Durch Ausnutzung des Gravitationslinseneffekts will ein internationales Astronomenteam Spuren der bisher ältesten je entdeckten Galaxien des Universums gefunden haben – Licht aus einer Zeit, als das Universum erst 500 Millionen Jahre alt war.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Caltech News Release.
Teamleiter Richard Ellis, Professor für Astronomie am California Institute of Technology (Caltech), präsentierte am 11. Juli bei der Konferenz „From IRAS to Herschel and Planck“ bei der Geological Society in London Bilder dieser weit entfernten, lichtschwachen Objekte.
Wenn Licht von weit entfernten Objekten ein Gravitationsfeld von uns wesentlich näher gelegenen Objekten mit hoher Masse passiert, dann profitieren wir von einem Effekt, den man als „Gravitationslinse“ bezeichnet: Die Lichtstrahlen werden gebündelt und verstärkt. Mit einer erstmals erprobten Technik nutzte die vom Caltech geführte Forschergruppe bewusst große Ansammlungen von Galaxien als Gravitationslinsen für eine Serie von Beobachtungskampagnen. Sie suchten Objekte, die so weit weg waren, dass sie mit normalen Methoden nicht entdeckt werden können. Dafür verwendeten sie das 10-Meter-Teleskop Keck II auf dem Vulkan Mauna Kea auf Hawaii.
Ellis erklärt: „Gravitationslinsen bewirken die Vergrößerung entfernter Strukturen durch Vordergrundstrukturen. Indem wir durch sorgfältig ausgesuchte Galaxienhaufen hindurch sahen, haben wir sechs sternbildende Galaxien in bisher unerreichten Entfernungen entdeckt. Zu der Zeit, als sie dieses Licht ausstrahlten, war das Universum erst 500 Millionen Jahre alt, das heißt, es hatte erst weniger als vier Prozent seines jetzigen Alters erreicht.“
Man nimmt an, dass das Universum nach seinen ersten 300.000 Jahren eine Phase erreichte, in der noch keine Sterne existierten. Kosmologen nennen diese Phase daher auch das „Dunkle Zeitalter“. Den Moment der „kosmischen Dämmerung“ möglichst genau einzugrenzen, als die ersten Sterne und Galaxien sich bildeten und das Universum erhellten, ist eine der Hauptfragen der Sternenbeobachtung und bildet mit eine der Motivationen, zukünftige gewaltige Teleskope wie das 30-Meter-Teleskop des Caltech zu bauen oder auch das James-Webb-Weltraumteleskop.
Die neue Suche ist die Kulmination von drei Jahren peinlich genauer Beobachtungen im Rahmen der Dissertation des Caltech-Doktoranden Dan Stark. „Mit Keck II haben wir sechs Galaxien entdeckt, deren Lichtsignale durch den Vergrößerungseffekt einer Vordergrundstruktur um mehr als das 20fache verstärkt wurden. Dass wir so viele entfernte Galaxien in unserem kleinen Beobachtungsbereich finden konnten, lässt vermuten, dass diese sehr zahlreich sind. Wir schätzen, dass der kombinierte Strahlungsausstoß dieser Sternpopulation ausgereicht haben könnte, die Wasserstoffatome jener Zeit zu ionisieren und damit das ´Dunkle Zeitalter´ zu beenden“, erläuterte Stark.
Definitiv zu beweisen, dass jedes der sechs Objekte sich eindeutig in so großer Entfernung befindet (und damit tatsächlich zu so früher Zeit beobachtet wurde), ist allerdings kaum möglich, selbst mit den mächtigsten Instrumenten. „Wie bei aller Arbeit an den Grenzen der Leistungsfähigkeit könnten Skeptiker weitere Beweise fordern, dass die mit Keck beobachteten Objekte wirklich so weit entfernt sind“, gab Ellis zu. Allerdings führten Ellis und Stark seit ihrer ursprünglichen Entdeckung vor einem Jahr etliche Checks durch (die sie in ihrem veröffentlichten wissenschaftlichen Artikel näher beschrieben haben). Zudem weisen sie auf bestätigende Hinweise aus anderen Untersuchungen hin, die sich mit Galaxien befassen, die nur wenig jünger sind als die sechs von ihnen entdeckten.
„Aus Messungen mit dem Spitzer-Weltraumteleskop von Galaxien, die etwa 300 bis 500 Millionen Jahre später entstanden, können wir ableiten, dass im Universum in diesen frühen Zeiten schon jede Menge Sternbildungsvorgänge abliefen“, erklärt Stark. „Die Galaxien zu dieser Zeit zeigen verräterische Anzeichen, dass sie bereits über alte Sterne verfügten (publiziert in früheren Arbeiten von Ellis, Stark und dem englischen Wissenschaftler Andrew Bunker). Um schon alte Sterne aufzuweisen, muss es aber schon früher Sternbildungsaktivität gegeben haben, sehr wahrscheinlich in den noch früheren Galaxien, die wir nun entdeckt haben.“
Ebenfalls in Verbindung mit der Studie von Ellis und Stark steht der Caltech-Dozent Johan Richard, der eine ähnliche, aber unabhängige Untersuchung vergrößerter Galaxien mit den Teleskopen Hubble und Spitzer leitet. Obwohl dieses Werk noch nicht abgeschlossen ist, unterstützen seine vorläufigen Ergebnisse die Schlussfolgerungen der Keck II-Untersuchung. Ferner nahmen von europäischer Seite Jean-Paul Kneib vom Astrophysik-Labor aus Marseilles und Graham Smith von der Universität Birmingham teil.