, zum digitalen Wandel, zur Sicherheit sowie zum Schutz der Union und ihrer Bürger und stärkt dabei zugleich ihre Unabhängigkeit und Widerstandsfähigkeit.

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