Am Karfreitag fliegt die Raumsonde an der Erde vorbei. Messinstrumente an Bord mit MPS-Beteiligung nutzen die Gelegenheit, erste wissenschaftliche Daten aufzunehmen. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung.
Quelle: MPS.
Auf ihrer insgesamt siebenjährigen Reise zum sonnennächsten Planeten Merkur erreicht die europäisch-japanische Raumsonde BepiColombo am kommenden Karfreitag, 10. April, einen wichtigen Meilenstein. Durch einen nahen Vorbeiflug an der Erde ändert sie ihre Flugbahn und dringt so tiefer ins Zentrum des Sonnensystems vor. Während des Manövers werden einige der insgesamt 16 Messinstrumente eingeschaltet, darunter auch zwei, zu denen das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen beigetragen hat. Während das Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt den Vorbeiflug wegen der aktuellen Corona-Krise mit reduzierter Besetzung durchführt, verfolgen die MPS-Wissenschaftler die Ereignisse – anders als sonst – aus dem Homeoffice.
Nur 12.700 Kilometer werden BepiColombo am 10. April um 6.25 Uhr von der Erde trennen. Ziel der kosmischen Begegnung ist es, die Merkursonde abzubremsen und ihre Flugbahn auf diese Weise so zu krümmen, dass sie auf engere Umlaufbahnen um die Sonne einschwenkt. Nach acht weiteren Vorbeiflügen dieser Art, davon zunächst zwei an der Venus und dann sechs am Merkur selbst, erreicht BepiColombo Ende 2025 die angestrebte Umlaufbahn um ihren Zielplaneten.
Den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bietet der bevorstehende Vorbeiflug schon jetzt eine wichtige Gelegenheit, ihre Instrumente im realistischen Messbetrieb zu testen. Bereits nach dem Start der Mission im Oktober 2018 wurden die 16 Messinstrumente nach und nach in Betrieb genommen. „Messungen im interplanetaren Raum bieten jedoch nur teilweise Bedingungen, die mit dem späteren Einsatz am Merkur vergleichbar sind“, erklärt Dr. Norbert Krupp vom MPS, der zu den Teams der Instrumente MPPE (Mercury Plasma Particle Experiment) und SERENA (Search for Exospheric Refilling and Emitting Natural Abundances Experiment) gehört. „Echte“ Messdaten ergeben sich nun erstmals beim Erdvorbeiflug. Bereits am Abend des Gründonnerstags, 9. April, beginnt das Manöver; am frühen Morgen des Karsamstags ist es abgeschlossen.
Um die Ansteckungsgefahr für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der aktuellen Corona-Krise zu minimieren und die deshalb gebotenen Mindestabstände zwischen Personen einzuhalten, steuert die ESA den Vorbeiflug aus ihrem Kontrollzentrum in Darmstadt mit einer kleineren Mannschaft als sonst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der einzelnen Instrumenten-Teams, die üblicherweise bei solchen Manövern die Messungen ihres Instrumentes ebenfalls im Kontrollzentrum begleiten, reisen dieses Mal nicht an. „Den Vorbeiflug vor Ort in Darmstadt zu verfolgen, wäre natürlich ein besonderes Ereignis gewesen“, so Dr. Markus Fränz vom MPS, ebenfalls Teammitglied von SERENA und MPPE. „Aber in der aktuellen Ausnahmesituation geht es auch anders.“ Die Befehle für die jeweiligen Messinstrumente sind bereits programmiert, Änderungen während des Fluges nicht vorgesehen.
Forscher des MPS tragen zu insgesamt vier der 16 Instrumente bei, von denen allerdings nicht alle beim Vorbeiflug zum Einsatz kommen. Grund dafür ist die Konfiguration während des siebenjährigen Anflugs zum Merkur. BepiColombo besteht aus zwei autonomen Sonden, dem europäischen Mercury Planetary Orbiter (MPO) und dem japanischen Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO, auch genannt Mio), die derzeit huckepack und auf einander gestapelt auf dem sogenannten Transfermodul reisen. Die obere Sonde MMO umgibt zudem ein Sonnenschutzschild. Am Merkur angekommen werden sich beide Sonden vom Transfermodul und voneinander trennen und dann den Planeten auf jeweils eigenen Flugbahnen umrunden.
Derzeit ist die Sicht einiger Instrumente jedoch verstellt oder zumindest stark eingeschränkt. Die Instrumente MIXS (Mercury Imaging X-Ray Spectrometer) und BELA (BepiColombo Laser-Altimeter) etwa, die das MPS mitentwickelt hat, befinden sich an der Unterseite von MPO. Diese ist in der aktuellen Konfiguration mit dem Transfermodul verbunden, so dass keines der Instrumente Messungen durchführen kann. Besser ergeht es den Instrumenten MPPE und SERENA. MPPE, für den das MPS das Massenspektrometer MSA (Mass Spectrum Analyzer) entwickelt hat, gehört zur wissenschaftlichen Nutzlast der japanischen Sonde MMO und thront somit sozusagen ganz oben auf dem Raumsonden-Stapel aus Transfermodul, MPO und MMO. Allerdings schränkt der Sonnenschutzschild die Sicht ein. Die Ionenkamera PICAM (Planetary Ion Camera) des Experimentes SERENA genießt von der Oberseite des MPO einen unverstellten Rundumblick.
Beide Instrumente sollen am Merkur die geladenen, hochenergetischen Teilchen untersuchen, die im Magnetfeld des Planeten gefangen sind. Neben der Erde ist der Merkur der einzige erdähnliche Planet, der ein Magnetfeld besitzt. Allerdings fällt es um einen Faktor 130 bis 340 schwächer aus als das irdische Feld. Eine weitere Besonderheit: Während starker Sonnenaktivität wird die Magnetosphäre zeitweise so stark zusammengedrückt, dass große Teile der Planetenoberfläche direkt dem Sonnenwind ausgesetzt sind. Durch diesen Sonnenwindbeschuss werden Sauerstoff-, Natrium-, Magnesium- und Calziumionen von der Oberfläche freigesetzt und gelangen in die Magnetosphäre des Planeten.
„Der bevorstehende Erdvorbeiflug bietet unseren Instrumenten völlig andere Bedingungen als der Betrieb am Merkur“, so SERENA- und MPPE-Teammitglied Dr. Harald Krüger vom MPS. So sind etwa die geladenen Teilchen im Strahlungsgürtel, dem Torus hochenergetischer Teilchen um die Erde, deutlich energiereicher und konzentrierter als es am Merkur zu erwarten ist. SERENA und MPPE sind zum Teil für diese extremen „Arbeitsbedingungen“ nicht ausgelegt. Um die Instrumente beim Flug durch den Strahlungsgürtel nicht zu schädigen, werden sie deshalb in dieser Phase ausgeschaltet.
Die anderen Abschnitte des Vorbeifluges jedoch werden genutzt. Da die Eigenschaften der irdischen Magnetosphäre von anderen Forschungssatelliten bereits gut untersucht sind, bieten die Messdaten die Möglichkeit, die Instrumente vor der Ankunft am Merkur unter Weltraumbedingungen zu kalibrieren. Der nächste Vorbeiflug, dann an der Venus, steht bereits im Oktober dieses Jahres an.