Im Lotto zu gewinnen ist unwahrscheinlich genug. Aber wer gleich vier Mal hintereinander gewinnt, der wird sich vermutlich fragen, ob das wohl noch mit rechten Dingen zugehen kann. In einer vergleichbaren Situation befindet sich jetzt auch ein Team von Astronomen. Die Wissenschaftler entdeckten kürzlich das erste Quasar-Quartett: Eine Anordnung von vier Quasaren – jeder für sich genommen wäre bereits ein äußerst seltene zu beobachtendes Objekt – welche sich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befinden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Keck-Observatorium, Science.
Bei einem Quasar handelt es sich um den extrem intensiv leuchtenden Kernbereich einer entfernt gelegenen aktiven Galaxie, welcher gewaltige Mengen an Energie abstrahlt. Für diese Leuchtkraft, so die gängige Theorie, ist ein im Zentrum dieser Galaxie gelegenes supermassereiches Schwarzes Loch verantwortlich, welches über eine Masse verfügt, die einigen Millionen bis Milliarden Sonnenmassen entspricht.
Obwohl Schwarze Löcher in erster Linie dafür bekannt sind, die sie umgebende Materie anzuziehen, welche sich dann in einer schnell rotierenden Akkretionsscheibe in der unmittelbarer Umgebung des Schwarzen Lochs sammelt, stoßen Quasare einen Teil des sie umgebenden Materials auch wieder ab. Dieses Material wird dabei in Form von langgezogenen Strahlen – sogenannten Jets – mit hohen Geschwindigkeiten entlang der Rotationsachsen der Quasare von diesen weggeschleudert. Die Materie in der rotierenden Scheibe kann dabei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeiten und Temperaturen von bis zu mehreren Millionen Grad erreichen und sendet gewaltige Mengen an Licht aus. Diese Materieflüsse nehmen letztendlich eine entscheidende Rolle bei der weiteren Entwicklung der jeweiligen Galaxien ein.
Quasare – Selten auftretende ‚kosmische Leuchtfeuer‘
Quasare treten allerdings nur in einer vergleichsweise kurze Phase der Galaxienentwicklung auf. Während dieser Phase gehört der Galaxienkern zu den hellsten Objekten im Universum überhaupt. Er sendet dabei mehr als hundert Mal mehr Licht aus als der gesamte Rest der Galaxie mit seinen immerhin mehreren Hunderten von Milliarden von Sternen. Die von ihnen erzeugte immense Helligkeit macht Quasare somit praktisch zu ‚kosmischen Leuchtfeuern‘, deren nähere Untersuchung es den Astronomen und Astrophysikern ermöglicht, die Anfänge der Entstehungsgeschichte unseres Universums und die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien näher zu analysieren und zu interpretieren.
In der Gegenwart finden Astronomen zwar im Zentrum aller massereichen Galaxien supermassereiche Schwarze Löcher. Diese sind allerdings, abgesehen von verhältnismäßig wenigen Ausnahmen, inaktiv. Es strömen also keine nennenswerten Mengen an Gas oder anderer Materie in diese Schwarzen Löcher. In der Vergangenheit muss sich diese Situation jedoch anders gestaltet haben. Den derzeitigen Wachstumsmodellen von supermassereichen Schwarzen Löchern zufolge fand ein beträchtlicher Anteil des Massenzuwachses dieser Objekte während der Quasar-Phase der Galaxie statt. Diese ‚Blütezeit‘ der Quasar-Aktivitäten in Galaxien fand allerdings vermutlich bereits zu einer Zeit statt, als das Universum nur rund ein Fünftel so alt war wie heute.
Alle supermassereichen Schwarzen Löcher in massereichen Galaxien sollten laut den aktuellen Modellen in einem bestimmten Entwicklungsstadium zu Quasaren geworden sein. Allerdings hält die Quasar-Aktivität nur etwa zehn Millionen Jahre lang an. Verglichen mit den Alter von rund zehn Milliarden Jahren, über das typische Galaxien verfügen, ist dies ein nur sehr kurzer Zeitraum. Die physikalischen Prozesse und Voraussetzungen, unter denen sich ein supermassereiches Schwarzes Loch zu einem Quasar entwickelt, sind allerdings immer noch nicht vollständig verstanden. Von hoher Bedeutung dürften dabei jedoch die Bedingungen in den Zentren der jeweiligen Galaxien sein. Um eine ‚Quasar-Phase‘ auszulösen, muss sich eine große Menge von Materie in der Kernregionen der Galaxie befinden und dabei zudem hinreichend nahe an das Schwarze Loch gelangen, um von dessen Gravitationskraft angezogen zu werden.
Beobachten die Astronomen einen Quasar, dann beobachten sie damit auch eine Galaxie in einem zeitlich sehr begrenzten Abschnitt ihres Daseins. Dies erklärt auch, warum man bei Himmelsbeobachtungen nur sehr selten auf diese Art von Objekt trifft. Und weil Quasare so selten sind, liegen die bisher bekannten Exemplare zudem weit voneinander entfernt. Typischerweise betragen deren Abständen zueinander einige hundert Millionen Lichtjahren. Entsprechend selten tritt der Fall ein, dass sich zwei Quasare in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befinden. Unter den mehr als 500.000 Quasaren, welche die Astronomen bislang identifiziert haben, finden sich nur etwa 100 solcher ‚Doppelquasare‘.
Entsprechend groß war die Überraschung, als ein Team aus US-amerikanischen und Schweizer Astronomen im Jahr 2007 die Entdeckung des ersten ‚Tripel-Quasars‘ (katalogisiert als LBQS 1429-008) bekannt gab – dreier sich in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befindlicher Quasare. Die Wahrscheinlichkeit, einen ‚Vierfachquasar‘ zu entdecken, wurde von den Astronomen dagegen auf der Basis des heutigen Verständnisses von Quasarhäufigkeiten und der großräumigen Verteilung von Materie im Universum auf einen Wert von lediglich eins zu zehn Millionen geschätzt. Doch genau dieser Fall, der von der Wahrscheinlichkeit her fast mit einem „Sechser im Lotto“ zu vergleichen ist, ist jetzt eingetreten.
Erstmals entdeckt: Ein Quasar-Quartett
Einem internationalen Astronomenteam unter der Leitung von Dr. Joseph F. Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg ist es jetzt erstmals gelungen, einen solchen ‚Vierfachquasar‘ aufzuspüren. Die vier Quasare befinden sich in einem Bereich des Weltalls, welcher über einen Durchmesser von lediglich einer Million Lichtjahren verfügt. Ihre Entdeckung gelang den Wissenschaftlern mit dem W.-M.-Keck-Observatorium auf dem Vulkan Mauna Kea auf Hawaii.
Dr. Hennawi und seine Kollegen waren dabei ursprünglich auf der Suche nach sogenannten Lyman-Alpha-Nebeln. Hierbei handelt es sich um gigantische, aus kühlen und vergleichsweise dichten Wasserstoff bestehende Gaskonzentrationen im Weltall. Ist ein Quasar von einem solchen Reservoir aus kühlem Wasserstoffgas umgeben, so kann die intensive Quasar-Strahlung wie eine Art kosmischer Flutlichtscheinwerfer wirken, wobei das umgebende Gas letztendlich zum Leuchten angeregt wird und so seine Struktur offenbart.
Um bisher unbekannte Lyman-Alpha-Nebel zu entdecken, hatten die Astronomen zunächst die Spektren von 29 vielversprechenden Quasaren analysiert und darin nach den Spuren einer diffusen, großräumigen Strahlung Ausschau gehalten, wie sie ein zum Leuchten angeregtes Gas aussendet. Einer der so untersuchten Quasare – er trägt die Katalognummer SDSSJ0841+3921 – zeigte in der Tat vielversprechende Anzeichen solcher Spuren. Dieser Quasar wurde anschließend mit der Spektrograf-Kamera-Kombination LRIS (kurz für „Low Resolution Imaging Spectrometer“) des Keck-Observatoriums genauer untersucht. Hierzu wurde das besagte Objekt bereits im November 2012 über einen Zeitraum von drei Stunden beobachtet. Dabei kam ein ‚maßgeschneiderter‘ engbandiger Lyman-Alpha-Filter zum Einsatz, welcher lediglich für das charakteristische Licht des kühlen Wasserstoffgases durchlässig ist.
Diese Beobachtungen zeigten, dass die Astronomen einen der größten und hellsten Lyman-Alpha-Nebel, der anschließend von Dr. Hennawi und seinen Kollegen mit dem treffenden Namen „Jackpot-Nebel“ belegt wurde, entdeckt hatten, welcher bis dahin bekannt war. Der etwa 10,5 Milliarden Lichtjahre entfernt gelegene Nebel (kosmologische Rotverschiebung z=2,0412) verfügt über einen Durchmesser von rund einer Million Lichtjahren. Bei der Auswertung der Keck/LRIS-Aufnahmen stellten die Astronomen zudem zu ihrer Überaschung fest, dass sie es nicht etwa mit nur einem einzigen Quasar zu tun hatten, sondern vielmehr mit gleich vier Quasaren, welche offenbar alle in dieselbe riesige Wolke aus Wasserstoffgas eingebettet waren.
Eine nachfolgende Untersuchung der Spektren dieser vier Quasare bestätigte, dass es sich hier in der Tat um vier unterschiedliche Quasare – und damit insbesondere nicht um eine sogenannte Gravitationslinse, bei der die Ablenkung von Licht durch die Gravitation einer großen stellaren Masse Mehrfachbilder von ein und desselben Quasar erzeugen kann – handelte.
Doch wie kam es trotz der geringen Wahrscheinlichkeit, dass sich gleich vier Quasare sozusagen auf in kosmischen Größenordnungen betrachtet engsten Raum befinden, zu dieser Entdeckung? Und sollte es sich hierbei nicht ’nur‘ um einen Zufallsfund handeln – welche Prozesse können für die Existenz dieses ‚Quasar-Quartetts‘ verantwortlich sein?
Erklärungsversuche
Hierbei dürften die besonderen Eigenschaften der Raumregion, in der die vier Quasare aufgespürt wurden, eine entscheidende Rolle spielen. Entdeckt wurden die Quasare – wie bereits erwähnt – im Inneren eines Lyman-Alpha-Nebels, in den diese Objekte eingebettet sind. Außerdem beherbergt die betreffende Raumregion besonders viel Materie. J. Xavier Prochaska von der University of California in Santa Cruz, der Hauptantragsteller für die entsprechenden Beobachtungszeiten mit dem Keck-Teleskop, sagt hierzu: „Diese Raumregion enthält mehrere hundert Mal so viele Galaxien, wie man in dieser Distanz erwarten würde.“
Mit der hier zu beobachtenden ungewöhnlich hohen Zahl an Galaxien ähnelt diese Region des Weltalls den Galaxienhaufen, in denen im heutigen Universum auf einem Raum von einigen Millionen Lichtjahren Durchmesser bis zu mehrere tausend Galaxien gravitativ aneinander gebunden sein können. Allerdings ist die betreffende Raumregion soweit von uns entfernt, dass das von dort ausgehende Licht etwa 10,5 Milliarden Jahre benötigt hat, um unseren Heimatplaneten zu erreichen. Die Aufnahmen des Keck-Teleskops zeigen uns diese Region daher so, wie sie sich vor mehr als zehn Milliarden Jahren – und somit weniger als vier Milliarden Jahre nach dem Urknall – präsentierte. Es handelt sich hier um einen Proto-Galaxienhaufen – den Vorläufer eines der massereichsten Galaxienhaufen im heutigen Universum.
Die Astronomen vermuten, dass physikalische Prozesse existieren, welche die Bildung von Quasaren unter bestimmten kosmischen Umweltbedingungen stark begünstigen könnten. Zahlreiche theoretische Modelle sagen so zum Beispiel voraus, dass eine Quasar-Aktivität ausgelöst werden sollte, wenn Galaxien zusammenstoßen und miteinander verschmelzen. Derartig gewaltsame Wechselwirkungen, so die Argumentation, könnten besonders effektiv Gas in die Umgebung eines zentralen Schwarzen Lochs umlenken. Solche ‚kosmischen Kollisionen‘ sollten in einem dicht mit Galaxien gefüllten Protohaufen deutlich wahrscheinlicher sein als in Regionen des Weltalls, in denen sich nur vergleichsweise wenig Galaxien befinden.
„Auch der gigantische Emissionsnebel dürfte ein wichtiger Puzzlestein sein, denn er zeigt, dass es dort eine gewaltige Mengen an dichtem, kühlen Gas gibt“, so Fabrizio Arrigoni-Battaia, ein Doktorand am Max-Planck-Institut für Astronomie, der ebenfalls an der Entdeckung beteiligt war. Supermassereiche Schwarze Löcher entwickeln sich nur dann zu Quasaren, wenn hinreichend viel Gas auf das Schwarze Loch zuströmt. Und dafür wiederum könnte eine Umgebung, die zumindest auf kosmischen Größenskalen reich an dem nötigen Gas ist, entsprechend günstige Bedingungen bieten.
Andererseits erwarten die Astronomen nach dem heutigen Verständnis über die Bildung von großflächigen Strukturen im Universum jedoch eigentlich nicht, dass ein Protohaufen zugleich auch als Lyman-Alpha-Nebel in Erscheinung tritt. Sebastiano Cantalupo von der ETH Zürich, ein weiterer der an dieser Forschungsarbeit beteiligten Wissenschaftler, sagt hierzu: „Unsere heutigen Modelle der kosmischen Strukturbildung sagen aufgrund von Supercomputer-Simulationen vorher, dass massereiche Strukturen im frühen Universum mit extrem dünnen Gas gefüllt sein sollten, mit Temperaturen von rund zehn Millionen Grad. Das Gas im Jackpot-Nebel ist im Vergleich dazu tausend Mal dichter und tausend Mal kühler.“
Entweder haben die Astronomen mit der Entdeckung dieses Quasar-Quartett einfach nur ‚Glück gehabt‘ oder aber sie haben etwas durchaus Ungewöhnlichem entdeckt: Ein Phänomen, das nach der Erklärung verlangt, wie und in welcher Umgebung solche Mehrfachquasare entstehen können. Die Quasar-Umgebung selbst – sowohl der Protohaufen als auch der Lyman-Alpha-Nebel – deutet jedenfalls auf bisher nicht entschlüsselte Widersprüche bei dem gegenwärtig geltenden Verständnis der Galaxienentstehung hin.
„Wenn man etwas entdeckt, das dem heutigen Wissensstand nach extrem unwahrscheinlich ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man hatte einfach nur gewaltiges Glück, oder es ist Zeit, die gängigen Theorien noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen“, so Dr. Hennawi. „Extrem seltene Ereignisse haben die Macht, langgediente Theorien auf den Kopf zu stellen.“ In diesem Sinne könnte auch die kürzlich erfolgte Entdeckung des ersten Quasar-Quartetts im Universum die Kosmologen dazu zwingen, das bisher geltende Bild von der Entstehung von Quasaren und der massereichsten Strukturen im Universum neu zu überdenken.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 15. Mai 2015 von Dr. Joseph F. Hennawi et al. unter dem Titel „Quasar Quartet Embedded in Giant Nebulae Reveals Rare Massive Structure in Distant Universe“ in der Fachzeitschrift Science publiziert. Die hierfür genutzten Daten wurden mit dem W.-M.-Keck-Observatorium gewonnen, welches als wissenschaftliches Kooperationsprojekt des California Institute of Technology (CIT), der University of California und der NASA betrieben wird. Das Observatorium verdankt seine Existenz der großzügigen finanziellen Unterstützung der W.M.-Keck-Stiftung.
Die Autoren möchten in diesem Zusammenhang zudem auf die wichtige kulturelle und spirituelle Rolle hinweisen, welche der Gipfel des Mauna Kea, wo sich dieses Teleskop befindet, für die Nachfahren der ursprünglichen Hawaiianer spielt. Leider haben verschiedene Interessenkonflikte erst kürzlich dazu geführt, dass der Bau des für eine ursprünglich für das Jahr 2022 vogesehene Inbetriebnahme des Thirty-Meter-Teleskops, welches derzeit ebenfalls auf dem Mauna Kea erreichtet wird, unterbrochen werden musste. Die Astronomen schätzen sich glücklich, von diesem Berg aus beobachten zu dürfen.
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Fachartikel von Dr. Joseph F. Hennawi et al.: