Raketenstarts von Baikonur, unbemannt oder bemannt, sind heutzutage alltäglich. Immer noch nicht alltäglich sind aber Reisen zu solchen Starts. Und für viele ist es ein unerfüllbarer Traum. Unser Forums-Mitglied Axel Monse hat sich diesen Traum erfüllt. Und hier ist sein Bericht …
Quelle: Reise.
Prolog
Die Lichter eines sechsrädrigen Mondbuggys leuchten hell auf. Mehrere im 3D-Drucker entstandene igluförmige Mondhäuser stehen am Horizont. Immer wieder setzt in dem kleinen Dorf mit Erdblick eine Landefähre mit neuen Versorgungsgütern auf. Wir – Bernhard und ich – befinden uns nicht in der Zukunft, bei der die Vision von ESA-Direktor Jan Wörner Wirklichkeit geworden ist, sondern in der 4. Etage des kasachischen Pavillons der internationalen Weltausstellung „Expo – Energy for the Future“ in der kasachischen Hauptstadt Astana.
Man sieht einen russischen „Orlan“-Raumanzug mit kasachischen Emblem, eine amerikanische „Orion“-Kapsel, einen ganzen Gang im Enterprise-Design mit einem riesigen Hologramm der Internationalen Raumstation (ISS) sowie viele weiterführende Informationen zur Raumfahrt. Alles sprüht regelrecht vor Aufbruchstimmung und Pioniergeist. Kasachstan ist sichtlich stolz, dass vom eigenen an Russland verpachteten Land die ersten Raketen ins All gestartet sind und weiterhin nur von dort Menschen zur ISS fliegen. Kasachstans Nachbarland Turkmenistan präsentierte stolz „ihren“ Satelliten „TurkmenSat-1“ in der Ausstellungshalle. Dieser ist aber nicht vom Weltraumbahnhof in Baikonur gestartet, sondern am anderen Ende der Welt in Cape Canaveral.
Samstag 9. September 2017
Mit der Weltausstellung begann unsere zweiwöchige Reise in Kasachstan. Nach weiteren fünf Tagen in Kasachstan ohne Weltraumbezug erreichten wir am Samstag per Nachtzug die knapp 900 Kilometer von der kasachischen Hauptstadt entfernte Bahnstation Tjuratam. Wir wurden von Oleg am Bahnhof herzlich empfangen und es ging per Auto und mit den passenden Zugangsberechtigungen in die von einer Mauer und Checkpoints umgebenen Stadt Baikonur.
Untergebracht wurden wir im obersten Stockwerk einer für kasachische bzw. russische Verhältnissen gut eingerichteten Jugendherberge. Die (bis 1995) als Leninsk für das Kosmodrom fast schachbrettartig errichtete Stadt Baikonur konnten wir vom Balkon der Herberge wunderbar überblicken. Nach einer Woche kasachischer Steppe fiel uns in Baikonur sofort das üppige, vom Menschenhand gepflanzte Grün ins Auge. Bei genauerem betrachten sieht man, dass diese Oase nur durch kleine blaue oder grüne Leitungen am Leben gehalten wird. Ein kostbares Gut.
Am Morgen schlenderten wir über den Markt von Baikonur. Wir sahen sofort, dass wir uns nicht auf einem gewöhnlichen Markt befanden. Viele Werbeanzeigen enthielten im Mittelpunkt eine „Sojus“-Rakete – auch wenn nur Elektronikartikel oder Nahrungsmittel beworben wurden. An den Marktständen wurden Raketenmodelle, Tassen und T-Shirts mit Bezug zum Kosmodrom angeboten.
In welcher isolierten Umgebung sich das Kosmodrom befindet, bemerkten wir an diesem Samstag auch, als wir einen Badeausflug zum beliebten Badesee Kamistibas unternahmen. 150 Kilometer ging es dabei auf fast geradlinigen Straßen durch die endlose immer gleich aussehende Steppe.
Nur ab und zu tauchten Kamele und Pferde am Straßenrand auf. Ein Schild verkündete: 1500 Kilometer bis ins russische Samara. Man kann erahnen, dass der Ort des Raumfahrthafens wahrlich ein gutes, im Süden der damaligen Sowjetunion befindliches Versteck für eine Raketenbasis im damaligen Kalten Krieg war.
Sonntag 10. September 2017
Die Nacht auf Sonntag wurde kurz. Wir mussten früh raus, da im Morgengrauen traditionell das Rollout der „Sojus“-Rakete durchgeführt wurde. Um 5 Uhr wurden wir von der Herberge abgeholt und für ein schlichtes Frühstück, das aus dem traditionellen kasachische Frühstücksbrei Sök bestand, ins „Zentralnajia“-Hotel gefahren. Das Hotel steht direkt am Hauptplatz von Baikonur. Dort grüßt noch immer eine große Lenin-Statue die Gäste der Stadt. Am Frühstückstisch plauderten wir mit weiteren Gästen aus aller Welt.
Mit vollem Magen ging es nun erstmals ins eigentliche Kosmodrom. Dabei passierten wir wieder zwei Checkpoints: Den einen beim Verlassen der Stadt und den anderen nach einer kurzen Fahrt auf kasachischem Boden bei der anschließenden Einfahrt ins Sperrgebiet. Es ging auf einer langen Straße mit dem Bus nordwärts. Erst als die letzten Lichter der Stadt Baikonur hinter dem Horizont verschwanden, tauchten in Fahrtrichtung die beleuchteten Hallen auf. Damit ist das Gebiet auch vor neugierigen Blicken aus der Stadt geschützt.
Unsere Fahrt führte zum Platz 112. Die Halle mit der „Sojus“-Rakete war hell beleuchtet und in der Halle wirbelten viele Arbeiter herum. Die Beleuchtung der Lokomotive stand auf Rangierbetrieb. Angehängt war ein Wagen mit der Rakete mit der Seriennummer 734 für die Mission „Sojus MS-06“. Alles war für das Rollout bereit.
Die „Sojus“ wird in Serienproduktion gefertigt. Das sahen wir deutlich daran, dass sich in der Halle noch nicht montierte Erststufen für einen späteren Start befanden. Sie werden wahrscheinlich im Dezember die nächste Besatzung zur ISS bringen. Möglich wäre auch der Start der Progress-Rakete im Spätherbst, diese wird aber vermutlich in der Montagehalle beim Startplatz 31 zusammengebaut.
Wir Touristen standen mit Kamera, Fotoapparat und Smartphone bewaffnet Spalier, als die Rakete von Sicherheitsleuten abgeschirmt im Schritttempo an uns vorbeirollte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und die Rakete entschwand schnell in Richtung des ersten Wendepunktes, der hinter den verfallenen Betankungsanlagen des geflügelten Raumtransporters „Buran“ liegt.
Wir wurden nun mit dem Bus zu einem Bahnübergang in der Nähe des Startplatz 1 („Gagarins Start“) gefahren, von dem aus wir die gesamte noch verbleibende Strecke der Rakete zum Startplatz überblicken konnten. Malerisch ging währenddessen hinter der Startrampe mit dem noch offenen Startturm die Sonne im Osten auf. Da fällt einem sofort ein, wie passend doch die Bezeichnung des ersten bemannte Flugs von dieser Startrampe gewählt wurde – „Wostok 1“ (Osten 1).
Im rötlichen Morgenlicht rollte dann langsam die Rakete heran. Erst fuhr man zum zweiten Wendepunkt und dann in Begleitung von Oleg über den Bahnübergang zur Startrampe. Wir Touristen kamen nun der Rakete noch ein letztes Mal so nah wie bei der Ausfahrt aus der Montagehalle. Nur ein paar Meter trennten uns von der „Sojus-MS 06“.
Als die Rakete den Startplatz erreicht hatte, durfte auch das internationale Publikum den Platz betreten und das Aufrichten der Rakete miterleben. Auch ein Steppenfuchs schien dem Ereignis bewohnen zu wollen und schlich zwischen den Ersatz-Transportwagen über die Startrampe hinweg.
Nach dem Aufrichten vom Transportwagen auf der Startrampe sahen wir – schneller als gedacht – die Rakete Nr. 734 im sich schließenden Startturm verschwinden, bevor wir das Kosmodrom per Bus leider wieder verlassen mussten.
Es stand noch ein weiterer Programmpunkt für Sonntag an: Der Besuch der Internationalen Schule von Baikonur. Die Schule ist sehr modern eingerichtet und es findet – für uns überraschenderweise – Unterricht von Montag bis Samstag statt.
Die Lehreinrichtung zeichnet sich dadurch aus, dass sich auf jeder Etage interessante Raumfahrtexponate und -modelle befinden.
So finden sich auf der ersten Etage mehrere Triebwerke, in der zweiten Etage eine TKS-Raumkapsel. Man erlaubte uns, in den Schalensitzen dieser Kapsel Platz zunehmen, und wir durften uns für einen kurzen Augenblick wie echte Kosmonauten fühlen.
Am Ende des Rundgangs wurde für uns im Innenhof der internationalen Schule eine Modellrakete gestartet. Erst der zweite Startversuch glückte, und die Modellrakete landete durch starken Seitenwind beeinflusst auf dem Dach. Wir dachten uns: Hoffentlich läuft der Start der „Sojus“ besser ab!
Am Abend hatten wir in unserer Freizeit Gelegenheit, uns mit Oleg zu treffen und die Erlebnisse des zu Ende gehenden Tages auszutauschen. Dabei führte uns Oleg noch zu der Pontonbrücke im Süden von Baikonur, und zum Denkmal „Schwerelos“ am Ortseingang von Baikonur.
Vor diesem Denkmal werden immer zahlreiche Fotos von den „Sojus“-Mannschaften aufgenommen – auch unsere „Mannschaft“ machte ein paar Erinnerungsfotos vor diesem Denkmal.
Montag 11. September 2017
Der Montagmorgen begann ruhig. Wir konnten nach den letzten doch recht kurzen Nächten etwas ausschlafen und machten uns nach dem Frühstück im „Zentralnajia“ auf den Weg, die Stadt Baikonur zu Fuß zu entdecken. Ein paar Tipps hatte uns Oleg am Vorabend mit auf dem Weg gegeben.
So statteten wir einigen Denkmälern der Raumfahrtgeschichte einen Besuch ab: Die liegende „Sojus“-Rakete zum Anfassen, das Gagarin- und Koroljow-Denkmal, den verschlafenen Stadtpark, die russisch-orthodoxe Kirche mit ihren Zwiebeltürmchen und die geschlossenen Tore des in Quarantäne befindlichen Kosmonautenhotels. Ein Blick über den Zaun auf die Allee der Kosmonauten war uns dabei leider nicht möglich.
Auch ein Blick auf Gagarins Sommerpavillon am Syr-Darja blieb uns verwehrt, da dieser aktuell in einen neuen Hotelkomplex integriert werden soll und durch sehr hohe Bauzäune versteckt ist. Wir konnten auch die Freundlichkeit der Bewohner Baikonurs erleben: Bernhard und ich wurden in den Sportkomplex von Baikonur eingeladen. Dort durfte er sich eine halbe Stunde im Tischtennis-Spiel bewähren, während ich eine private Führung durch die Sportanlagen erhielt.
Am Nachmittag wurde wieder das reguläre Programm aufgenommen: Es ging mit dem Touristenbus zunächst ins Kulturzentrum mit dem historischen Museum von Baikonur. Vor allem viele Modelle und Fotos erzählten die Geschichte von der Entstehung des Kosmodroms und der Stadt und beschrieben die Entwicklung der einzelnen russisch-sowjetischen Raketen und bemannten Raumflugkörper bis hin zur heutigen Raumstation ISS. Anschließend folgte eine kleine Stadtrundfahrt mit vielen schon von uns zu Fuß besuchten Orten.
Für den Abend stand noch etwas Kulturaustausch an. Wir waren mit drei anderen jungen Reisenden dazu angehalten worden, eine Englischstunde in der im Gebäude unserer Herberge befindlichen Sprachschule zu begleiten. So unterhielten wir uns mit den russischen und kasachischen Schülern über das Leben in Kasachstan und in Europa – ein sehr schöner Einblick in die Kulturen.
Die anstehende Nacht sollte für uns erneut etwas kürzer werden, denn wir hatten uns seit unserer Ankunft darum bemüht, eine optimale Position zur Beobachtung des Starts der „Proton“ mit dem Satelliten „Amazonas-5“ zu finden. Da wir keine Möglichkeit erhielten, vom Dach unseres Hotels den Start zu beobachten, organisierte uns unsere Dolmetscherin ein Taxi. Mit diesem fuhren wir zusammen mit einem Ehepaar aus Neuseeland in die Nähe des Grenzzauns des Kosmodroms.
Fern von Stadt- und Straßenbeleuchtung konnten wir dann um 1:23:45 Uhr in der Frühe wunderbar das Zünden der Triebwerke und dann das Aufsteigen der kräftigen „Proton“ in rund 46 km Entfernung beobachten. Erst nach drei Minuten Flugzeit war auch das dunkle Grollen der Triebwerke zu hören. Dank der großen Entfernung war die Veränderung der Aufstiegsbahn von der Vertikalen in die Horizontale sehr gut zu verfolgen. Auch das Zünden und Arbeiten der einzelnen Raketenstufen konnten wir gut mit dem bloßen Auge erkennen.
Dienstag 12. September 2017
Nach der kurzen Nacht stand der Dienstag voll im Zeichen der Startanlagen des Kosmodroms und des „Sojus“-Starts. So brachen wir nach dem Frühstück im Zentral-Hotel mit dem Bus in Richtung Weltraumhafen auf. Der erste Stopp galt dem Museum des Kosmodroms auf Platz 2. In dessen umfangreicher Sammlung war auch die signierte Missionsfahne und das Missionsbild der Besatzung von Sojus-MS 06 ausgestellt.
Ebenso gibt es eine Art „Hall of Fame“ mit allen bisher von Baikonur gestarteten Raumfahrern. Auch dem Flug des ersten deutschen Raumfahrers Sigmund Jähn mit seinem sowjetischen Kollegen Bykowski ist eine Vitrine gewidmet.
Neben dem Museum befinden sich auch die zwei kleinen, frisch rekonstruierten Wohnhäuser von Gagarin und Koroljow. Ich hatte angesichts der komplett erhalten gebliebenen Innenausstattung das Gefühl, es würde gleich ein Kosmonaut der ersten Gruppe den Raum betreten.
Nach zwei Stunden im Museum ging es für uns nun tiefer ins Kosmodrom hinein. Das Ziel war das Kontrollzentrum des „Burans“, dem sowjetischen Äquivalent zum US-amerikanischen Space-Shuttle. Das Kontrollzentrum befindet sich im Gebäude 60 auf dem Platz 250A. Gebäude 60 ist dabei eher ein Bunker als ein Gebäude. Nach der Passage dicker Panzertüren und langer Gängen mit dicken Mauern betraten wir den Kontrollraum.
Zur Überraschung vieler befanden sich noch viele intakte Schaltschränke und -pulte im Gebäude. Leider wurden wir nicht über die einzelnen Funktionen aufgeklärt, und so mussten wir mit unseren geringen Russischkenntnissen ein wenig spekulieren. Auch wenn es in allen ehemaligen UDSSR-Staaten üblich ist, dass in der Regel alle historischen Ausstellungstücke angefasst werden, war für mich die Erlaubnis schockierend, dass auf dem einmaligen geschichtsträchtigen Material einfach herumgespielt werden durfte.
Zurück im Bus fuhren wir weiter zur Startrampe Platz 31. Dabei passierten wir auch die riesigen Überreste der beiden Startrampen des „Buran“ und den Rest eines Startturms für die „N1“. Sichtbar waren auch die schweren Beschädigungen des Daches der Integrationshalle des „Buran“. Unvorstellbar dass sich dort unter dem Schutt noch immer ein „Buran“ befindet, der auf eine Unterbringung im Museum wartet.
Nachdem wir erneut Platz 112 passiert hatten, ging es weit in den Osten des Kosmodroms, wo sich die Startrampe Platz 31 befindet. Auf der Fahrt konnten wir auch das eine oder andere Kamel am Wegesrand beobachten.
Die Startrampe 31 ist im wesentlichen eine Kopie von Gagarins Startplatz. Da die Startrampe 31 zu einem späteren Zeitpunkt gebaut wurde, sind hier schon ein paar Verbesserungen eingeflossen. So befinden sich die Integrationshallen sehr nahe am Startplatz und der Flammenschacht ist kleiner dimensioniert.
Leider konnten wir den eigentlichen Starttisch nicht betreten. Gerne hätten wir den leeren Startturm begutachtet und auch einen Blick in den Flammengraben gewagt. So blieb es nur bei ein paar Zoomaufnahmen und ein paar Gruppen- und Einzelbildern fürs Fotoalbum. Anschließend ging es zurück in die Stadt Baikonur.
Um für das Highlight, den Nachtstart der „Sojus“, gewappnet zu sein, konnten wir also ein wenig vorschlafen… Am Abend hieß es dann auch Abschied von Oleg zu nehmen, unserem Freund und Helfer vor Ort. Wir tauschten noch Geschenke aus und tranken das letzte frische Bier vor dem Start. Den Startschnaps wollten wir, der Tradition folgend, natürlich nicht vorziehen.
Gegen 21:30 Uhr – nach Sonnenuntergang – wurden wir von unserer Reiseleitung wieder mit dem Bus abgeholt und es ging das letzte Mal in Richtung Kosmodrom. Der erste Stopp lag noch in der Stadt: Wir konnten nach dem Verlassen der Besatzung von „Sojus MS06“ und der daher aufgehobenen Quarantäne das Gelände des Kosmonautenhotels betreten und die Allee der Kosmonauten besuchen. Auf letzterer pflanzt jeder Raumfahrer vor seinem ersten Start einen Baum. Fliegt er ein weiteres Mal ins All, darf er seinen Baum gießen.
Im Dunkeln gestaltete sich die Suche nach ein paar Bäumen ausgewählter Raumfahrer als sehr schwierig. Die Bäume von Gerst, Flade, Cristoferetti, Padalka und Simony konnten wir finden. Leider waren aber die Bäume des ersten Deutschen und des ersten Österreicher nicht auszumachen. Das nächste Mal sind wir besser vorbereitet…
Nach nur 15 Minuten, die wir mit der Sucherrei verbracht hatten, ging es weiter ins Kosmodrom. Da es sich bei „Sojus MS06“ um einen bemannten Flug handelte, gehörte es dazu, auch die Raumfahrer wenigstens einmal aus nächster Nähe zu sehen. Nach einer Sicherheitsüberprüfung konnten wir uns auf dem Platz zur Abfrage der Flugbereitschaft ein paar Plätze in der ersten Reihe sichern. Erst nach und nach kamen weitere Touristen, Pressevertreter, Offizielle und Angehörige der Raumfahrer auf den Platz. Nach einigem Warten in der kalten kasachischen Nacht kam die Besatzung in ihren weiss-blauen Sokol-Raumanzügen synchron aus dem Gebäude gelaufen und absolvierte ihre vorerst letzten Schritte auf der Erde zur Flugabnahme.
Die Besatzung bestieg nach dem üblichen kurzen Dialog zügig den Bus, der sie zur Startrampe brachte. Gerne wären wir auch mit in den Bus eingestiegen. Doch statt in eine „Sojus“-Kapsel zu steigen, durften wir das Museum des Kosmodroms nochmals intensiver studieren und im „Buran“-Cockpit das Steuer übernehmen. Es gab auch Zeit, das eine oder andere Souvenir wie z.B. eine Modellrakete, ein T-Shirt oder gar Raumfahrernahrung zu erwerben. In lockerer Runde plauderten wir mit den zahlreichen internationalen Gästen und tranken noch ein wenig Kaffee, um der langen Nacht Herr zu werden.
Mittwoch 13. September 2017
Gegen halb zwei Uhr nachts kam endlich das Signal zum Aufbruch für die Fahrt zum Aussichtsbereich mit Blick auf die Rakete. Die neue Besucherplattform beherbergt ein riesiges Zelt, in dem man sich in kalten Nächten aufwärmen kann, sowie eine riesige LED-Videowand mit Liveübertragung vom „Sojus“-Start. Wir haben natürlich den direkten und hervorragenden Blick im Freien auf das Highlight der Reise in rund 1.300 Metern Entfernung bevorzugt: Die mit starken Scheinwerfern angestrahlte und durch die kalten Treibstoffe schon stark dampfende „Sojus“-Rakete.
Da stand sie nun mit startbereiter Besatzung ruhig auf dem Starttisch. Neben der Aufnahme von ein paar Fotos tauschten wir uns wieder mit weiteren Besuchern aus und verpassten dabei beinahe den Start. Zum Glück gab das Zurückfahren des Betankungsarms ein Zeichen des nahenden Starts. Mit dem Start wurde die Startrampe in sehr helles blendendes Licht getaucht.
Wir spürten die Hitze und nach wenigen Sekunden hörten und fühlten wir das Aufbrüllen der Rakete beim Zünden der Triebwerke. Durch die relative Nähe blickten wir, ähnlich wie bei einer startenden Silvesterrakete, direkt in die Triebwerke. Was für ein Anblick! Doch nach wenigen Minuten war „Sojus MS06“ schon zu einem kleinen Punkt geschrumpft und entfernte sich am Horizont.
Fünf Minuten nach dem Start hieß es schon: Aufbruch zum Hotel. Bis zum Herbergszimmer wurden noch die letzten Kontakte ausgetauscht, dann das Frühstückspaket in Empfang genommen und schließlich die Sachen gepackt. Nach vier sehr schönen und eindrucksvollen Tagen in Baikonur verließen wir den Weltraumbahnhof an der Bahnstation Tjuratam, um das große Kasachstan in weiteren vier Tagen zu erkunden.
Epilog
Als wir am nächsten Tag in die blau und modern gehaltene Metrostation „Baikonur“ im Herzen der ehemaligen kasachischen Hauptstadt Almaty fuhren, fanden wir leider außer einer kleinen Videoleinwand mit dem kasachischen Raumfahrer Talghat Mussabajew an Bord der ISS keinen weiteren Raumfahrtbezug vor. Trotzdem flimmerten die tollen Eindrücke von Baikonur vor unseren inneren Augen immer wieder auf. Wir hoffen, dass der Weltraumbahnhof auch noch lange nach der ISS bestehen bleibt und dieser auch die auf der Expo in Astana vorgestellten Visionen erlebt – und vor allem mitträgt!
Ein riesiger Dank geht an das Forumsmitglied Oleg (Baikonur). Ohne ihn wäre die Reise so nicht möglich gewesen und auch die unglaubliche Hilfe vor Ort war einfach großartig. Forumsmitglied Bernhard (Mars) danken wir für die Einladung zu dieser erstaunlichen Entdeckungsreise nach Kasachstan und Baikonur, und den Foristen F-D-R und HausD für die Vorbereitung der Reise zum Weltraumbahnhof Baikonur – DANKE!