Auf Titan gibt es Nebel aus Methan

Auf dem Titan gibt es Nebel, der aus Methanpfützen am Boden verdampft. Der Saturnmond besitzt damit wie die Erde einen aktiven hydrologischen Kreislauf.

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: Brown, Ádámkovics (2009), New Scientist, Caltech. Vertont von Peter Rittinger.

NASA/JPL/University of Arizona
Wolken auf dem Titan
(Bild: NASA/JPL/University of Arizona)

Die US-Astronomen Mike Brown vom California Institute of Technology und Máté Ádámkowitsch von der University of California haben ein wichtiges Bindeglied im Stoffkreislauf des Titans entdeckt: Nebel. Sie berichten über ihre Ergebnisse in der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters. Mit dem Instrument VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer) der NASA-Sonde Cassini war es ihnen gelungen, den Gehalt an Tröpfchen in verschiedenen Schichten der Titanatmosphäre zu bestimmen.

Was ist Nebel? – Ein Herbstspaziergang
Ein goldener Herbsttag im Oktober geht zu Ende: Die Sonne schiebt sich unter den Horizont, das bunte Blätterdach wird grau und erhält durch wallende Nebelschwaden einen morbiden Charme. Was für uns wie selbstverständlich zum Herbst dazugehört, ist im Sonnensystem äußerst rar: Nebel. Mit dem Titan fand sich nun der zweite Himmelskörper, auf dem ein ähnliches Phänomen auftritt.

Nebel kann sich bilden, wenn der relative Feuchteanteil der Luft über 100 Prozent ansteigt. Feine Tröpfchen entstehen. Zwei Prozesse können sie erzeugen: Entweder Wasser wird der Luft durch Evaporation zugeführt, bis es übersättigt ist oder man kühlt die Luft ab. Kalte Luft kann deutlich weniger Feuchtigkeit aufnehmen. Wer schon probiert hat, im Winter Wäsche zu trocknen, hat das bemerkt. Geht nach einem warmen Herbsttag die Sonne unter, kühlt sich die Luft ab. Der Boden übernimmt die Rolle eines Kühlaggregats. Wenn die Temperatur am Boden unter den Taupunkt sinkt, kann die Luft weniger Wasser halten, als sie trägt. Und Nebel steigen auf.

„Nebel, Wolken, Tau oder Kondensation bezeichnet den gleichen Prozess: Sie entstehen, wenn ein Gas 100 Prozent Luftfeuchte erreicht“, erklärt Brown. „Es gibt mehrere Wege, dorthin zu gelangen. Natürlich passiert es, wenn Wasser (auf der Erde) oder Methan (auf Titan) in die Luft abgegeben wird. Der zweite Prozess passiert viel häufiger. Wenn Luft kälter wird, kann sie weniger Wasser (oder flüssiges Methan) halten. Alles was zu viel ist, muss dann kondensieren.“

Titan: Exotischer Methannebel
Der Titan gehört zu den erdähnlichsten Körpern des Sonnensystems. Zwar ist er etwas kleiner als die Erde und seine Atmosphäre ist mit -180°C am Boden deutlich kälter. Die Anzeichen verdichten sich aber, dass Oberflächengewässer wie Seen, Flüsse, Tümpel und Pfützen einen dynamischen Stoffkreislauf am Laufen halten. So etwas kennt man nur vom Wasserkreislauf der Erde. Vorhandene Flussbetten, scheinbar trockene Küstenlinien und kleinere Seen kennt man bereits länger. Der Fund von Nebel bedeutet, dass das flüssige Element auch gegenwärtig die Oberfläche des Mondes ständig neu formt.

Erde, Venus und Titan sind die einzigen festen Himmelskörper mit dichter Atmosphäre. Die titanische Lufthülle besteht wie die der Erde zu großen Teilen aus Stickstoff. Während auf der Erde Wasser die Rolle des erosiven Landschaftsbildners übernimmt, spielt auf dem Titan die Verbindung Methan diese Rolle. Rund 1,5 Prozent der Atmosphäre bestehen aus der einfachen Verbindung. Trifft Sonnenlicht auf die Lufthülle, zerfällt das Gas und die Produkte können zu komplexeren Molekülen reagieren, darunter Ethan, Propan, Cyanwasserstoff und Kohlenstoffdioxid. Unter den Produkten spielt Ethan die wichtigste Rolle.

Unter den Bedingungen der Titanoberfläche ist Ethan ein langweiliger Stoff. Nach seiner Entstehung tropft er auf die Oberfläche und verbleibt dort. Die Sonneneinstrahlung und Temperaturen reichen nicht aus, um ihn wieder zu mobilisieren. Wenn Ethan die wichtigste Rolle in den Oberflächengewässern spielt, dürfte es kaum Niederschläge, Fließereignisse und damit landschaftsformende Erosion geben. Titans Rillen, Kanäle und Gebirge wären ein ähnliches Museum lange vergangener Zeiten wie die des Mars`.

Warum wallen Methanschwaden wirklich?

Brown, Ádámkovics (2009)
Strukturen an der Oberfläche (erste Zeile), in der Troposphäre (untere Zeile) und mit einem Filter, der sensibel auf große Wassertropfen in der Atmosphäre reagiert (Mitte): Die grünen Pfeile markieren markante Bereiche, die sich über die Zeit änderten. Dabei handelt es sich um Wolken und Nebel.
(Bild: Brown, Ádámkowitsch (2009))

Wie lässt sich Nebel in Bodennähe nachweisen und von Wolken und statischen Oberflächenphänomenen unterscheiden? Das Cassini-Instrument VIMS eignet sich durch seine Vielseitigkeit für diese Aufgabe: Es nimmt simultan 352 Wellenlängen im sichtbaren und infraroten Spektralbereich auf. Damit kann die Lufthülle Schicht für Schicht durchleuchtet werden. Kommt es zu erhöhter Tröpfchenbildung, erscheinen die Aufnahmen weiß. So konnten die Astronomen zwischen Troposphärenwolken und Nebel nahe der Oberfläche unterscheiden. Blieb eine Fläche auch über die Zeit weiß, vermuteten sie eine sehr helle Oberflächenstruktur, während Nebel und Wolken zeitlich variabel sein mussten.
Auf der Erde kann Nebel durch mehrere Prozesse entstehen. Beim Bergnebel spielt die Höhe eine Rolle. Wenn Luft entlang eines Gebirges aufsteigt, kühlt sie sich ab. „Ein Berg auf Titan müsste 4.600 Meter hoch sein, bevor die Luft stark genug abgekühlt ist, um zu kondensieren“, schränkt Brown diese Möglichkeit ein. Die höchsten Berge auf dem Saturnmond sind nur rund 900 Meter hoch. Die eishaltige Kruste kann kein größeres Relief erzeugen.

Romantischer Herbstnebel kurz vor Sonnenaufgang auf dem Titan? Ebenfalls Fehlanzeige. Um den Nebel so zu erzeugen, müssten Tag-Nacht-Temperaturunterschiede von 7 °C existieren. So groß ist der Einfluss der Sonne auf der Saturnbahn jedoch nicht mehr.

So bleibt nur eine Möglichkeit: Die Nebelschwaden stehen in Kontakt zu Pfützen oder kleinen Seen aus flüssigem Methan, so Brown: „Die Existenz von Nebel beweist, dass Titan von kleinen Methantümpeln übersät ist. Auf Bodenhöhe steigt die relative Luftfeuchte auf 100 Prozent und verwandelt sich in Nebel. Normalerweise würde der als Kumuluswolke sofort in den Himmel aufsteigen. Die einzige Möglichkeit, die Nebelschwaden am Boden stabil zu halten, ist eine zusätzliche Feuchtigkeitsquelle und eine leichte Kühlung. Dafür käme ein Methantümpel in Frage.“

Die Entdeckung von Nebel schließt einen hydrologischen Kreislauf: Methan entsteht in der Atmosphäre, kondensiert am Boden, formt einen Teil der Oberflächengewässer und verdunstet schließlich wieder. Damit ist Titans Oberfläche vergleichbar dynamisch Veränderungen unterworfen wie die der Erde.

Zusätzlich spielen die Jahreszeiten eine Rolle: Browns Gruppe hatte die Beobachtungen am Titansüdpol gemacht, wo gerade Spätherbst ist. Bald dürfte es dort zu kalt sein. Dann wird die Nebelproduktion vielleicht in die nördliche Hemisphäre verlagert. Die Forscher hoffen, dass die Sonde bis dahin aktiv bleibt. Denn im Norden beginnt der Sommer erst 2016.

Raumcon

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