Belle II: Weltrekord im Beschleunigerring

Höchste je gemessene Luminosität im Elektron-Positron-Beschleuniger SuperKEKB erzielt. Gemeinsame Pressemitteilung der deutschen Arbeitsgruppen im Belle II – Experiment.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

SuperKEKB Beschleuniger-Tunnel.
(Bild: KEK / Shota Takahashi)

26. Juni 2020 – Rückenwind für die Suche nach seltenen Teilchenzerfällen am Belle II – Experiment: Der Beschleunigerring SuperKEKB hat jetzt die höchste je gemessene Luminosität erzielt. Damit schlägt der Elektron-Positron-Beschleuniger nicht nur seinen Vorgänger KEKB, sondern auch den Large Hadron Collider (LHC) am CERN. Dies gab das japanische Forschungszentrum KEK, der Betreiber des Beschleunigers, jetzt bekannt.

In SuperKEKB werden Elektronen und Positronen auf hohe Energien beschleunigt und im Belle II-Detektor zur Kollision gebracht. Damit wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ursachen des unterschiedlichen Verhaltens von Materie und Antimaterie im Universum genauer ergründen. Der deutsche Belle II – Forschungsverbund, an dem die Johannes Gutenberg-Universität Mainz beteiligt ist, war für die Entwicklung des zentralen Detektors in Belle II verantwortlich.

Die Luminosität spielt dabei eine Schlüsselrolle. Sie sagt aus, wie viele Teilchen pro Sekunde auf einem Quadratzentimeter aufeinandertreffen. Damit ist die Luminosität eine wichtige Stellgröße für die Anzahl von Kollisionen, die im Belle II – Detektor erzeugt und ausgewertet werden können: je mehr Messdaten, umso höher die Wahrscheinlichkeit, auch sehr seltene Prozesse zu finden.

Am 15. Juni 2020 lag der Wert bei 2,22 x 1034cm-2s-1. Doch das ist erst der Anfang: In den nächsten Jahren wird die Luminosität weiter ansteigen – nach Plan auf das 40-fache des aktuellen Rekords. Dafür haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Reihe technischer Details einfallen lassen.

Ziel: Erhöhung der Kollisionsrate
Um eine hohe Luminosität zu erzielen, können zwei Dinge optimiert werden: die Dichte der beiden gegenläufigen Strahlen aus Elektronen und Positronen und der Teilchenstrom, also die Anzahl der Teilchen pro Strahl.

Der italienische Physiker Pantaleo Raimondo hat das so genannte Nano-Beam-Verfahren entwickelt. Damit lässt sich der Teilchenstrahl auf eine Breite von nur 10 Mikrometer und eine Höhe von nur 50 Nanometer bündeln. Zum Vergleich: Die Größe von Corona-Viren beträgt 120-160 Nanometer. Der aktuelle Weltrekord konnte bereits mit einem 20 Mikrometer breiten und 220 Nanometer hohen Strahl erzielt werden. Auch beim Teilchenstrom ist noch eine Erhöhung um einen Faktor 4-5 möglich.

Die technischen Neuerungen
Um das Nano-Beam-Verfahren zu implementieren und den Teilchenstrom zu erhöhen, haben die Betreiber den SuperKEKB-Ring mit technischen Neuerungen versehen. Dazu zählen

  • die Installation eines neuen Strahlrohrs,
  • der Einbau neuer supraleitendender Magneten zum Fokussieren der Strahlen,
  • der Einbau eines neuen Dämpfungsrings für Positronen
  • und eine hochleistungsfähige Teilchenquelle.

Auswirkungen auf das Belle II – Experiment
Der Elektron- und der Positron-Strahl treffen im Zentrum des Detektors Belle II zusammen. Die Physikerinnen und Physiker und Ingenieurinnen und Ingenieure im Belle II – Verbund untersuchen damit Teilchen, die bei der Kollision entstehen – im wesentlichen B-Mesonen, Charm-Mesonen und Tau-Leptonen (*) sowie ihre entsprechenden Antiteilchen.

SuperKEKB-Beschleuniger und Belle II – Detektor mit teilweise geöffneter Endkappe – sichtbar sind die Fokussiermagnete für den Beschleuniger, die es ermöglichen die hohe Luminosität zu erzielen.
(Bild: KEK / Shota Takahashi)

Das Verhalten dieser Teilchen ist weitgehend im Standardmodell beschrieben. Allerdings kann dieses nicht alle beobachtbaren Phänomene erklären: zum Beispiel die Dunkle Materie oder warum es im Universum Materie, aber kaum Antimaterie gibt. Den Schlüssel für diese Rätsel hoffen die Forscherinnen und Forscher in Signalen aus seltenen Zerfallsprozessen zu finden. Mit der Hochleistungsmaschine SuperKEKB wird es möglich, mehr dieser Ereignisse zu erfassen und zu analysieren.

Im Lauf der nächsten zehn Jahre soll Belle II 50-Mal mehr Kollisionen aufzeichnen als der vorherige Belle-Detektor. Anders gesagt, können die Physikerinnen und Physiker mit dem Experiment dann 50 Milliarden B-Mesonen-Paare und eine ähnlich hohe Anzahl an Charm-Mesonen sowie Tau-Leptonen auswerten. So können sie tiefer als je zuvor in die Geheimnisse des Universums eintauchen.

(*) Mesonen bestehen aus zwei Quarks, Elementarteilchen, die auch die Protonen und Neutronen im Kern von Atomen bilden. Zum Beispiel sind B-Mesonen aus Up- oder Down Quarks und einem Anti-B-Quark zusammengesetzt: https://de.wikipedia.org/wiki/B-Meson

Das Tau-Lepton (oder Tauon) ist ein schwerer Verwandter des Elektrons: https://de.wikipedia.org/wiki/Lepton

Die deutschen Arbeitsgruppen im Belle II – Experiment werden mit Finanzmitteln folgender Einrichtungen und Programme gefördert:

  • Bundesministerium für Bildung und Forschung: Rahmenprogramm Erforschung von Universum und Materie (ErUM)
  • Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder: „ORIGINS“: EXC-2094 – 390783311, „Quantum Universe“: EXC-2121 – 390833306
  • European Research Council
  • European Union’s Horizon 2020 – grant agreement No 822070
  • Helmholtz-Gemeinschaft
  • Max-Planck-Gesellschaft

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Nach oben scrollen